Profilbild von uli123

uli123

Lesejury Star
offline

uli123 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit uli123 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.06.2019

Über den Rassismus in Amerika

Die Nickel Boys
0

Der Roman ist fiktiv, hat aber einen wahren skandalösen Hintergrund, der erst nach Jahrzehnten aufgedeckt wurde.

Florida, 1960er Jahre. Der junge, farbige Elwood ist ehrgeizig, intelligent und kommt ...

Der Roman ist fiktiv, hat aber einen wahren skandalösen Hintergrund, der erst nach Jahrzehnten aufgedeckt wurde.

Florida, 1960er Jahre. Der junge, farbige Elwood ist ehrgeizig, intelligent und kommt auch in der Welt der Weißen voran. Er glaubt an Bürgerrechte und hat Martin Luther King zum Idol, nach dessen großartigen Worten er lebt. Völlig zu Unrecht wird er der berüchtigten, vermeintlich gemeinnützigen Besserungsanstalt Nickel Academy – benannt nach einem früheren Direktor - zugeführt, wo schwarze und weiße Jungen schon für geringste Vergehen eingesperrt werden. Schlimmste körperliche Züchtigungen, Gewalt, sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, selbst Mord durch die sadistischen Anstaltsmitarbeiter sind an der Tagesordnung. Rassentrennung ist hier selbstverständlich. Elwood versucht, seine Würde als Mensch zu behalten, wenngleich sein neuer Freund Turner sein Bestes gibt, ihm seine Naivität und seinen Glauben an das Gute im Menschen auszutreiben.
Das Buch führt uns das Böse im Menschen vor Augen. Es zu lesen, ist deshalb nicht angenehm. Es trägt dazu bei, das dunkle, heute noch fortwirkende Kapitel des Rassismus in der amerikanischen Geschichte aufzuarbeiten. Gelungen ist, wie der Autor gleich zum Punkt kommt, ohne den Leser erst langwierig mit Informationen über den geschichtlichen Hintergrund zu überhäufen. Ohne jegliche Sensationslust stellt er das Thema Gewalt recht nüchtern dar. Am Ende gibt es eine völlig überraschende Wendung. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass es sehr viele Romanfiguren gibt, die ich nicht immer gut einordnen konnte.

Veröffentlicht am 18.05.2019

Verdammt zu einem Leben in der DDR

Über alle Grenzen
0

Jetzt ist es schon rund 30 Jahre her, dass die Mauer fiel. Wer allerdings dieses Hörbuch hört, wird meinen, die Geschehnisse hätten sich erst gestern zugetragen. Besonders an der DDR-Geschichte Interessierten, ...

Jetzt ist es schon rund 30 Jahre her, dass die Mauer fiel. Wer allerdings dieses Hörbuch hört, wird meinen, die Geschehnisse hätten sich erst gestern zugetragen. Besonders an der DDR-Geschichte Interessierten, die außerdem Familiengeschichten mögen, möchte ich das Hörbuch empfehlen.
Im Mittelpunkt steht die siebenköpfige Familie Alexander, die Ende der 1950er Jahre aus Bayern nach Erfurt zieht und nach dem bald folgenden Mauerbau so schnell nicht mehr aus der DDR gelangen soll. Schon bald geraten sie mit der allgegenwärtigen Obrigkeit in Konflikt und unter Beobachtung, weil der Vater seinem Chef einen Gefallen macht. Richtig kritisch wird es, als der einzige Sohn in den Westen flieht, später seine Frau und Kinder durch Fluchthilfe nachkommen lässt, was zur Inhaftierung des Vaters führt. Auf dem Weg zurück in die DDR, um seine sterbenskranke Mutter noch einmal zu sehen, wird auch er inhaftiert. Der Rest der Familie ist zunehmenden Repressalien ausgesetzt, so dass es nicht wundert, als die Tochter Lotti Mitte der 80er Jahre mit Mann und Kindern Ausreiseanträge stellt.

Chronologische Schilderungen aus dem Werdegang der Familie zwischen den späten 50er Jahren und Mitte der 80er Jahre wechseln sich ab mit Bruchstücken aus der Gegenwart (2010/11), als Lotti ihren todkranken Bruder Bruno erstmals wiedertrifft und ihn pflegt.

Was bin ich froh, nicht in der DDR aufgewachsen zu sein. Der eine Erzählstrang bringt uns so viele bedrückende Details nahe und lässt gut nachempfinden, warum die DDR-Bürger letztlich einen so großen Freiheitsdrang hatten. Irgendwie hat man das eine oder andere ja schon einmal gehört. Wenn alles aber so geballt erzählt wird, lässt es einen betroffen und mit mehr Verständnis für die Ostdeutschen zurück. Der zweite Erzählstrang prangert wohl die Pflegezustände in deutschen Altersheimen an. Hier habe ich mich etwas daran gestoßen, dass Lotti, die doch völlige Laiin in der Pflege ist, zu bestimmend und zu besserwisserisch auftritt und ihre völlige Aufopferung für den Bruder zu unrealistisch wirkt. Alles in allem waren es für mich aber 655 Minuten interessante Hörminuten, zumal Beate Rysopp gut gelesen hat.


Veröffentlicht am 01.05.2019

Nicht nur eine leichte Urlaubslektüre

Marina, Marina
0

Anders als das Buchcover es vermuten ließe, ist der Roman keineswegs nur eine klischeehafte Urlaubslektüre über Bella Italia und die berühmte italienische Amore. Sicherlich, es ist eine Geschichte über ...

Anders als das Buchcover es vermuten ließe, ist der Roman keineswegs nur eine klischeehafte Urlaubslektüre über Bella Italia und die berühmte italienische Amore. Sicherlich, es ist eine Geschichte über die Bewohner des fiktiven Ortes Sant’Amato an der Riviera sowie deren Verflechtungen untereinander und ist im Wesentlichen in den 1960er Jahren angesiedelt. An Tiefgang erhält die Geschichte, weil das zu dem Zeitpunkt solange noch nicht zurückliegende Geschehen in Italien im Zweiten Weltkrieg , vor allem die Partisanenkämpfe, worüber ich bislang nicht viel wusste, und die Rolle der Deutschen nicht nur oberflächlich thematisiert werden. In formaler Hinsicht weist das Buch einige schöne Besonderheiten auf. Im vorderen Klappendekel befinden sich schöne Fotos von der Riviera; jedes Kapitel beginnt mit einer Zusammenfassung zu einem bekannten italienischen Schlager, der einen als Ohrwurm geradezu verfolgt; am Ende sind drei Rezepte besonderer Gerichte abgedruckt. Sehr hilfreich sind das Personenregister am Anfang und das Glossar am Schluss. Ohne beides lässt sich nicht so einfach durch die vielen Romanfiguren und klangvollen eingestreuten italienischen Vokabeln navigieren.

Veröffentlicht am 26.04.2019

Spanische Einwanderinnen schlagen sich in New York durch

Eine eigene Zukunft
0

Dieser Roman hat mir gut gefallen, dreht er sich doch um ein Thema, über das ich bislang nicht viel wusste – wie sich aus Spanien nach Amerika Mitte der 1930er Jahre eingewanderte Frauen in ihrer neuen ...

Dieser Roman hat mir gut gefallen, dreht er sich doch um ein Thema, über das ich bislang nicht viel wusste – wie sich aus Spanien nach Amerika Mitte der 1930er Jahre eingewanderte Frauen in ihrer neuen Heimat durchschlugen.

Nachdem ihr stets in der Weltgeschichte herumvagabundierender Vater endlich in New York sesshaft geworden ist und einen Gaststättenbetrieb aufgenommen hat, holt er 1936 seine in ärmlichen Verhältnissen lebenden drei Töchter und seine Ehefrau gegen deren Willen aus Spanien nach. Schon bald verunglückt er tödlich und seine Angehörigen würden am liebsten umgehend nach Spanien zurückkehren. Allerdings hält sie zunächst noch das Versprechen einer sich um sie kümmernden Anwältin, aus dem Unglücksfall ihres Vaters eine Entschädigung für sie herauszuholen. Um in der Zwischenzeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen, verwandeln sie die unrentable Gaststätte in einen Nachtclub, mit dem sich vor allem die Schwestern einen Lebenstraum verwirklichen. Dabei können sie auf so manche helfende Hand neuer Bekannter zurückgreifen, sehen sich aber auch vielen Hindernissen ausgesetzt.

Wie spanische Einwanderer in das gelobte Amerika kommen und dann doch wieder nur ein ärmliches Leben führen müssen, ist gelungen dargestellt. Auch der Zusammenhalt der verschiedenen Einwanderergemeinschaften ist beispielhaft. Die vier Protagonistinnen sind sehr individuell. Während die Mutter ihre Töchter rasch unter die Haube bringen will und nur am Lamentieren ist, nutzen die Mädchen ihre neue Chance, um Träume zu verwirklichen und Eigenständigkeit zu erlangen. Vor allem für die Jüngste bieten sich Möglichkeiten, als Tänzerin erfolgreich zu werden. Auch die Liebe kommt nicht zu kurz. So verschieden alle Frauen auch sind und sich oftmals untereinander bekriegen, so halten sie doch in Krisensituationen zusammen. Den Hauptfiguren wurden eine Menge weiterer helfender und opponierender Personen an die Seite gestellt, ohne dass die Geschichte dadurch an Übersichtlichkeit verliert. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass die Handlung nur in einigen Monaten im Jahr 1936 angesiedelt ist und es unrealistisch ist, was die Familie in diesem kurzen Zeitraum alles erlebt.


Veröffentlicht am 19.04.2019

Abschied von St. Petersburg

Lubotschka
0

Ein vom Ansatz her interessanter Streifzug durch St. Petersburg, von den Einheimischen liebevoll „Piter“ genannt.
Die junge Lubotschka steht mit ihrer Mutter im Jahr 2000 kurz vor der Auswanderung nach ...

Ein vom Ansatz her interessanter Streifzug durch St. Petersburg, von den Einheimischen liebevoll „Piter“ genannt.
Die junge Lubotschka steht mit ihrer Mutter im Jahr 2000 kurz vor der Auswanderung nach Deutschland. In den verbleibenden Monaten nimmt sie auf ihre Art von ihrer Heimatstadt Abschied. Sie sucht ihr wichtige Orte auf und macht ihr wichtige Dinge. Fragmentarisch erinnert sie sich auch an Episoden ihrer Kindheit.
Das mir fremde Petersburg kann ich mir jetzt bildlich gut vorstellen. Auch von russischen Besonderheiten zu lesen fand ich interessant. Besonders gelungen ist die Darstellung, wie die Russen nach der Perestroika neue Freiheiten genießen durften, wenngleich die fortbestehende Armut unter der sozial schwachen Bevölkerung unverkennbar war. Das Ganze wird aus der Sicht einer fast noch Jugendlichen geschildert, so dass es nicht verwundert, wenn vieles oberflächlich bleibt, weil Lubotschka ihr Hauptaugenmerk auf Mode, Frisuren, Musik, Zeitschriften legt. Im Verlauf der Geschichte wird alles, was sie tut, zusehends wilder, was mir persönlich nicht mehr so gefallen hat.
Ansprechen dürfte das Buch eher jünger Leser.