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Veröffentlicht am 02.05.2019

Mehr politisches Statement als Krimi

Bronstein
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Wien 1936: Oberst David Bronstein soll zusammen mit seinem Mitarbeiter Cerny den Mord an Hans Binder aufklären, einem ehemaligen Vertrauensmann der Sozialdemokraten, welcher in seiner Wohnung erschossen ...

Wien 1936: Oberst David Bronstein soll zusammen mit seinem Mitarbeiter Cerny den Mord an Hans Binder aufklären, einem ehemaligen Vertrauensmann der Sozialdemokraten, welcher in seiner Wohnung erschossen wurde. Allerdings finden sich keinerlei Hinweise auf den Täter oder wenigstens ein Motiv. Die anderen Mieter im Haus meinen „Die G´schicht´ ist ja eh völlig klar. Den Hans, den haben die Faschisten g´macht.“ (S. 17)
So ist es auch nicht verwunderlich, dass Bronsteins Chef ihn nur 2 Tage später von dem Fall abzieht. Der tote Binder interessiere keinen, um den kann sich der Cerny kümmern. Er soll stattdessen in einem Sozi-Prozeß einen Zuschauer spielen und die anderen Zuschauer bespitzeln. Bronstein hat keine Lust, aber schon der erste Verhandlungstag macht ihm klar, dass dieser Prozess ein Politikum ist und seine Meinung über die herrschenden Verhältnisse nachhaltig beeinflusst.

„Bronstein – sein vergessener Fall“ ist bereits der 5. Fall dieser Reihe und obwohl ich die Vorgängerbände nicht kenne, hatte ich keine Probleme, die Figuren oder ihre Handlungen zu verstehen. Trotzdem konnte mich Andreas Pittler nicht ganz überzeugen.
Oberst Bronstein kein schneidiger Ermittler, sondern ein netter, älterer, gemütlicher Herr, der auf seine Pensionierung wartet und die Zeit gern im Kaffeehaus oder der Wirtschaft verbringt. „Wie sollte da er, alt und verbraucht, einen Mörder fangen, wenn überhaupt nichts mehr so war, wie es vordergründig den Anschein hatte?“ (S. 109) Im Umgang mit Frauen ist er etwas ungelenk aber charmant. Die Welt ist im Umbruch und Bronstein wird das alles zu viel. Der erste Weltkrieg war doch schlimm genug, warum haben die Menschen nichts daraus gelernt sondern bekriegen sich schon wieder?! Am liebsten würde er am Meer sitzen und in die Wellen starren. Genau so ermittelt er auch, ganz in Ruhe.

Mit fehlte hier eindeutig Spannung. Die Handlung tröpfelt nur so vor sich hin. Ungefähr die Hälfte des Buches beschäftigt sich mit dem Gerichtsprozess und der Nazifizierung Europas, statt mit dem Mord. Ich war regelrecht überrascht, als es dann auf den letzten 60 Seiten doch noch mal um den Fall ging und er auch endlich aufgeklärt wurde.
Der Autor erzählt sehr weitschweifig, kommt vom Hundertsten ins Tausendste und verwendet sehr viele österreichische Begriffe, die leider nicht alle erklärt werden. Das sorgt zwar für viel Wiener Schmäh, aber auch Verwirrung bzw. Verzögerung, weil man immer mal wieder Googeln muss, was denn nun gemeint ist.
Leider nur 3 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 08.04.2019

Konnte mich nicht annähernd so berühren, wie ich es erwartet hatte

Wenn du das hier liest
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Iris ist Anfang 30, als sie kurz vor Neujahr die Diagnose Krebs erhält: „Um den Tod kommt keiner von uns herum, doch Ihnen steht er aller Wahrscheinlichkeit nach binnen sechs Monaten oder auch schon früher ...

Iris ist Anfang 30, als sie kurz vor Neujahr die Diagnose Krebs erhält: „Um den Tod kommt keiner von uns herum, doch Ihnen steht er aller Wahrscheinlichkeit nach binnen sechs Monaten oder auch schon früher bevor.“ (S. 12) Ein halbes Jahr später ist sie wirklich tot, auch wenn es zwischendurch so aussah, als hätte sie eine Chance.
Als ihr Nachfolger ihren Schreibtisch ausräumt findet er eine Mappe, die für ihren Chef bestimmt ist: „Smith, wenn du meinst, dass das hier irgendwas taugt, steht es dir frei, es zu veröffentlichen.“ (S. 29) Smith und Iris waren Freunde, trotzdem wusste er nicht, dass sie ihr kurzes Leben mit dem Krebs in einem Blog dokumentiert hat – ihre Ängste, Sehnsüchte, Hoffnungen, Wünsche und Träume. Aber Smith will die Aufzeichnungen nicht ohne die Zustimmung von Iris Schwester Jade veröffentlichen und schreibt ihr eine Mail ..

Die Idee des Buches ist nicht neu – auch in „eMail für Dich“ und „Gut gegen Nordwind“ kommunizieren die Personen überwiegend über Mails, hier kommt noch die Komponente Krebstod hinzu. Trotzdem konnte es mich nicht annähernd so berühren, wie ich es erwartet hatte. Das lag zum einen daran, dass hier verschiedene Personen Mails tauschen und es dadurch teilweise recht unübersichtlich wurde. Es gab sogar einen Strang mit Mails einer etwas durchgedrehten Kundin, der m.E. völlig überflüssig war, genau wie die Spam-Mails und Smith’ Bettelbriefe um neuen Kunden zu akquirieren – es wäre auch ohne sie deutlich gewesen, dass es seiner Firma nicht gut geht. „Wenn ein paar Dinge schlecht laufen, ruiniert man gleich alles, dann kann es wenigstens nicht noch schlimmer werden.“ (S. 166)
Ich hätte mir stattdessen gewünscht, dass Iris’ Blog und ihre Geschichte mehr Raum einnehmen, denn diese kurzen Passagen haben mich wirklich bewegt: „Die ganze Zeit dachte ich, mein richtiges Leben hätte noch gar nicht angefangen. Jetzt stellt sich raus: Das hier war mein leben.“ (S. 14) oder die angekündigte Liebesgeschichte zwischen Jade und Smith.
Generell kommt man den Protagonisten leider nicht so nah, wie man es erwartet hätte. Obwohl sie alle keine leichte Kindheit und zum Teil daraus resultierende Traumata haben, bleibt man beim Lesen seltsam reserviert und außen vor. Schade, ich hatte mir mehr erhofft.
Leider nur 3 Sterne.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Wirre Handlung

Tod im Land der tausend Seen
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„Du magst die Vergangenheit nicht so sehr, oder?“ „Ich versuche mit großer Mühe, das Heute zu ertragen. Deshalb habe ich keine Nerven, mich mit allem anderen auch noch zu beschäftigen.“ (S. 24) Lilo Glück ...

„Du magst die Vergangenheit nicht so sehr, oder?“ „Ich versuche mit großer Mühe, das Heute zu ertragen. Deshalb habe ich keine Nerven, mich mit allem anderen auch noch zu beschäftigen.“ (S. 24) Lilo Glück ist seit 5 Jahren Witwe und gerade mit ihren Kindern von Stuttgart in ihre Geburtsstadt Neustrelitz zurückgezogen. Sie hat sich ihren Lebenstraum erfüllt und einen Buchladen übernommen. Der Tod ihres Mannes nimmt sie immer noch mit, sie fasst nur schwer Fuß und hat Probleme, neue Freundschaften zu schließen oder alte wieder aufleben zu lassen. Ihre Kindheit und Jugend in der DDR bis zur Flucht in den Westen scheint problematisch gewesen zu sein - sie möchte über diese Zeit nicht reden. Bei einer Wanderung im Müritz-Nationalpark stolpert sie über einen menschlichen Schädel.
Wenige Monate später findet Lilo bei der nächsten Wanderung die Leiche von Martin Friedemann, der Nationalparkamt arbeitete. Lilo und er gingen früher in eine Klasse. Hat sie sich für seine Drangsalierungen von früher gerächt? Oder hängen die beiden Mordfälle zusammen? Die Polizei ermittelt noch in alle Richtungen, da blasen besorgte Bürger bereits zur Hexenjagd auf Lilo – die hatte doch früher schon immer was zu verbergen ...

Ich mag Cosy-Krimis sehr und in Mecklenburg-Vorpommern haben wir früher jeden Sommer Urlaub gemacht, außerdem stammt mein Mann von da. Auch die Themen DDR-Flucht und Stasi finde ich spannend. Land und Leute werden sehr anschaulich beschrieben und auch mit geschichtlichen Hintergründen wird nicht gegeizt. Das Setting passt also. Auch die Mordfälle sind sehr spannend. Trotzdem bin ich mit „Tod im Land der tausend Seen“ von Jana Jürss nicht richtig warm geworden.

Das liegt zum einen an Lilo. Ihre Vergangenheit wird nur angedeutet, vieles bleibt unklar. Ist sie gemobbt worden? War sie bei der Stasi? Auf jeden Fall ist sie auf ihre früheren Mitschüler nicht gut zu sprechen. Auch erscheint ihre Persönlichkeit sehr unausgewogen. Sie ist einerseits sehr weinerlich, wird andererseits schnell wütend – das irritiert nicht nur die ermittelnden Beamten. Diese, Hauptkommissar Jens Meinhard und Kommissar Wilko Janssen, sind erst seit kurzem ein Team und müssen sich erst noch zusammenraufen. Den dauernden Streit zwischen ihnen fand ich etwas ermüdend.
Dazu kommen fehlende Zeitangaben. Die Ermittlungen erstreckten sich über mehrere Monate, aber das muss man sich aus Nebensätzen zusammenreimen. Und der Täter tauchte am Ende auf wie Kai aus der Kiste, ohne das ich ihn vorher überhaupt mal bewusst wahrgenommen hatte.
Darum gibt es von mir leider nur 3 Sterne.

Veröffentlicht am 01.03.2019

Wenn Cover und Klappentext nicht zum Inhalt passen

Ein schwerer Fall von Liebe
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Elvira ist eine wirklich nette Person. OK, sie ist mit ihren knapp 150 kg etwas dicker als es auf Dauer gut ist und wehrt sich beim Jobcenter gegen alle Maßnahmen, die sie ihr verordnen, aber sie hat immer ...

Elvira ist eine wirklich nette Person. OK, sie ist mit ihren knapp 150 kg etwas dicker als es auf Dauer gut ist und wehrt sich beim Jobcenter gegen alle Maßnahmen, die sie ihr verordnen, aber sie hat immer ein Lächeln auf den Lippen und ist höflich zu ihren Mitmenschen. Außerdem geht sie ja arbeiten, aber eben schwarz, meist nachts, im Bordell. Dort putzt sie und passt auf die Mädchen auf. Außerdem hilft sie immer wieder ihrem Zwillingsbruder aus, wenn er Geld für den nächsten Schuss braucht und bezahlt seine Schulden. Sie hat immer etwas zu Essen für ihn da und saubere Kleidung. Schließlich haben sie nur noch sich. Ihre Mutter ist früh gestorben, sie wurden von einer Pflegefamilie zur nächsten durchgereicht, bis sie in einer betreuten WG landeten. Neben ihrem Bruder gibt es noch Køster, dessen ehemals besten Freund, der ihr diesen Job gegeben hat. Køster ist Polizist und betreibt das Bordell nebenher. Und er ist ja auch viel netter zu den Mädchen als andere Zuhälter, lässt ihnen den größten Teil ihrer Einnahmen. Sagt er. Und Elvira glaubt ihm. Bis eines der Mädchen, Candy, von einem Tag auf den anderen verschwindet und Køster sie bittet, sie zu finden. Und die gutgläubige Elvira macht, worum er sie bittet ...

Elvira tat mir unsagbar leid. Sie ist nicht dumm, aber sie stellt sich gern so. Nur nicht auffallen. Sie kümmert sich wirklich aufopferungsvoll um ihren Bruder, gibt fast ihr ganzes (Schwarz-)Geld für ihn aus. Aber sie versteckt sie sich hinter ihrem Gewicht, verarbeitet sämtliche Emotionen mit Essen. Bis sie Candys Stammfreier Henry kennenlernt. Henry ist genau so einsam wie sie. Sie kommen sich näher und er bricht ihre Schale auf. Erstmals fasst sie Vertrauen und erzählt jemandem, warum sie so geworden ist wie sie ist.

Nie, wirklich noch nie, ist mir eine Rezension so schwer gefallen wie die zu diesem Buch. Was erwartet ihr, wenn ihr euch das Cover anseht und den Klappentext durchlest? Ich hatte mich auf eine ungewöhnliche Liebesgeschichte gefreut. Mir war klar, dass es dabei am Rande auch um Prostitution geht, aber es klang doch alles eher leicht, locker und vor allem humorvoll. Stattdessen geht es um Kindesmissbrauch, Zwangsprostitution und Drogenmissbrauch. Eine Geschichte, die mich bis an meine Grenzen gebracht hat. Mehr als einmal wollte ich sie abbrechen, und habe sie am Ende doch ausgelesen. Nicht dass ihr denkt, sie wäre schlecht geschrieben. Nein das ist sie nicht. Sie ist wirklich gut, wenn man sich auf dieses Thema einlässt. Mein Problem war nur, dass ich etwas komplett anderes erwartet hatte und mir nie ein Buch zu diesen Themen ausgesucht hätte. Und lächeln oder gar lachen konnte ich bei diesen schweren Themen leider auch nicht.

Veröffentlicht am 07.01.2019

Bonjour tristesse

Tod am Aphroditefelsen
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... denkt Sofia, als sie in Kato Kautrafas ankommt. Das verwöhnte Diplomatentöchterchen sollte eigentlich als Junior Security Advisor im Innenministerium von Zypern arbeiten, aber durch eine politische ...

... denkt Sofia, als sie in Kato Kautrafas ankommt. Das verwöhnte Diplomatentöchterchen sollte eigentlich als Junior Security Advisor im Innenministerium von Zypern arbeiten, aber durch eine politische Intrige landet sie als Junior Officer in diesem verfallenen Kaff. Es gibt nicht mal ein Polizeirevier, sondern nur einen versifften Container mitten auf dem Dorfplatz. Ihr Chef ist der abgehalfterten Chief Inspector Kostas Karamanalis, der den ganzen Tag säuft, raucht und spielt und sie so schnell wie möglich wieder loswerden will. „Glauben sie mir, hier in Kato Koutrafas ist jeder nur aus Versehen.“ (S. 26) Und während Sofia noch überlegt, wie sie in ihr altes Leben zurückkehren kann, stolpert sie über einen Autounfall mit 2 Toten, der ihrer Meinung nach keiner war ...

„Tod am Aphroditefelsen“ ist der erste Fall einer neuen Reihe um Sofia Perikles. Leider konnte er mich nicht durchgängig fesseln. Die ersten zwei Drittel des Buches wirken eher wie ein Reiseführer, als ein Krimi. Zypern und seine spezielle Stellung als zweigeteilte Insel werden aus verschiedenen Richtungen beleuchtet, dazu bekommt man Tipps zu Städten, Landschaften, Stränden, Sehenswürdigkeiten und den zyprischen Spezialitäten. Das ist zwar interessant, vor allem, wenn man so wie ich nichts über Zypern weiß, und die Fakten sind auch alle irgendwie in die Handlung eingebunden, aber es passiert einfach zu wenig. Dafür überschlägt sich die Handlung dann im letzten Drittel und nimmt extrem an Fahrt auf.

Mit Sofia bin ich nicht richtig warm geworden. Sie war mir zu Beginn sehr unsympathisch, überheblich und überkandidelt. Die Arbeit als einfache Polizistin und das Dorf sind unter ihrer Würde. Da macht sie doch lieber mit ihren reichen Freunden von früher ordentlich Party und schmachtet Christos an, den gutaussehenden Sohn ihrer Vermieter. Und urplötzlich ist sie dann eine engagierte, extrem kluge Ermittlerin, die als einzige merkt, was an dem Fall alles faul ist. Der Umbruch kam mir zu plötzlich und unmotiviert.
Dafür waren einige Nebenfiguren extrem liebenswert. Mir haben vor allem die 90jährige exaltierte Lady Georgia Gladstone gefallen, die ebenfalls vor Jahren in Kato Kautrafas „gestrandet“ ist und Sofia unter ihre Fittiche nimmt und die für den Fall verantwortliche ermittelnde Chief Inspectorin Charalambous, die Sophia unterstützt und fördert.

Der Fall führt Sofia in alle Ecken der Insel (auch in den türkischen Teil) und lässt sie tief in die Landespolitik und Immobilienspekulationen eintauchen. Sie muss sich gegen autoritäre Vorgesetzte zur Wehr setzen und löst den Fall letztendlich aufgrund ihrer Beziehungen. Dazu kommen private Verwicklungen wegen ihres Freundes Carl und Christos. Ist Sofia am Ende in Kato Kautrafas angekommen? Ich weiß es nicht, aber der nächste Fall wird es vielleicht zeigen.