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Veröffentlicht am 04.05.2019

Lobpreisung des hohlen Landes

Bell und Harry
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Bell und Harry ist ein sympathisches Buch der großen Jane Gardam über zwei Jungen in England. Auf dem Land von Yorkshire lernen sich die Kinder kennen. Der anfangs ca. 8 Jahre alte Bell Teesland lebt dort ...

Bell und Harry ist ein sympathisches Buch der großen Jane Gardam über zwei Jungen in England. Auf dem Land von Yorkshire lernen sich die Kinder kennen. Der anfangs ca. 8 Jahre alte Bell Teesland lebt dort mit seiner Familie auf einer Farm, der jüngere Harry Bateman stammt aus der Stadt. Seine Familie mach hier Urlaub. Welten prallen aufeinander und es gibt auch Missverständnisse, doch es ist möglich miteinander auszukommen. Die Kinder verstehen sich aber auf Anhieb. Sie strolchen zusammen rum und sind ein wenig wie Tom Sawyer und Huckleberry Finn!
Das Land spielt eine große Rolle und so heißt das Buch im original The hollow land. Harry wird jedes Jahr in den Ferien zurückkehren.

Das Buch ist episodenhaft aufgebaut, was wunderbar funktioniert. Es ist kurz, leider, man würde gerne noch mehr lesen, aber im Prinzip reicht es, um den Verlauf der Begegnung genau zu zeigen und ein leicht verklärendes, helles Bild des sogenannten hohlen Land zu zeigen, in dem sich die Menschen so wohl fühlen und mit der Natur verbunden sind. Wehmütig verlässt man als Leser diese Welt.

Das Cover ist unbedingt noch erwähnenswert. Es handelt sich bei der Illustration um das Gemälde Swim2 von der amerikanischen Malerin Elizabeth Mayville.

Es bleibt die Frage, ist das jetzt ein Kinder-/Jugendbuch? Sprachlich ist es sicher mehr. Ein Buch für jedes Alter!

Veröffentlicht am 18.04.2019

Ein Buch von Belang

Alles, was passiert ist
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Die britische Lyrikerin, Modell und Schauspielerin Yrsa Daley-Ward hat jamaikanische und nigerianische Wurzeln, wuchs aber in England auf.
Dieses bei Blumenbar erschienene Buch ist ein exzellentes poetisch-literarisches ...

Die britische Lyrikerin, Modell und Schauspielerin Yrsa Daley-Ward hat jamaikanische und nigerianische Wurzeln, wuchs aber in England auf.
Dieses bei Blumenbar erschienene Buch ist ein exzellentes poetisch-literarisches Memoir. Also autobiographisch, aber literarisch verarbeitet.
Das sie als Lyrikerin begann merkt man diesem Buch an. Es ist rhythmisch und wechselhaft gestaltet, sehr schön gemacht. Sprachlich ein Genuß.

Yrsa erzählt davon, wie sie mit ihrem jüngeren Bruder zumeist bei den Großeltern aufgewachsen ist. Es gibt auch noch einen älteren Bruder.
Ihre Mutter Marcia war immer unstet, sie hat 3 Kinder von 3 verschiedenen Männern und lebt in wechselnden Beziehungen.
Yrsa hat es nicht leicht, sie ist schwarz und anders. Die Großeltern sind strenggläubig, also ist fast alles Sünde. Yrsa leidet unter der chaotischen Situation und neigt schon als Kind zu Depressionen.
Als Erwachsene ist sie wie eine getriebene. Yrsa Daley-Ward erzählt mit imponierender Ehrlichkeit. Gerade deswegen werden die Emotionen erlebbar und nachvollziehbar.

Veröffentlicht am 09.04.2019

Galicienische Abgründe

ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL
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Alles was ich dir geben will von Dolores Redondo ist ein umfangreicher Roman, der seine Länge aber durchgängig trägt.

Als sein Ehemann Alvaro bei einem angeblichen Autounfall stirbt, erfährt der Schriftsteller ...

Alles was ich dir geben will von Dolores Redondo ist ein umfangreicher Roman, der seine Länge aber durchgängig trägt.

Als sein Ehemann Alvaro bei einem angeblichen Autounfall stirbt, erfährt der Schriftsteller Manuel Ortigosa von Dingen aus dessen Leben, die dieser verschwiegen hatte. Da gibt es einige Geheimnisse, Alvaros häufige Reisen hatten ein anderes Ziel als erwartet. Man kann von einem Doppelleben sprechen. Dennoch wird in den Schilderungen der Abschnitte der Vergangenheit klar, dass die Liebe zwischen Manuel und Alvaro echt war.

Manual lernt Alvaros adlige Familie kennen. Alvaro gehörte zum spanischen Hochadel. Für den deutschen Leser ist ein spanisches Flair einer galicischen Weinregion zu spüren.
Es verdichten sich die Hinweise, dass Alvaro ermordet wurde. Und der Leser taucht zusammen mit Manuel in die Abgründe einer galicischen Familiengeschichte. Und es stellt sich die Frage, war auch Alvaro ein Mörder?

Die Erzählweise ist relativ langsam, fast getragen, aber das passt zum Plot und ist Teil des Stils.
Dazu gehört auch, dass die Hauptfigur Schriftsteller ist, der Entwicklungen registriert und analysiert.

Die preisgekrönte baskische Schriftstellerin Dolores Redondo hat einen angenehm zu lesenden Stil.
Anscheinend auch eine gute Arbeit der Übersetzerin Lisa Grüneisen, die schon Carlos Ruiz Zafón und Carlos Fuentes übersetzte.

Ein gelungener, interessanter Roman.

Veröffentlicht am 01.04.2019

Meditation aus Wales

Wie man einen Maulwurf fängt
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Ich behaupte mal einfach, dass wohl die wenigsten Leute dieses Buch lesen werden, weil sie lernen wollen, wie man einen Maulwurf fängt.
Es ist hingegen interessant den Gedankengängen des Autors zu folgen, ...

Ich behaupte mal einfach, dass wohl die wenigsten Leute dieses Buch lesen werden, weil sie lernen wollen, wie man einen Maulwurf fängt.
Es ist hingegen interessant den Gedankengängen des Autors zu folgen, die sich wie verzweigte Maulwurfsgänge durch Natur, Vergangenheit und Gegenwart winden. Seine Vergangenheit, etwa als er als junger Mann Landstreicher war, spielt eine Rolle. Immer wider wird in diese Zeit geblendet.
Das ist schon sehr gut gemacht.

Seine Einstellung zum Leben, zum Gärtnern und natürlich zum Maulwurffang sind von einer positiven, aber nicht weltfremden Grundstimmung geprägt.

Tatsächlich gibt es viele Fakten über Maulwürfe, die Arten und ihre Fähigkeiten.

Dann sind aber auch viele lyrische Stellen enthalten.

“Ich habe dieses Jahr bis auf die Knochen abgenagt
sein Fett für den Winter gelagert
Die Gänse sind fortgezogen

Wenn sie wiederkommen und abermals
fortfliegen, bin ich noch immer hier
Mein Gesicht faltiger
und mein Rücken gebeugter.“

Marc Hamer arbeitet auch heraus, dass Maulwürfe immer wieder in der Literatur vorkommen. Sei es Der Wind in den Weiden oder Die Chroniken von Narnia.

Das Buch bietet mehr als man erwarten sollte. Ich kann nur jedem empfehlen, es einfach zu genießen.

Veröffentlicht am 15.03.2019

Wondratschek und wie er die Weit sah

Erde und Papier
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Das neue Buch von Wolf Wondratschek macht wirklich Spaß, weil es eine ganze reihe originelle, essayistische Texte versammelt. Thematisch ist viel zu finden, oft stehen Persönlichkeiten aus der Welt der ...

Das neue Buch von Wolf Wondratschek macht wirklich Spaß, weil es eine ganze reihe originelle, essayistische Texte versammelt. Thematisch ist viel zu finden, oft stehen Persönlichkeiten aus der Welt der Kunst, Musik, Film, Literatur oder des Boxens im Mittelpunkt.

Wondratscheks Einschätzungen sind klar subjektiv gehalten, lassen eigene Gedanken, Zustimmung oder Skepsis zu. Darin unterscheidet der Autor sich von anderen Essayisten, die behauptend schreiben und keinen Spielraum für den Leser lassen. Das ist in der Naturwissenschaft meinetwegen okay, aber bei kulturwissenschaftlichen Themen sollte man Objektivität nicht vortäuschen.
Wie Wolf Wondratscheks es macht, liegt ganz auf meiner Linie. Da auch noch der typische, manchmal spöttische Wondratschek-Ton dazukommt, wird es nie langweilig.