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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.05.2019

Zeitreise in Fotos

Fred Herzog
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Der in Deutschland geborene, aber seit über 60 Jahren in Kanada lebende Fotograf Fred Herzog ist bemerkenswert.

Es startet mit einem Selbstportrait 1959. Dann folgen Texte zunächst in Englisch, gemischt ...

Der in Deutschland geborene, aber seit über 60 Jahren in Kanada lebende Fotograf Fred Herzog ist bemerkenswert.

Es startet mit einem Selbstportrait 1959. Dann folgen Texte zunächst in Englisch, gemischt mit einigen Fotos. Schließlich viele Fotos. Es sind Alltagsfotos in Kanada die dominieren und sie haben ihre ganz eigene, hohe Qualität, obwohl sie natürlich nicht dramatisch sind.

Ein paar Fotos zeigen auch eine andere Welt, z.B. Guatemala, Mexiko oder San Francisco.
Von Deutschland sieht man nur ein Foto mit einer Lokomotive, also ein Abschied.

Die Texte sind informativ, aber nicht gerade inspirierend. Das gelingt dem Fotografen durch sein Werk schon alleine. Vancouver in Kanada ist eine Stadt, die ich auch einmal besucht habe und die ich sehr schätze. Fred Herzogs Fotos sind weder kritisch verurteilend noch verherrlichend.
Seine Fotos liegen ganz auf meiner Linie. Der überwiegende Teil sind in Farbe. Ist doch mal ein schwarzweiß-Foto dabei, dann passt es motivisch aber auch so.

Zwar sind die Fotos teilweise wirklich alt, aber das mindert sie nicht und teilweise ist es eine Zeitreise.

Fein, dass man Fred Herzog durch dieses Buch noch zu seinen Lebzeiten (er ist 88) entdecken kann.

Veröffentlicht am 10.05.2019

Wirkungsmächtige Fotos

Zufälle im Museum
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Ist das gestellt? Das ging mir als erstes durch den Kopf beim Betrachten der Fotos, aber der Titel impliziert, das es nicht inszeniert ist.
Immer sieht man den Betrachter eines Gemäldes von hinten und ...

Ist das gestellt? Das ging mir als erstes durch den Kopf beim Betrachten der Fotos, aber der Titel impliziert, das es nicht inszeniert ist.
Immer sieht man den Betrachter eines Gemäldes von hinten und entdeckt Ähnlichkeiten, manchmal stärker manchmal schwächer und einige Male glaubt man, die Museumsbesucher wären direkt dem Gemälde entstiegen, so gut passen zum Inhalt. Sehr oft sind es Farben, die den Zusammenhang stellen, dann wieder ergänzen die Menschen das Motiv des Gemäldes, z.B. das Mädchen mit den Zöpfen oder der gebückte alte Mann, dessen Hinterkopf bzw. sein weißer Haarkranz ins Bild übergeht. Oder auch die roten Haare einer jungen Frau vor einem impressionistischen Hintergrund.
Es kommt auch vor, dass man den Mensch auf den ersten Blick nicht wahrnimmt, weil er mit dem Gemälde zu verschmelzen scheint.

Der österreichische Fotograf Stefan Draschan arbeitet mit Leidenschaft und das kann er auch mit dem Ergebnis vermitteln.
Vieles ist wirklich sehr originell, fast alles erzeugt eine Stimmung mit starker Wirkung.

Veröffentlicht am 04.05.2019

Ohne Wahrheit ist die Demokratie verstümmelt

Der Tod der Wahrheit
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Der politische und Gesellschaftliche Zustand der westlichen Welt ist in einem Zustand, den man noch vor 10 Jahren nicht erwartet hätte. Lügen und Fake-News dominieren und werden allgemein von einer Mehrheit ...

Der politische und Gesellschaftliche Zustand der westlichen Welt ist in einem Zustand, den man noch vor 10 Jahren nicht erwartet hätte. Lügen und Fake-News dominieren und werden allgemein von einer Mehrheit akzeptiert.
Aufschlussreich der Untertitel dieses Buches: Notes on Falsehood in the Age of Trump

Bemerkenswert, dass die Pulitzerpreisträgerin und ehemals gefürchtete New-York-Times-Literaturkritikerin Michiko Kakutani inzwischen politische Texte schreibt. Sie scheut auch keine Polemik. Es wundert auch nicht, dass es immer wieder auch literarische Verweise und treffsichere Zitate im Text gibt. Man kann sogar sagen, dass Literatur die Wurzeln für Michiko Kakutanis Denken in diesem Buch gab. Es gibt sogar einmal einen ausführlichen Ausflug in die Philosophie, z.B. Hanna Arendt, dem Dekonstruktivismus von Derrida und dem Vorfall um Paul de Man. Den kritischen Ansatz, den Folgen des Dekonstruktivismus mitverantwortlich zu machen, folge ich aber nicht.
Viele andere Zusammenhänge stellt die Autorin aber souverän zusammen. Immer wieder wird sich auf Georg Orwell bezogen, auf Huxley, Philip Roth, Stefan Zweig, Klemperer, Thomas Pynchon, David Foster Wallace und viele andere.
Es ist ein sehr amerikanisches Buch, in dem Donald Trumps Methode des Lügens in den Vordergrund gestellt und analysiert wird.

Ein Fazit sehe ich in dem Satz:
„Einfache Gegenmittel gibt es nicht, entscheidend ist aber, dass die Bürger sich gegen den Zynismus und die Resignation wehren, auf die Autokraten und machthungrige Politiker angewiesen sind, um den Widerstand zu untergraben.“

Ein lesenswertes Buch!

Veröffentlicht am 03.05.2019

Einleuchtend und informativ

Die Zauberlehrlinge
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Die Zauberlehrlinge

Der Untertitel des Buch benennt das Thema genau. Der Streit um die Flüchtlingspolitik und der Mythos vom Rechtsbruch

Es Journalistisches Werk mit juristischen Hintergrund. Und es ...

Die Zauberlehrlinge

Der Untertitel des Buch benennt das Thema genau. Der Streit um die Flüchtlingspolitik und der Mythos vom Rechtsbruch

Es Journalistisches Werk mit juristischen Hintergrund. Und es ist sehr gut gemacht, es zeigt Zusammenhänge auf, auch welche, die nicht so offensichtlich sind.
Es bleibt dann ein Bedauern, dass das Aufkommen der Afd, der Vordenker der neuen Rechten und ähnlich demokratiefeindliche Leute, in dem Maße wie es heute ist, hätte vermieden werden können, wenn die Bundesregierung kommunikativ besser gearbeitet hätte. Der These vom Rechtsbruch der Regierung in der Flüchtlingsfrage hätten sie von Anfang an deutlich widersprechen müssen. Statt dessen gab es eine widersprüchliche Kommunikationspolitik.

Beeindruckend, wie die Autoren ihr Thema gleich von Anfang an stark verdichten. Daraus entsteht sogar Spannung.
Stephan Detjen und Maximilian Steinbeis haben sich intensiv mit dem Thema beschäftigt.

Ein einleuchtendes und informatives Buch!

Veröffentlicht am 02.05.2019

Moderner Klassiker mit sprachlicher Brillanz

Ein Sommer in Brandham Hall
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Dieser Roman von 1953 beeindruckt durch seine stilistische Brillanz und die geschickt gewählte Struktur,
In einer Klammer, bestehend aus Prolog und Epilog erzählt der Icherzähler Leo Conte von einem Sommer ...

Dieser Roman von 1953 beeindruckt durch seine stilistische Brillanz und die geschickt gewählte Struktur,
In einer Klammer, bestehend aus Prolog und Epilog erzählt der Icherzähler Leo Conte von einem Sommer 1900, den er bei einem Schulfreund auf einem vornehmen Anwesen verbrachte, Brandham Hall.
Er war damals 12 Jahre alt. Ausgehend von einem wiedergefundenen Tagebuch aus dieser Zeit erinnert er sich 50 Jahre später an diesen Sommer, der für ihn so prägend war. Er bewunderte die vornehme Familie, vor allen die schöne Marian, für die er ein Vertrauter wird. Er spielt den "Postboten" für sie und bringt Zettelchen von oder zu ihren Verehrern. Doch irgendwann eskaliert die Situation, aber hier möchte ich nicht zu viel verraten.

Viel spielt sich im Inneren des Jungen ab, ab und zu reflektiert von dem Erwachsenen Leo, der schließlich nach so langer Zeit noch einmal nach Brandham Hall zurückkehrt.

Es ist ein sehr britisches Buch, das unter dem Originaltitel The Go-between ein großer Erfolg wurde und zum Beispiel Ian McEwan zu seinem Roman Abbitte (OT: Atonement) inspirierte, das ganz ähnlich angelegt ist.