Eine verlorene Heimat, eine verlorene Vergangenheit, eine verlorene Familie.
Die Festung am RheinEine verlorene Heimat, eine verlorene Vergangenheit, eine verlorene Familie.
Die Halbfranzösin Franziska Berger muss nach einer liebevollen und behüteten Kindheit ihre Heimat Cöln verlassen. Nach dem ...
Eine verlorene Heimat, eine verlorene Vergangenheit, eine verlorene Familie.
Die Halbfranzösin Franziska Berger muss nach einer liebevollen und behüteten Kindheit ihre Heimat Cöln verlassen. Nach dem Tod ihres Vaters in der Schlacht von Belle-Alliance am 18. Juni 1815 kann Luise Berger ihre Kinder nicht mehr alleine versorgen und übergibt die beiden in die Obhut ihres in Coblenz lebenden Bruders Hubert Kannegießer. Der herzlose und harte Mann lässt sowohl Franziska, als auch ihren Bruder Christian hart für Verpflegung und Unterkunft arbeiten, den nachdenklichen und sensiblen Jungen schickt er als Rekrut zur preußischen Armee. Für Christian beginnt die schlimmste Zeit seines Lebens – und schließlich wird er sogar als Landesverräter der Spionage bezichtigt und ins Militärarresthaus gebracht. Franziska ist außer sich und setzt sich leidenschaftlich dafür ein, Christians Leben zu retten. Sie versucht auf eigene Faust, die Wahrheit ans Licht zu bringen und kommt dabei immer wieder einem preußischen Offizier namens Rudolph Harten in die Quere, der sie schließlich der Mittäterschaft verdächtigt. Der zielstrebige und distanzierte Premierleutnant des preußischen Ingenieur-Corps ist zwar von seinem Mitwirken am Bau der Festung Ehrenbreitstein besessen, besitzt zugleich aber gute Menschenkenntnis und einen messerscharfen Verstand. Schon bald fallen auch ihm einige Ungereimtheiten bei den angeblichen Beweisen gegen Christian Berger auf. Und letztendlich beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit – denn die Gerichtsverhandlung und die drohende standesrechtliche Erschießung des Beschuldigten stehen kurz bevor.
Maria W. Peter thematisiert in diesem mehr als sechshundert Seiten umfassenden, hervorragend recherchierten Roman die Geschichte des Rheinlands und der Festung Ehrenbreitstein. Die Handlung wird in zwei Zeitebenen erzählt, beginnend mit einem kurzen Prolog während der Schlacht von Belle-Alliance im Jahre 1815, die heute als Schlacht bei Waterloo bekannt ist. Der zweite Erzählstrang startet in Coblenz im Jahr 1822 mit der Verhaftung des Bruders der Protagonistin.
In einem äußerst einnehmenden Schreibstil und mit bildhaften Beschreibungen des wunderschönen Rhein- und Moseltals richtet sich der Fokus immer wieder auf den Bau der preußischen Feste Ehrenbreitstein als Symbol dieser neuen Zeit. Die Autorin versteht es zudem vortrefflich, die Konflikte und die Unruhe in der Bevölkerung darzustellen, als die Preußen nach zwei Jahrzehnten der französischen Besatzung die Herrschaft im Rheinland übernahmen. Glaubenskonflikte und die Sehnsucht vieler Rheinländer nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auf Grundlage der Parole der Französischen Revolution sorgen für zusätzliche Unstimmigkeiten. Der Spionagefall und die drohende Verurteilung von Christian Berger bringen einen großen Spannungsbogen ins Buch, der bis zur finalen Aufklärung konstant aufrecht bleibt.
Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren hat mir sehr gut gefallen. Sowohl Protagonisten, als auch Nebenfiguren werden vielschichtig dargestellt und punkten mit Authentizität. Franziska Berger weist für ein junges Mädchen gutbürgerlicher Herkunft erstaunliche Courage auf, die drohenden Konsequenzen einer Entdeckung halten sie jedoch nicht von ihrem oftmals wagemutigen Vorgehen ab. Im Armee-Ingenieur Rudolph Harten findet sie einen erbitterten Gegner, der ihrer Person und ihren Absichten zunächst tiefstes Misstrauen entgegenbringt. Die langsame Annäherung der beiden Protagonisten und die Beschreibung ihrer Gefühls- und Gedankenwelt ist Maria W. Peter vortrefflich gelungen. Man erlebt die persönliche Wandlung eines Offiziers, der seit jener Schicksalsschlacht im Jahr 1815 ein an Leib und Seele gebrochener Mann ist. Durch Franziska lernt Rudolph letztendlich, die Welt mit anderen Augen zu betrachten. Der hochrangige adelige Offizier Capitain von Rülow und seine Ehefrau Henriette sind ebenso wichtige Nebenfiguren wie der skrupellose Feldwebel Bäske und der schottische Künstler Alasdair McBaird. Während mir der warmherzige Maler mit dem rollenden Akzent auf Anhieb sympathisch war, fungierten der überhebliche und kaltblütige Bäske sowie Franziskas herzloser und cholerischer Onkel Hubert als Antagonisten. Und obgleich der französische Revolutionsoffizier und Franziskas Vater Lucien Berger bereits im Prolog sein Leben verwirkte, wuchs mir seine Person durch etliche Rückblenden noch nachträglich ans Herz. Einen nicht unerheblichen Beitrag für eine glaubwürdige Darstellung der handelnden Figuren bereitet auch die Einbindung der Dialekte –hervorheben möchte ich hierbei neben dem schottischen Maler Alasdair auch Onkel Hubert Kannegießer, sowie Rudolph Hartens frechen und direkten Burschen Fritz.
Die optische Aufmachung dieses Buches macht es zu einem richtigen Blickfang. Vor dem malerischen Panorama der beeindruckenden Feste Ehrenbreitstein steht eine elegant gekleidete junge Frau, deren Gesicht nur teilweise zu erkennen ist. Die farbliche Gestaltung und der elegante Schriftzug mit dem Buchtitel ziehen die Aufmerksamkeit des Betrachters automatisch auf die junge Protagonistin und diesen historischen Schauplatz. Eine Karte von Coblenz aus den 1820er Jahren mit den wichtigsten Schauplätzen der Handlung, das aus meiner Sicht unerlässliche Glossar sowie die beiden Personenregister (Figuren der Handlung und historische Persönlichkeiten) vervollständigen den herausragenden Gesamteindruck.
„Die Festung am Rhein“ ist eine Lektüre, die aus meiner Sicht keine Wünsche offenlässt. Akribisch recherchierte historische Fakten, überzeugende und vielschichtige Charaktere mit einer spannungsgeladenen Handlung sorgten für ein grandioses Abenteuer im Kopf. Dieses Buch hat mir ausgezeichnet gefallen und ich kann es jedem ans Herz legen, der tief in die Vergangenheit des Rheinlandes eintauchen und Geschichte hautnah erleben möchte.