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Veröffentlicht am 21.10.2017

Selbsternannter Richter über Leben und Tod

Sie zu strafen und zu richten
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Mit einer Live-Übertragung im Netz spielt sich ein Unbekannter als Richter der „Opfer“ in der Bankenkrise auf. Er hält vermeintlich Schuldige fest und erhebt Anklage gegen sie. Dabei gibt er nicht nur ...

Mit einer Live-Übertragung im Netz spielt sich ein Unbekannter als Richter der „Opfer“ in der Bankenkrise auf. Er hält vermeintlich Schuldige fest und erhebt Anklage gegen sie. Dabei gibt er nicht nur deren Namen, sondern ihre „Verbrechen“ preis. Die Zuschauer spielen dabei eine große Rolle: mit einem Klick können sie entscheiden, ob die Angeklagten schuldig oder unschuldig sind. DI Sean Corrigan und seine Kollegen stehen vor einem Rätsel und sie fischen lange im Dunkeln, welche Verbindung es zwischen den Opfern gibt und wer zu solchen Taten fähig ist. Seans Vorgesetzter erwartet schnelle Fahndungsverfolge und stellt ihm auch noch die Kriminologin und Psychiaterin Anna zur Seite. Sie soll Sean im Blick behalten und seinem Vorgesetzten berichten. Der Reporter Geoff Jackson widert eine Superstory und will sich mit dem so genannten „Your-View-Killer“ persönlich treffen. Während die Ermittler alle Hände voll zu tun haben, magere Spuren zu verfolgen, verfällt vor allem ein Zuschauer in Mordlust: der 17jährige, aggressive Mark steigert sich richtig ins das blutige Geschehen hinein und stilisiert den Killer zu seinem neuen Idol, dem er nacheifern möchte.
Bei diesem Buch handelt es dich um den 4. Teil einer Reihe um DI Sean Corrigan. Als ich „Sie zu strafen und zu richten“ zu lesen begann, waren mir die 3 Vorgängerbände völlig unbekannt. Das hatte zur Folge, dass ich weder Sean Corrigan noch den Bezug zu den vorigen Fällen kannte. Im Nachhinein empfehle ich, die Bücher in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Ich denke, dass mir einige Informationen geholfen hätten, die Protagonisten besser zu verstehen.
Der Schreibstil von Luke Delaney war gut zu lesen und hat mir keine Schwierigkeiten bereitet. „Sie zu strafen und zu richten“ ist ein sehr bedrückender und erschreckender Thriller mit einem aktuellen Bezug zur Gegenwart. Ganz abwegig ist es in der heutigen digitalisierten Welt nicht, dass eine Person sich per Livestream zum Richter emporschwingt und die schlechte Stimmung und allgemeine Unzufriedenheit der Bevölkerung für seine Zwecke missbraucht.
Sean Corrigans Gabe, sich in die Köpfe der Täter/innen hineinversetzen zu können, blieb doch recht blass und war für mich nicht klar erkennbar. Er kam mir sehr abwesend, wenig empathisch und abweisend vor. Für mich kein Sympathieträger, über den ich gerne mehr lesen möchte. An der Handlung des Your-View-Killers/Jackdaw stört mich vor allem, dass er zwar das Publikum/die Jury abstimmen lässt, ob seine Angeklagten bestraft werden sollen, doch das Strafmaß legt er dann eigenhändig fest. Das passt doch nicht und bis auf den völlig durchgeknallten Mark ist es wohl keinem Zuschauer oder den Ermittlern so richtig aufgefallen. Ein Freispruch sollte doch ohne Bestrafung einhergehen und für einen Schuldspruch vorab ein Strafmaß festgelegt werden bwz. die Umstände des Todes. Klingt jetzt nicht gerade feinfühlig, aber es handelt sich bei dem Buch ja um einen Thriller. Der Reporter Geoff Jackson ist eine ganz eigene Nummer für sich. Dass er so cool bleibt und sich wirklich mit dem Jackdaw trifft, finde ich nicht besonders glaubwürdig erzählt. Die „Zusammenarbeit“ der beiden bringt nicht wirklich das, was sie sich versprechen. Geht ein Killer tatsächlich so ein Risiko ein, sich mit einem Vertreter der Presse von Angesicht zu Angesicht zu treffen?
Am Ende des Buches erklärt sich zwar das Motiv und auch die Person des Jackdaw, jedoch bleiben ein paar lose Enden: der 17jährige, aggressive Zuschauer Mark Hudson – was macht er nach der Aufklärung des Falles? Auch der immer wieder erwähnte Prozess findet keinen Abschluss, so wie auch die anderen Zuschauer nicht mehr erwähnt werden. Die Psychologin Anna und der nur Assistant Commissioner Addis werden auch nicht mehr erwähnt. Allerdings mochte ich die beiden auch nicht sonderlich.
Ich fühlte mich zwar gut unterhalten und zeitweise war die Spannung sehr hoch, doch richtig umgehauen hat mich der Thriller nicht. Dummerweise ahnte ich im dritten Abschnitt, um wen es sich beim Jackdaw handelt. Dafür wurde ich mit den Motiven und Umständen dann noch überrascht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Figuren
  • Originalität
  • Authentizität
Veröffentlicht am 22.03.2017

Von wegen Ruhe in der Heimat

Retour
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Kommissar Luc Verlain ist wirklich zum Verlieben. Gleich 2 Frauen verdreht er den Kopf, kaum dass er ins Aquitaine zurückgekehrt ist. Luc ist ein erfolgreicher Kommissar in Frankreichs Hauptstadt und ein ...

Kommissar Luc Verlain ist wirklich zum Verlieben. Gleich 2 Frauen verdreht er den Kopf, kaum dass er ins Aquitaine zurückgekehrt ist. Luc ist ein erfolgreicher Kommissar in Frankreichs Hauptstadt und ein Lebemann ohne Bindung. Als sein Vater ernsthaft erkrankt, lässt er sich in seine Heimat im Aquitaine ins Kommissariat nach Bordeaux versetzten. Er möchte sich mehr um seinen Vater, einen ehemaligen Austernfischer, kümmern und zieht in dessen kleine Hütte bei Brach am Meer. Luc graust es schon vor dem langweiligen Landleben und stellt sich auf eine ruhige Zeit ein. Doch daraus wird nichts: ein totes Mädchen wird am Strand gefunden und er muss sofort die Ermittlungen aufnehmen. Unterstützt wird er dabei von seiner attraktiven und intelligenten Kollegin Anouk. Allerdings ist sein baskischer Kollege Exteberria von ganz anderem Kaliber. Er ist von sich selbst eingenommen, hat jede Menge Vorurteile und kann Luc nicht ausstehen. Für Exteberria steht der Mörder der jungen Caro sofort fest und das tut er bei einer Pressekonferenz auch kund. Damit bringt er den jungen Algerier Hakim in große Gefahr, denn der ganze Ort wird von Caros Stiefvater aufgewiegelt. Luc und Anouk versuchen, Hakim zu schützen und den wahren Mörder zu finden. Bald steht fest, dass es durchaus ein paar Personen gibt, die den Tod von Caro begangen haben könnten. Am Schluss wird es unglaublich spannend und der Kreis schließt sich. Luc führt auch im Aquitaine sein freies Leben fort. Zwischen Anouk und ihm knistert es innerhalb kürzester Zeit gewaltig und die Surferin Cecilia schleppt ihn ab. Dabei wartet in Paris seine aktuelle Freundin Delphine auf ihn.
Luc Verlain ist ein ruhiger und überlegter Kommissar, der nur laut und direkt wird, wenn man ihn reizt. Sein Privatleben ist allerdings das genaue Gegenteil. Er bindet sich nicht gerne und findet es nicht ungewöhnlich, mehrere Eisen im Feuer zu haben. Warum er der jungen Surferin blind ins Meer folgt, obwohl er seit Jahren nicht mehr auf dem Brett stand, ist mir unbegreiflich. Seine Nähe zu Anouk entwickelt sich sehr schnell, er lässt sich mit der Suferin Cecilia ein und Delphine ist ahnungslos. Nun, es ist sein erster Fall und somit kann sich im Laufe der nächsten Ermittlung sein Leben noch ändern. Das Geheimnis um Hélène, seine Jugendliebe, ist noch nicht ganz gelüftet und bietet somit Potential für die Entwicklung von Luc Verlain.
Der Baske Exteberria hat mich anfangs ganz schön Nerven gekostet mit seiner voreinge-nommenen Art und Blindheit. Er bietet jedoch einen guten Gegenpol zur hübschen und lieben Anouk, die sich schnell auf Luc konzentriert. Die Wandlung von Exteberria vom Saulus zum Paulus finde ich nicht besonders glaubwürdig. Das ging mir zu schnell. Allgemein fehlt mir bei den Charakteren noch etwas Tiefgang. Der Schreibstil ist locker und die Handlung nimmt Bezug auf die Front Nationale und den weit verbreiteten Rassismus. Damit ist der Krimi auch dicht am aktuellen Weltgeschehen. Der Charakter von Caros Stiefvater ist recht einfach gestrickt und hält nicht viele Überraschungen bereit. Auch die Aufklärung des Falles und das Motiv zum Mord sind recht banal. Da hätte ich mir dann doch mehr Fantasie gewünscht. Spannend war der Krimi auf jeden Fall und gedanklich konnte ich ins Aquitaine reisen. Die Gestaltung des Buches und die persönliche Karte des Autors finde ich sehr schön und hat mich auch gleich angesprochen. Doch ganz überzeugt hat mich der Krimi nicht. Vielleicht gefällt mir der zweite Fall besser.

Veröffentlicht am 21.03.2017

Magerer Thriller

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Die ehemalige CIA-Agentin und Profikillerin Kate Swift lebt seit 2 Jahren unter falschem Namen unerkannt in einer Kleinstadt. Ein Amoklauf an der Schule ihrer Tochter Suzie ändert ihre Situation schlagartig ...

Die ehemalige CIA-Agentin und Profikillerin Kate Swift lebt seit 2 Jahren unter falschem Namen unerkannt in einer Kleinstadt. Ein Amoklauf an der Schule ihrer Tochter Suzie ändert ihre Situation schlagartig und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihre Feinde wissen, wo sie zu finden ist. Kate tötet die beiden Amokläufer und taucht danach mit Suzie sofort ab. Sie hofft auf die Unterstützung des früheren CIA-Agenten Harry Hook, der mittlerweile sein Dasein in Thailand fristet. Ob er ihr jedoch wirklich helfen kann ist zweifelhaft. Es folgt eine Odyssee durch die Vereinigten Staaten über Kanada und Deutschland nach Thailand. Inzwischen heftet sich ihr suspendierter Chef Lucien Benway an ihre Fersen, der ihren Tod um jeden Preis will. Kate hatte für seinen Absturz gesorgt, indem sie die Ermordung ihres eigenen Mannes aufgedeckt und als Whistleblowerin fungiert hat. Bald schon ist Benways Handlanger Morse nicht mehr der Einzige, der hinter Kate und ihrer Tochter her ist. Unerwartete Hilfe bekommt Kate von ihrem Mentor Philip Danvers und schließlich auch von Harry Hook.
In 4 Erzählsträngen werden die Protagonisten Kate und Suzie Swift, Lucien Benway, Harry Hook und Philip Danvers sofort in das Geschehen geworfen und mit der Zeit verschmelzen diese zu einer Geschichte. Dem Schreibstil konnte ich zu jeder Zeit prima folgen und die kühle Erzählweise passt gut zu einem Thriller. Der Spannungsbogen hat sich durch den Roman gezogen und ließ bis zum Ende nicht nach. Allerdings fand ich das viele kaltblütige Töten nicht sonderlich gut. Es fließt mir zu viel Blut und ich konnte mich mit keinem der Charaktere wirklich anfreunden, da sie recht blass blieben. War ich von der Leseprobe begeistert, so muss ich sagen, dass ich letztlich von diesem Buch enttäuscht bin. James Rayburn bleibt dem Spruch „Früher tötete sie für ihr Land. Heute tötet sie für ihre Tochter“ absolut treu.

Veröffentlicht am 06.05.2019

Erste Liebe und Philosophie eines Unglücklichen

Der Sommer mit Pauline
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Der 15jährige Émile ist zum ersten Mal verliebt. Und zwar in Pauline, die für ihn unerreichbar scheint. Hält er sich selbst für durchschnittlich und sein Leben mit seiner Familie im Wohnwagen unter ihrer ...

Der 15jährige Émile ist zum ersten Mal verliebt. Und zwar in Pauline, die für ihn unerreichbar scheint. Hält er sich selbst für durchschnittlich und sein Leben mit seiner Familie im Wohnwagen unter ihrer Würde, denkt er dafür umso öfter an seine Angebetete. Pauline lebt mit ihren Eltern in einem vornehmen Haus und spielt Geige unter den strengen Augen ihres Vaters, dem Dirigenten eines Jugendorchesters. In einem Heft hält Émile seine Gedanken zu Pauline, seiner Familie und dem Leben im Allgemeinen fest. Da geschieht etwas völlig Unerwartetes: Pauline lädt ihn zu einem Jugendkonzert nach Venedig ein. Er kann sein Glück kaum fassen, als ihm seine Eltern diesen Wunsch erfüllen. Allerdings hat das Ganze einen Haken: sie kommen mit, im Wohnwagen! Eine verrückte Reise beginnt!
Das Buch ist sehr hochwertig gestaltet. So harmoniert das fröhliche Cover mit Wohnwagen und Urlaubsflair ganz wunderbar mit den blauen Wellen auf der Innenseite, die an das Meer erinnern. Der Titel „Der Sommer mit Pauline“ hat mit dem französischen Original leider gar nichts zu tun, denn der ist dem französischen Chanson „Venice n’est pas en Italie“ entliehen. Zudem spielt sich der Roman während der Osterferien im April ab und hat mit Sommer nichts zu tun. Diese Diskrepanz ist nur ein kleiner Kritikpunkt, der vernachlässigt werden könnte, wäre der Inhalt absolut wunderbar.
Leider ging mir Émile mit seinen gar nicht so pubertären Philosophien und schrägen Überlegungen zum Leben und den Menschen bisweilen gehörig auf die Nerven. Für mich passten diese so gar nicht zu einem 15jährigen. Die Liebe hat so ihre Fallstricke, die allerdings fast in den Hintergrund traten, da sich sein Vater sehr in den Vordergrund spielte. Mit der Familie Chamodot wurde ich nicht richtig warm: Warum um Himmelswillen färbt ihm seine Mutter die Haare blond? Warum überlässt sein Bruder Fabrice ihm zu sexuellen Erfahrungen seine Urlaubsbekanntschaft? Und warum philosophiert Émiles Vater so platt herum? Keines der Familienmitglieder interessiert sich ernsthaft für den anderen und so kommt es mir vor, als würden alle nur das machen, was ihnen gerade in den Kram passt. Das ändert sich auch auf der Fahrt nach Venedig nicht. Dabei wäre gerade jetzt Zeit, dass sich alle mal austauschen und vor allem dem verliebten Émile etwas zusprechen, statt ihn mit platten Sprüchen völlig zu verunsichern. Gut, es gab auch ein paar lustige Stellen. Insgesamt las sich der Roman recht zügig und unterhaltsam. Vielleicht findet sich hier der ein oder andere Jugendliche wieder. Den Hype um das Buch »„Der Sommer mit Pauline“ ist ein amüsant geschriebener Roman über das erste Verliebtsein und das Erwachsenwerden.«
Neue Ruhr Zeitung - kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn ich hatte mir mehr erwartet. Für mich fiel der Roadtrip nicht nur schräg, sondern auch stellenweise unglaubwürdig aus. Wenigstens bleiben sich die Charaktere allesamt treu. Einzig Émile verändert sich nach der Venedig-Reise und scheint etwas gelernt zu haben.
Der Buchhändlerliebling aus Frankreich vom Drehbuchautor von „Frühstück bei Monsieur Henri“ – diese Einschätzung kann ich leider nicht teilen und vergebe daher nur 2 Punkte.

Veröffentlicht am 20.02.2019

Großer Hype und wenig dahinter

Anatomie eines Skandals
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Die Staatsanwältin Kate hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Sexualstraftäter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Gerade verliert sie einen Fall, als ihr plötzlich ihr Assistent eine ganz besondere Akte ...

Die Staatsanwältin Kate hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Sexualstraftäter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Gerade verliert sie einen Fall, als ihr plötzlich ihr Assistent eine ganz besondere Akte auf den Tisch legt.
Sophie Whitehouse führt ein privilegiertes und offensichtlich sorgenfreies Leben. Als Frau des charismatischen Staatssekretärs James Whitehouse haben sich alle ihre Hoffnungen und Ziele im Leben erfüllt. Als er ihr eine Affäre mit seiner Praktikantin gesteht und die Zeitungen titeln „ Freund des Premierministers trifft sich zum Techtelmechtel in den Korridoren der Macht.“ steht ihre Ehe plötzlich im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Als wäre dies nicht schon schwer genug für die erfolgsverwöhnte Oxford-Absolventin und Mutter zweier Kinder, wird James von seiner Praktikantin Olivia der Vergewaltigung bezichtigt. Sophies Vertrauen in ihren Mann bekommt Risse und die Staatsanwältin Kate scheint ein beträchtliches Interesse an einer Verurteilung von James Whitehouse zu haben. Gibt es eine Verbindung zwischen Kate und James? Hat Sophie jahrelang ihre Augen vor dem wahren Charakter ihres Mannes verschlossen?
Der Roman lebt von Perspektivenwechsel zwischen Kate, Sophie und James und verwirrt mit Zeitsprüngen zwischen den einzelnen Kapiteln bzw. Abschnitten. Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen. Bisweilen sind die Beschreibungen der handelnden Personen etwas langatmig geraten. Gerade Kates Gefühlswelt wird sehr ausschweifend beschrieben, ebenso die Zerrissenheit Sophies. Spannend dagegen sind vor allem die Gepflogenheiten bei Gericht und die zentrale Frage, ob James sich schuldig gemacht hat oder ein Opfer ist. Jedoch verkommt die Gerichtsverhandlung recht schnell zu einem kleinen Nebenschauplatz und spiel schon bald keine zentrale Rolle mehr. Gerade da hatte ich mir mehr erhofft, denn das Thema „Vergewaltigung oder nicht“ ist durch das Aufkommen der „#METOO-Bewegung“ so aktuell wie nie. Doch die Nebenschauplätze wie James Verhalten in seiner Studentenzeit und Sophies Bemühungen, James als Ehemann zu gewinnen, neben viel mehr Raum ein. Am Ende führen einige Handlungsstränge bzw. Überlegungen ins Leere, wie z.B. Sophies Verdacht, dass sie Kate von früher kennen würde. Auch Kates Bemühungen um James‘ Verurteilung wurden nur lieblos und nicht sehr ernsthaft verfolgt. Ihre Rachegelüste sind zwar vorhanden, doch sie macht nicht wirklich etwas daraus. Hier schließt sich irgendwie nicht der Kreis. Mir kommt es so vor, als hätte die Autorin nicht den Bogen zum Anfang der Geschichte bekommen. Zudem passt der Untertitel nicht, denn Olivia kommt so gut wie gar nicht im Roman vor. Dabei soll sie doch diejenige sein, die ihn zerstören will, oder!? Natürlich könnte es sich dabei auch um die Staatsanwältin Kate handeln. Doch deren Versuche, als Super-Staatsanwältin sind ja mehr als mager. Ich dachte wunder was, wie sie sich ins Zeug legt und vielleicht noch ein Ass im Ärmel hat … aber nichts! Sie wütet innerlich, aber ihre einzige Konsequenz ist, dass sie die Zuständigkeit bei Gericht wechselt und nun keine Sexualstraftaten mehr verfolgt. Warum? Sophie ist letztlich zu blind, um Kate wirklich zu erkennen und schiebt den Gedanken schnell wieder beiseite. Olivia ist zwar der Auslöser für die Anklage gegen James Whitehouse, doch sie kommt gar nicht richtig zu Wort. Da ist so viel Potential verschenkt worden, dass es fast schon weh tut. Dabei hätten nur ein paar Änderungen bei den Charakteren vorgenommen werden müssen, um die Geschichte richtig spannend zu machen. James Whitehouse hatte nie ernsthaft um seine Reputation fürchten müssen, denn dazu war die Anklage zu schwach und er ein zu gefestigter und von sich überzeugter Charakter. Letztlich hat die Autorin aus vielen guten Ideen kein gutes Gesamtbild erschaffen können. Die handelnden Personen, allen voran Kate, finde ich stellenweise dermaßen unglaubwürdig, dass ich mir schwer tat, mich mit ihnen in irgendeiner Weise zu identifizieren oder Sympathie für sie zu empfinden. Das große Geheimnis, das James mit Tom, dem Premierminister und seinem Kumpel aus der Zeit in Oxford verbindet, wurde so oft thematisiert und erzeugte erhebliche Spannung. Leider war die Auflösung dann so enttäuschend, dass ich mich gefragt habe, warum Sarah Vaughan so wenig daraus gemacht hat. Letztlich hatte es keine Auswirkungen auf den Prozess oder gar das Leben der Protagonisten. Nach dem großen Hype um das Buch und die Autorin hatte ich mir ein besonderes Lesevergnügen erhofft.

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