Inhalt:
Adéle führt nach außen hin, das perfekte Leben, einer zurückhaltenden jungen Frau, die unabhängig ist und das Eheleben mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn zu genießen scheint. Doch hinter der Fassade des schicken Pariser Viertels, gibt es eine ganz andere Adéle, eine Frau die jedes Tabu bricht, immer auf der Suche nach einem neuen Abenteuer.
Während sie an ihrer inneren Leere und Gefühllosigkeit zu zerbrechen droht, versucht sie auszubrechen und ihren Schmerz zu betäuben, tagtäglich trifft sie sich mit Männern, durchbricht Grenzen und schaut wissentlich dabei zu, wie ihr alles zu entgleiten droht. Schon bald befindet sie sich in einem Strudel aus Angst, Nervenkitzel und dem verzweifelten Versuch, immer höhere Regionen zu erreichen, um den Schmerz der Einsamkeit und der Suche nach Erfüllung zu entfliehen.
Meine Meinung zum Buch :
Seit dem ersten Buch, welches ich aus der Feder, der französisch-marokkanischen Schriftstellerin Leïla Slimani gelesen habe, bewundere ich ihre Art auf sozialkritische Themen hinzuweisen, ohne dabei ihr literarisches Können in den Hintergrund zu Stelle oder ihre Intensität des Schreibens und der Unterhaltung zu verlieren. Umso gespannter, war ich auf das neue Buch "All das zu verlieren" , welches ein höchst brisantes Thema zu beinhalten scheint.
Und bereits nach wenigen Seiten, stellte sich das schriftstellerische Können Slimanis ein und zog mich sofort in seinen Bann. Sowohl der kernige und ohne Umschweife erzählte Schreibstil, der dennoch auf so vielen Ebenen zu funktionieren weiß und der den Interpretationsspielraum des Lesers, bis in die Tiefe weckt ohne zu viel zu erzählen, ließ mich innerlich den Hut ziehen.
Wie furchtloch ohne Scheu und ohne jegliche Tabus, Slimani einen Charakter zeichnet, der polarisiert, der kein Blatt vor den Mund nimmt und so stark erzählt ist, dass dieser zu einem Paradebeispiel in der Literatur wird, für was ?
Für Authentizität, Mut, Eigensinn und absoluten Tiefgang.
Slimani erschafft einen Charakter, der ebenso geheimnisvoll erzählt ist, der einem in vielen Facetten ein Mysterium bleibt und gerade hier liegt die unangepasste Stärke, einer Charakterentwicklung.
Adéle ist kein Stereotyp, der sich dem Leser auf den ersten Seiten voll und ganz erschließt, sondern sie ist vielschichtig, eigen und verschnörkelt komplex und dabei so unangepasst authentisch, dass sie zu einer perfekten Protagonistin, eines parabelhaften Romans wird.
Eines Romans, der aufzeigt, wie uns die Eitelkeit und Oberflächlichkeit der Gesellschaft in eine erschreckende innere Leere führen kann, aus der wir die seltsamsten Möglichkeiten ersuchen, um uns selbst spüren zu können.
Natürlich ist Adéle´s Variante und Zuflucht überspitzt dargestellt und einige Szenen übersteigen den normalen Raum, sind sogar in ihrer Intensität nicht immer glaubwürdig, doch liegen sie im Bereich des Möglichen und was wichtiger ist, sie zeigen Kritik auf, und das ist es worum es geht.
Mein Fazit:
Ein grandioser, polarisierender Roman, der einiges zu sagen hat. Natürlich kann man sich an dieser Stelle fragen: Was darf ein Roman und wie überspitzt dürfen einzelne Szenen dargestellt werden? In meinen Augen darf Literatur alles, solange sie etwas zu sagen hat und zu unterhalten weiß. Beides kann Leïla Slimani, wie kaum eine andere Schriftstellerin unserer Zeit, in einer Intensität, wie ich es selten erlebt habe!
Ein berührender Roman, der uns Leser nachdenken lässt und dem Leser Raum lässt für Interpretationen.
Für mich ein großes Stück, bedeutender Literatur:
Chapeau!