Emilia kümmert sich rührend um ihre Urgroßmutter Johanna, als diese erkrankt. Zeit hat sie ja gerade genug, denn ihren Job als Krankenschwester hat sie kurz vorher verloren. Während sie Johanna betreut, erzählt diese ihr von ihrem Leben. Emilia spürt, dass ihrer Urgroßmutter noch etwas auf dem Herzen liegt und sie muss nicht lange warten, bis Johanna mit ihr gedanklich in die Zeit des Zweiten Weltkrieges reist, um sie an ihrer Flucht aus Pommern und einem alten Familiengeheimnis teilhaben zu lassen. Zudem hat Johanna alte Briefe aufbewahrt, die sehr ans Herz gehen. Die Geschichte geht Emilia nicht aus dem Kopf und nachdem Johanna gestorben ist, macht sich Emilia auf eine Reise nach Schweden in der Hoffnung, den für Johanna so wichtigen Menschen wiederzufinden…
Tanja Bern hat mit ihrem Buch „Das Geheimnis der schwedischen Briefe“ einen packenden und gefühlvollen Roman mit historischen Einschüben vorgelegt, der den Leser aufgrund des flüssigen und bildhaften Schreibstils der Autorin sehr schnell in die Handlung eintauchen lässt. Durch wechselnde Erzählperspektiven wird nicht nur ein gewisses Maß an Spannung erzeugt, sondern gibt dem Leser neben dem Gegenwartsstrang auch die Möglichkeit, in die Vergangenheit einzutauchen und die damaligen Geschehnisse kennenzulernen, die der Handlung ihren Mittelpunkt geben. Die Schilderungen über den Zweiten Weltkrieg, die Flucht, die schrecklichen Entbehrungen und Strapazen der damaligen Bevölkerung erlebt der Leser durch die detaillierte Beschreibung hautnah mit. Vergleicht man beide Handlungsstränge miteinander, so fesselt die Vergangenheit von Johanna mehr als die Gegenwart um Emilia. Das liegt vielleicht auch daran, dass das Buch am Ende in eine völlig andere Richtung läuft, als man es sich als Leser eigentlich erwartet. Die zusätzliche Liebesgeschichte von Emilia ist unnötiger Ballast, der vom eigentlichen Thema ablenkt und das Buch so auch irgendwie nicht vollkommen erscheinen lässt. Dafür gibt es leider einen Punktabzug.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich ausgestaltet und mit den nötigen Ecken und Kanten versehen, um glaubhaft und lebendig zu wirken und die Sympathien des Lesers einzufangen. Johanna ist eine alte Dame, die ihr ganzes Leben lang ein Geheimnis mit sich herumtrug. Sie ist eine starke Persönlichkeit, die sich in den Kriegswirren durchgebissen und so einiges erlebt hat, was ihr Leben prägte. Curt hat Johanna den Kopf verdreht und ihr ein Licht in dunkler Zeit gegeben. Emilia ist eine Frau, die sich erst noch finden muss. Sie weiß noch nicht, in welche Richtung ihr Leben gehen soll, und die Geschichte ihrer Urgroßmutter gibt ihr den Tritt, den sie benötigt, um einen ersten Schritt zu tun. Lars Tjorveson ist ein sympathischer Mann, der Emilia unterstützt und ihr Halt gibt. Auch die Nebendarsteller wirken überzeugend und lassen die Handlung durchweg abwechslungsreich und interessant bleiben.
„Das Geheimnis der schwedischen Briefe“ ist ein spannender Roman über ein langgehütetes Familiengeheimnis, über die Liebe, den Krieg und auch über die Suche nach sich selbst. Schön erzählt und mit einer Leseempfehlung ausgestattet.