„Nie hast du Mama zu mir gesagt.“ (S. 145)
Einer Liebe kann sich jeder Mensch gewiss sein: der Liebe der Mutter zu ihrem Kind. Doch was ist, wenn diese Mutterliebe ausbleibt? Wenn ein Kind von Mutter und Großeltern abgelehnt wird und die Liebe ...
Einer Liebe kann sich jeder Mensch gewiss sein: der Liebe der Mutter zu ihrem Kind. Doch was ist, wenn diese Mutterliebe ausbleibt? Wenn ein Kind von Mutter und Großeltern abgelehnt wird und die Liebe des Kindes unbeantwortet bleibt, weil es die Frucht einer „Barbarischen Hochzeit“ ist - der schwer erträglichen Vergewaltigung einer kau selbst erwachsenen Dreizehnjährigen durch drei besoffene Soldaten?
Yann Queffélec hat für seinen Roman über den ungeliebten Ludo 1985 den Prix Goncourt erhalten - zu Recht. Er lässt den Leser teilnehmen an diesem schrecklichen Leben Ludos, an seinen Qualen und Torturen unter dem Dachboden der herzlosen Großeltern, an den Demütigungen durch die Mutter in seinem neuen Zuhause beim Stiefvater und schließlich an der Erniedrigung als vermeintlich Verrückter unter Irren im Heim für Waisen.
„Nie hast du Mama zu mir gesagt. Weißt du denn wenigstens, daß ich deine Mutter bin?“, fragt Nicole auf Seite 145 - und man würde gerne zurückbrüllen: „Weißt du es denn?“ Oder mit Ludos immer wiederkehrenden Worten: „… und du?“
In der „Barbarischen Hochzeit“ wird schmerzlich deutlich, wie aus dem ersten Verbrechen der Vergewaltigung eines schwärmerischen Mädchens weitere Verbrechen entstehen - und man weiß nicht, welches am schlimmsten ist. Das erste oder das letzte? Ludo ist ein vollkommenes Opfer, ein liebebedürftiger Verlorener, auf dessen Seite man bis zum bitteren Ende steht, als er endlich „Mama“ sagt.
Ein schweres Buch, trotz der naiven Leichtigkeit, die der Roman durch Ludos Blickwinkel auf das Geschehen einnimmt.