Cover-Bild Kalt ist der Abendhauch
Band der Reihe "detebe"
12,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Thriller / Spannung
  • Genre: Krimis & Thriller / Krimis & Thriller
  • Seitenzahl: 256
  • Ersterscheinung: 30.04.1998
  • ISBN: 9783257230239
Ingrid Noll

Kalt ist der Abendhauch

Die dreiundachtzigjährige Charlotte erwartet Besuch: Hugo, ihren Schwager, für den sie zeit ihres Lebens eine Schwäche hatte. Sollten sie doch noch einen romantischen Lebensabend miteinander verbringen können? Wird, was lange währt, endlich gut? Ingrid Nolls Heldin erzählt anrührend und tragikomisch zugleich von einer weitverzweigten Familie, die es in sich hat.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.05.2019

Charlotte ist meine Lieblingsheldin jenseits der 80!

0

Charlotte Schwab erlebt einen zweiten Frühling – mit 82 Jahren. Vielleicht ist es auch eher ein dritter oder vierter Frühling, aber die Aussicht, ihrem 88-jährigen Schwager Hugo wieder zu begegnen, der ...

Charlotte Schwab erlebt einen zweiten Frühling – mit 82 Jahren. Vielleicht ist es auch eher ein dritter oder vierter Frühling, aber die Aussicht, ihrem 88-jährigen Schwager Hugo wieder zu begegnen, der gleichzeitig die Liebe ihres Lebens war, versetzt den Rhythmus ihres Lebens, das sie behaglich mit der Schaufensterpuppe Hulda teilt, in erhebliche Schwingung. Enkel Felix lässt seine Kumpel zum Renovieren antanzen, seine Freundin geht mit Charlotte einkaufen und die alte Dame hat Anlass für aufregende Gedanken über die Vergangenheit.

Es ist erstaunlich, wie heiter und oft auch lustig das Leben der alten Dame wirkt, was vor allem an der bewundernswerten Selbstironie liegt, die Autorin Ingrid Noll ihrer Figur eingibt. Kein Zipperlein wird ausgelassen – erst recht nicht, wenn Schwager Hugo auftritt, der um einiges hinfälliger ist.

Noch erstaunlicher aber ist, wie es Noll gelingt, in Charlottes Erinnerungen die Vergangenheit der Familie wieder auferstehen und lebendig werden zu lassen. Die Befindlichkeiten, Eitelkeiten und Verletzungen innerhalb der Familie brechen wieder auf und geben ein bewegtes Bild, das den Leser nicht kalt lässt und oft auch erheitert. Charlotte ist Jahrgang 1911 – und das bedeutet, dass sie dramatische deutsche Jahre wieder auferstehen lässt.

Noch einer ersteht wieder auf, nämlich Charlottes vermeintlich in Russland gebliebener Gatte Bernhard, dessen Ableben sie mit Hugo auch auf ganz andere Weise innig verbindet.

Zugegeben – wenn Bernhard das Licht der Welt erneut erblickt, verflachen teile des Romans zur Klamotte, aber dennoch bleibt die Komposition so liebenswert, ironisch, schwarzhumorig und lustig, dass man sie sich problemlos auch auf der Bühne vorstellen kann. Charlotte ist jedenfalls meine Lieblingsheldin jenseits der 80!

Veröffentlicht am 19.04.2018

Wie das Wiedersehen der großen Liebe alte Geheimnisse zutage bringt ist humorvoll und lebensnah beschrieben!

0

Zitat S. 181:
Hugo und ich plaudern genussvoll über exclusive Details aus unseren verflossenen Eheleben, wobei wir die Regel, über Tote nur Gutes zu sagen, geflissentlich missachten.

Und wieder hat es ...

Zitat S. 181:
Hugo und ich plaudern genussvoll über exclusive Details aus unseren verflossenen Eheleben, wobei wir die Regel, über Tote nur Gutes zu sagen, geflissentlich missachten.

Und wieder hat es Ingrid Noll geschafft, mich mitzureißen und eine interessante Person zu beschreiben. Was sich so in Charlottes Leben alles ereignet hat, erzählt die Autorin auf unglaublich frische Weise. Ironisch, humorvoll und auch sarkastisch. Toll!

Es ist wieder ein großer Genuss, eine Person wie Charlotte kennen zu lernen. Man merkt wie faustdick es diese alte Dame hinter den Ohren hat. Denn der Besuch von Hugo, ihrem Freund, Schwager und zeitweiligem Geliebten lässt die beiden Jugendfreunde über alte Zeiten plaudern und dabei werden dunkle Geheimnisse gelüftet, die man so nicht erwartet hat. Natürlich spielt wie immer bei Ingrid Noll hier eine Frau die Rolle der Mörderin eines Mannes, dessen Tod man aus Lesersicht
gut verkraften kann und man hat vollstes Verständnis für die Beweggründe Charlottes.

Hier werden alte Menschen aus einer Perspektive jenseits von verkalkten, friedfertigen und geduldsamen Menschen ohne eigene Wünsche dargestellt. Man hat es vielmehr mit einer Heldin zu tun, die ironisch auf ihre Jugend, die Liebe und ihre eigene Nachkommenschaft schaut. Sie reflektiert das Gewesene, erklärt die schwierige Zeit um 1945 und folgende Jahre, in der ihr Ehemann Bernhard als Kriegsheimkehrer in ihr Leben unerwartet zurück kehrte. Sie zeigt aber auch ihre jetzigen Wünsche für ihren Lebensabend, nimmt kein Blatt vor den Mund was die Sexualität angeht und zeigt mit ironischer Weise wie sie die Welt sieht.

Amüsant ist auch die Rolle der Enkelin dargestellt, die nicht nur äußerlich, sondern auch mit ihrer speziellen Art ihrer Großmutter nacheifert. Mehr kann ich hier nicht verraten!

Die raffinierte Erzählweise Ingrid Nolls hat mich auch bei diesem Roman wieder erfreut und wie sie Familiengeheimnisse erfindet, sie literarisch leicht zu einer komplexen Handlung umsetzt und dabei einfach nur gut unterhält ist anerkennenswert.

Eine brillant geschriebene Erzählung, die tief in verschiedene Generationen hineinleuchtet und mit leichter Ironie und etwas schwarzem Humor gut unterhält.