Sehr undurchsichtiger, aber interessanter zeithistorischer Roman
Die Frau aus OsloINHALT
Oslo, 1942. Die Stadt ist von den Nazis besetzt. Die Jüdin Esther kämpft im Widerstand - bis sie verraten wird. In letzter Sekunde gelingt ihr die Flucht nach Schweden. Ihre Familie jedoch wird ...
INHALT
Oslo, 1942. Die Stadt ist von den Nazis besetzt. Die Jüdin Esther kämpft im Widerstand - bis sie verraten wird. In letzter Sekunde gelingt ihr die Flucht nach Schweden. Ihre Familie jedoch wird deportiert. In Stockholm trifft Esther den Widerstandskämpfer Gerhard Falkum, der ebenfalls aus Oslo geflohen ist. Er steht unter Mordverdacht an seiner Frau. Ein Verdacht, der nie ausgeräumt werden kann und Esther Jahrzehnte später noch beschäftigt. Denn zurück in Oslo will sie herausfinden, wer ihre Familie damals in den sicheren Tod geschickt hat ...
(Quelle: Lübbe)
MEINE MEINUNG
Der norwegische Krimiautor Kjell Ola Dahl hat mit seinem neuesten Werk „Die Frau aus Oslo“ einen eindrucksvollen, sehr verwobenen Roman verfasst, der mich mit seinem beklemmenden historischen Hintergrund zwar von Beginn an fesseln konnte, im Mittelteil aber aufgrund einer recht lavierenden Erzählweise deutlich an Spannung verlor. Der historische Kriminalroman, dessen Hintergrundgeschichte sich rund um die brutale Ermordung der Widerstandskämpferin und jungen Mutter Ase im Jahre 1942 in Oslo dreht, ist jedoch weniger ein packender Krimi sondern eher undurchsichtiger Agententhriller mit sehr interessanten, schwer zu entschlüsselnden Charakteren. Angesiedelt ist die Handlung auf drei verschiedenen Zeitebenen zur Zeit der deutschen Besatzung im Jahre 1942 in Oslo, im Jahr 1967 in Stockholm und einer kurzen Episode zu Beginn und Ende des Romans in der Gegenwart. Insbesondere der Handlungsstrang, der in Oslo zur Zeit der deutschen Besatzung in Norwegen während des 2. Weltkriegs spielt und im Milieu des norwegischen Widerstands angesiedelt ist, liest sich äußerst interessant und vielversprechend. Der Autor hat in seinem Roman einen spannenden geschichtlichen Aspekt aufgegriffen, über den ich bislang kaum etwas gelesen hatte und der mir weitgehend unbekannt war. Das vielversprechende Ausgangsszenario, der Verrat der jüdischen Hauptfigur Ester, der Mord an ihrer Freundin Ase, das tragische Schicksal von Esters Familie und viele fesselnde Fragestellungen rund um die Motive der Figuren geben einem zu rätseln auf.
Sehr geschickt hat der Autor seine unterschiedlichen, parallel laufenden Handlungsstränge zu einem packenden, sehr undurchsichtigen Plot miteinander verwoben, so dass der Leser sehr aufmerksam und konzentriert der Handlung folgen muss, um alle angedeuteten Facetten zu erkennen und die richtigen Rückschlüsse ziehen zu können.
Der Autor versteht es, mit seine eher nüchternen, oft sehr prägnant gehaltenen Schreibstil, eine ganz besondere distanzierte und bedrückende Atmosphäre zu vermitteln, die sehr gut zur Handlung passt.
Die komplex angelegte Handlung mit verschiedenen parallel laufenden Erzählsträngen, unterschiedlichen Schauplätzen und etlichen Akteuren ist lange Zeit nicht vorhersehbar. Im mittleren Teil des Romans treffen die Akteure von Oslo im Handlungsstrang von 1968 erneut aufeinander. Doch statt mehr Klarheit über die Vergangenheit zu erlangen, gibt uns der Autor mit immer neuen Verwicklungen weitere Rätsel auf und lässt viel Raum zum Spekulieren. Zeitweise hatte ich das Gefühl das sich die Handlung im Kreise dreht, wodurch die Spannung im Mittelteil deutlich abflaute.
Der Autor hat mit seinem Protagonisten und Gegenspielern faszinierende, vielschichtig angelegte und äußerst undurchsichtige Charaktere geschaffen, die zumeist unsympathisch, kühl und berechnend wirken. Ihre Hintergründe bleiben lange Zeit im Dunkeln, was angesichts ihrer Arbeit im Widerstand und beim Geheimdienst sehr authentisch und nachvollziehbar ist. Erst allmählich lassen sich daher ihre Persönlichkeiten und Motive im Laufe der Handlung erschließen. Erst beim äußerst fesselnden Finale führt der Autor die miteinander verwobenen Handlungsstränge zwar zusammen und löst die Hintergründe zu Ases Ermordung auf. Viele Zusammenhänge bleiben aber in der Schwebe und wurden vom Autor nicht mehr angesprochen, so dass der Leser sich viele Leerstellen in der etwas verworren erzählten Geschichte leider selbst zusammenreimen muss.
Zudem gibt uns der Autor einige sehr schockierende Einblicke in die Abgründe der menschlichen Psyche, das sehr nachdenklich stimmt.
FAZIT
Ein eindrucksvoller, sehr verwobener und undurchsichtiger Thriller mit einer beklemmenden historischen Hintergrundgeschichte.