Inhaltserzählung:
Ich erinnere mich kaum noch an das Leben vor meinem Tod - das kann kein Herzloser. Diese Erinnerungen verblassen, sobald uns das Herz aus der Brust gerissen wird. Aber ich kann mich an jede Sekunde meines Todes erinnern. Und an alles, was danach kam. Natürlich haben auch die Menschen Probleme, aber sie können tun, was sie wollen, und gehen, wohin es ihnen passt. Die Welt gehört ihnen, sie müssten nur innehalten und es begreifen. Sie haben das größte Geschenk von allen in den Händen - ihr eigenes Schicksal. Ich umklammere mein Medaillon und fühle, wie der Splitter meines Herzens darin schlägt, stark und jämmerlich zugleich. Er ist so klein. Unvollständig. Ich bin schon lange Zeit nicht mehr vollständig. Genau hier, genau jetzt, auch wenn es wehtut, kann ich so tun, als wäre ich ein Mensch, frei. Vollständig. (Seite 29, 37, 119)
Autorin:
Von der Einsteigerin zur Erfolgsautorin: Als Kind spielte Sara Wolf lieber im Freien, als sich mit Büchern zu beschäftigen. Sie war in ihren Zwanzigern, als sie plötzlich zur Tastatur griff und einfach zu schreiben anfing. Ihre erste Veröffentlichung in den USA schaffte sie mit der „Lovely Vicious“-Reihe. In Deutschland erschien 2019 mit „Heartless – Der Kuss der Diebin“ die erste Übersetzung eines ihrer Bücher. Sara Wolf lebt gemeinsam mit zwei Katzen im sonnigen San Diego, in den USA.
Bewertung:
Sie können so viel riskieren, weil sie so viel haben. Ihr Herz. Eine Zukunft. Freiheit. Und hier bin ich und bettele um Abfälle. Bettele um die Gelegenheit, das zu nehmen, was ich will, und dann zu verschwinden. (Seite 378)
Ich hatte mich vergeblich bei vorablesen und Lovelybooks um ein Exemplar bemüht. Nun hatte ich es letzte Woche taufrisch in der Büchereientdeckt und gleich gekrallt. Natürlich! War sowieso schon ungewöhnlich, dass sie es hatten, weil es erst Ende Januar erscheinen ist. Und damit nicht genug, hatte ich es auch noch in zwei Tagen durchgelesen. Es ist ein Jammer ... es ging viel zu schnell vorbei.
"Was ist schlimmer, Reginall, ein Monster zu sein oder andere zu Monstern zu machen? Selbst zu töten oder andere dazu zu zwingen?" (Seite 313)
Das Cover ist düster gestaltet mit ein paar Elementen, die Bezug auf die Geschichte nehmen. Die junge Frau ist geheimnisvoll und selbstbewusst dargestellt, was genau den richtigen Eindruck von der Protagonistin Zera widergibt. Stimmungsvoll und aufeinander abgestimmt, weckt das Cover brennend die Neugier des Lesers. Meine war auf jeden Fall geweckt!
"Du bist nicht tot", knurrt der Celeon. "Ein Meister der Beobachtung und ein Meister des Dolchangriffs auf junge Mädchen, die nichts ahnend auf dem Heimweg sind! Welch eine Ehre." "Ich habe dein Herz getroffen", beharrt er. "Ich würde gern behaupten, dass du der erste Mann bist, der etwas so Romantisches zu mir sagt." (Seite 19/20)
Der Schreibstil ist sehr seicht, trotz der Düsternis der Geschichte. Der Erzählstil wirkt sehr lebendig und hat meine Vorstellungskraft angeregt. Die Geschichte wird aus Zeras Sicht sehr lebhaft und humorvoll erzählt. Ich musste sehr oft lachen oder schmunzeln, weil sie einen regen Sarkasmus an den Tag legt, der die ernsten Momente leicht macht. So hat es mir noch viel mehr Spaß gemacht, das Buch zu lesen. Ich hätte mich auch gefreut, wenn Zera sich mit Lucien in der Erzählung abgewechselt hätte. Das hätte mir noch mal einen anderen Eindruck von Lucien gewährt. Der Haupttitel ist besser nicht gewählt und rundet die Aufmachung des Covers ab. Einzig der Untertitel passt meines Ermessens nicht richtig, da dieser hochgelobte Kuss nur einmal und recht am Ende folgt. Das ist für mich etwas Aufbauscherei und völlig unnötig! Die Autorin war mir bis dato neu und somit ist es das erste Buch, das ich von ihr lese.
Jetzt steht er hier, sieht mich an, als wäre ich das größte Mysterium der Welt, und sein Blick ist sowohl traurig als auch begierig - als hungerte er nach etwas, das er nicht einmal benennen kann. Eine Herausforderung. Jemand, der ihm ebenbürtig ist. Ein Freund. Er hungert nach all dem. Er hungert nach mir. (Seite 276)
Die Kulisse ist düster und hat einen Hauch von Märchen. Vor allem hat mich das erste Kapitel an das Märchen mit dem Salzkönig erinnert, indem eine seiner Töchter seinen Wert mit Salz vergleicht, während ihre beiden Schwestern ihn mit Gold und nichts vergleichbarem gleichsetzt. Auch sind Fabel-Elemente mit sprechenden Vögeln vorhanden, was ich in der gesamten Mischung als individuell erachte. Ich konnte mich sehr gut in diese Welt einfinden und mich auf verschiedene Aspekte neben den bereits genannten Elementen einlassen. Wenn man solch eine Fantasie-Geschichte nicht gewöhnt ist, kann das etwas überladen wirken mit den verschiedenen Aspekten der Fantasiewelt. Für regelmäßige Fantasie-Leser ist dies allerdings eher etwas einzigartiges.
Kronprinz Lucien d`Malvance, Erherzog von Tollmount-Kilstead, Der im Feuer Geborene, der schwarze Adler - er hat duzende Namen, einer dämlicher als der andere. Wenn es etwas gibt, das ich an meinem ersten Tag am Königshof gelernt habe, dann das: Je mehr Namen jemand hat, desto weniger tut er auch. (Seite 8)
Zera heißt eigentlich Elizera, hat keinen Nachnamen und ist Tochter eines Händlerpaares, deren Gesichter sie fast vergessen hat. Sie ist die Dienerin der Hexe Nightsinger, die sie ins Schloss schickt, um den Prinzen das Herz herauszureißen, damit ein Kriegsausbruch verhindert wird. In ihr lauert die rote Glut, die nur die Sprache der Gewalt kennt und nach Blut giert. Zera muss sich ihr immer wieder aufs Neue stellen und versucht, sich nicht von ihr beherrschen zu lassen. Denn sie möchte kein Monster sein.
Er strahlt so viel Stolz und Düsternis aus, dass ich ihn von ganzem Herzen hasse. Ich hasse es, dass jemand, der so viel Macht und Reichtum erben wird, auch noch so verdammt gut aussieht. Ich will, dass er einen Buckel hat und überall Warzen. Ich will, dass er ein schwächliches Kinn und Triefaugen hat. Aber die Welt ist wie üblich nicht fair. (Seite 11)
Lucien d’Malvane ist der Sohn des Königs und einziger Thronerbe von Cavanos. Den Verlust seiner Schwester Varia hat er nie überwunden und ist seither auf der suche nach der Wahrheit und den Umständen ihres Todes. Er gibt sich kühl und herablassend, fühlt sich innerlich aber machtlos und versucht ein besserer Mensch als sein Vater zu sein.
Sie können mich nicht töten. Sie können mich verachten, schlecht über mich reden, mich in Stücke reißen. Aber sie können mich nicht töten. Das können nur meine eigenen Fehler. Nur ich kann das das. (Seite 136)
Zera und Lucien sind sehr realistisch dargestellt in ihrem Sein. Es war sehr einfach für mich, ihre Beweggründe nachzuvollziehen. Die Autorin lässt den Leser an ihren Gedanken und Empfindungen teilhaben. Die Nebenfiguren sind ebenfalls eindrucksvoll geschildert, sodass sie einen gleich ans Herz wachsen. Sie nehmen in dieser Geschichte eine wichtige Rolle ein und beleben die Vorgänge mit ihren Eigenheiten. Mich freut es immer sehr, wenn Autoren ihren Nebenfiguren Leben einhauchen und sie richtig an der Geschichte teilhaben lassen. Was ich schon zu anfangs belächeln musste !!!, sind die Namen der Hexen; Nightsinger, Firewalker ect. Das ist schon etwas albern. Allerdings bleibt es damit auch nur bei den Namen, sonst hätte mich das sehr gestört.
"Die Frage lautet nicht, ob der Apfel weit vom Stamm fällt, denn das tut er nicht. Viel interessanter ist doch, ob der Apfel größer werden kann als der Baum."
(Fione, Seite 371)
Der innere Kampf mit sich, dem Monster in sich, der roten Glut, hat die Autorin bei Zera sehr realistisch aufgeschrieben. Es mag einige Leser vielleicht stören, dass diese Zerrissenheit immer wieder wiederholt und bei vielen Situationen zum Vorschein gebracht wird, aber gerade das macht es auch sehr glaubhaft. Widersprüchliche Gefühle und Gedanken sind nun mal immer da und verfolgen einen. Sie taucht nicht auf und dann plötzlich nicht mehr, weil sie meint, es reiche jetzt. Dann wäre es ja kein Kampf! Diese innere "Verfolgungsjagd" hätte die Autorin nicht besser ausleben können.
"Kämpft mit allem, was ihr habt, allem, was ihr seit. Alles, was von Euch noch da ist - kämpft damit. Kämpft im Mondlicht, im Schein der Sterne. Jeder kleine Hoffnungsschimmer, den Ihr erkennt - klammert Euch an ihn. Heißt selbst das kleinste Licht willkommen und hört niemals auf zu kämpfen!" (Reginall, Seite 364)
Nach dem ersten Kapitel habe ich mich etwas schwergetan, weiterzulesen. Es folgt nach aktueller Situation die Rückblende bis zu diesem Ereignis, was die Spannung etwas rausnahm. Für mich zog sich die Rückblende etwas, auch weil ich Mitten im Geschehen war und plötzlich abgebremst wurde. Hier erfährt man aber etwas über Zeras Vergangenheit und wie sie nach dem Tod weiterlebte. Das ist für den weiteren Verlauf wichtig und geschickt gesetzt. Hier ist mir auch ein Fehler aufgefallen: Das Alter des Prinzen wurde ihr mitgeteilt, jedoch rätselt Zera später, wie alt der Prinz ist. Da hat sich bei der Autorin ein logischer Fehler eingenistet.
Allmählich erkenne ich, dass "fast" mit mehr Bedauern verbunden ist als ein eindeutiges Ja oder Nein. Ja und Nein stehen für ein Ende und einen Anfang. Aber "fast" bleibt an der Grenze, bleibt immer vage und ist dennoch da. (Seite 426)
Wer glaubt, dass es sich hier um eine typische Romantasy-Story handelt, irrt sich. Die Romantik zwischen Zera und Lucien ist insoweit gegeben, dass sie sich spitze Bemerkungen an den Kopf werfen und eher zurückhaltend agieren. Richtig romantische Handlungen kommen hier nicht zum Vorschein, wohl eher die Gefühlsanbandungen aus Zeras Sicht in ihren Gedanken, die sie uns teilhaben lässt. In allem ist es mehrheitlich dynamisch und mehr auf die magische Aufgabe hin erzählt. Das einzige Klischee ist einfach das Übliche: Herablassender Prinz und einsame junge Frau bandeln miteinander an. Das wird sich kaum in den Büchern ändern lassen. Aber hier wird es nie kitschig oder überspitzt, was mir persönlich sehr wichtig ist. Es passiert doch recht wenig zwischen den beiden, wenn man bedenkt, was Titel und Klappentext verraten. Ich hatte mir da mehr Romantik vorgestellt.
Was noch von mir übrig ist, zerbricht unter seiner Berührung. Seine Worte treffen die Risse in meiner rauen Schale wie ein Hammer - obwohl ich bisher gar nicht wusste, dass sie Risse hat. (Seite 353)
Im Laufe der Geschichte tauchen viele Themen auf, die bearbeitet werden wollen, von den Hauptcharakteren wie von den Nebencharakteren gleichermaßen. Bei einigen Nebencharaktere lässt sich deren Zielgründe nicht gänzlich sichten, und hin und wieder hatte ich das Gefühl, dass uns die Autorin in die Irre führen will, um die Spannung zwischen den Charakteren aufrecht zu erhalten. Das ist keinesfalls als negative Kritik gemeint. Es ist ein komplexes Spiel, dass die Nebencharaktere treiben und uns Leser darin verflechten wollen. In einem Moment hatte ich das Gefühl, genau zu wissen, was der eine möchte und hegte Sympathie für ihn, im nächsten Moment wandelte sich das wieder. Es ist wie ein kleiner Krimi, der sich nebenher aufbaut. Darunter fällt auch der Tod von Varias, die Schwester von Lucien. Die Suche nach der Wahrheit deckt ganz andere Ergebnisse auf, als von allen vermutet, und auch ich als Leser war etwas überrascht. Ich hatte schon eine Vermutung in Bezug auf die Wahrheit, aber diese ist doch etwas anders als ich annahm.
"Jede Spur, jeder ihrer Schatten lässt mich wieder hoffen", murmelt er. "Und das ist das Schlimmste. Nicht, dass sie tot ist. Sondern, dass sie nicht tot bleibt."
( Lucien, Seite 408)
Fazit:
Eine herzlose Kriegerin, deren Geschichte überhaupt nicht herzlos erzählt wird. Man mische die Zutaten Humor, Märchen, Fabelwesen, Magie und etwas Krimi zusammen und heraus kommt Heartless. Alles in allem ein fantasievolles Buch mit starken Charakteren, düsterer Kulisse und dynamischer Erzählstil.
"Ich habe es in deinen Augen gesehen, du hattest keine Angst. Vor mir. Vor irgendwem. Und genau in diesem Moment wurde mir klar, dass du ein Dorn in meinem Fleisch sein würdest. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Bist du ein Dorn? Oder bist du die Rose?"
(Lucien, Seite 275)
Ich vergebe generell sehr zaghaft volle 5 Sterne, vor allem in diesem Bereich, weil es doch sehr schnell konstruiert wirken kann. Bis auf drei wirklich kleine Mängel muss ich dem Buch einfach 5 Sterne vergeben. Die Geschichte und Charaktere haben mich gänzlich überzeugt. Das Buch ist schwer mit anderen zu vergleichen, da viele Konzepte vereint wurden. Ich behaupte mal, dass das Buch vor allem die Leser begeistern wird, die weder Neulinge in dem Genre sind noch hauptsächliches diese lesen ... irgendwie dazwischen. Dazu zähle ich mich. Ich habe schon einige Fantasy-Bücher gelesen, lese aber quer Beet in Genre und bin nicht auf Fantasy fokussiert.
"Es gehört sich nicht, dass wir so tun, als wären wir uns nah." "So tun? Glaubst du das wirklich? Plötzlich beugt er sich über mich und ist mir ganz nah. "Wenn ich dich hier und jetzt küsse", murmelt er, und seine Stimme lässt das Medaillon auf meiner Brust pochen, "dann würde ich nicht nur so tun als ob." (Seite 284/285)
Leider !!!!, leider lässt uns die Autorin sehr lange schmachten. Der zweite Band der Reihe erscheint hier in Deutschland erst im April 2020. Wer in Englisch bewandert ist, kann sich das zweite Band in der Originalausgabe besorgen: Bring me their Bones erscheint am 04.06.2019. Und die weniger Glücklichen unter uns müssen sich noch mehr als ein Jahr mit dem ersten Band begnügen.
Es ist gut zu wissen, dass sich die Welt auch ohne mich dreht, ob ich nun frei bin oder nicht. (Seite 117)
Cover ⭐⭐⭐⭐⭐
Titel ⭐⭐⭐
Schreibstil ⭐⭐⭐⭐ ⭐
Charaktere ⭐⭐⭐⭐
Thema ⭐⭐⭐⭐
Atmosphäre ⭐⭐⭐ ⭐
Anspruchsvoll ⭐
Handlungen ⭐⭐⭐ ⭐
Spannung ⭐⭐⭐ ⭐⭐
Aktion ⭐⭐ ⭐⭐
Erotik
Fantasie ⭐⭐ ⭐
Humor ⭐ ⭐⭐
Liebe ⭐
Erstellt am 26. Februar 2019