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Veröffentlicht am 04.07.2019

Warum es normal ist, nicht normal zu sein

Dachschaden kann man nicht versichern
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Bin ich noch normal oder habe ich schon ernsthafte Schwierigkeiten? Bin ich zu emotional, habe ich ein Suchtproblem, bin ich psychisch krank oder einfach nur etwas anders? Viele Menschen stellen sich diese ...

Bin ich noch normal oder habe ich schon ernsthafte Schwierigkeiten? Bin ich zu emotional, habe ich ein Suchtproblem, bin ich psychisch krank oder einfach nur etwas anders? Viele Menschen stellen sich diese oder ähnliche Fragen, wenn es um die eigene Person geht. Aber woran erkenne ich, dass ich etwas an mir ändern sollte oder sogar eine Therapie machen müsste? Und wie lerne ich mit Dingen umzugehen, die mich an mir selbst stören? Antworten auf diese Fragen gibt Kristina Fisser, Psychologin und Psychotherapeutin mit eigener Praxis.

„Dachschaden kann man nicht versichern – Die wunderbare Welt unserer Psyche“ von Kristina Fisser ist ein Sachbuch zum Thema geistige Gesundheit.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus zwölf Kapiteln ähnlicher Länge, die unterschiedliche Themen behandeln und wiederum in mehrere Abschnitte untergliedert sind. Sie werden umrahmt von einem Vorwort und einem Nachwort der Autorin. Zu jedem Kapitel gibt es einen Exkurs, jeweils überschrieben mit „Blick hinter die Kulissen“. Dort wird erklärt, wann eine Psychotherapie angezeigt ist, was dabei geschieht und wie sie abläuft. Zwar war mir das dort Beschriebene weitestgehend bekannt, doch für die meisten Leser dürfte es interessante Einblicke liefern. Ich hätte es allerdings vorgezogen, wenn diese Infos in einem separaten Kapitel gebündelt worden wären, da mich die Einschübe immer etwas aus dem Lesefluss gebracht haben. Davon abgesehen, finde ich den Aufbau schlüssig und gut durchdacht.

Trotz des ernsten Themas ist der Schreibstil locker und humorvoll. Er ähnelt einem angenehmen Plauderton. In der Fachwelt geläufige Begriffe tauchen auf, werden aber gut erklärt und sind auch dank des Glossars für Laien nachvollziehbar. Selbst kompliziertere Sachverhalte werden gut formuliert, sodass das Buch sowohl für Leser ohne Vorwissen als auch für diejenigen mit psychologischen Kenntnissen lesbar ist. Unterstützt wird die Sprache mit Illustrationen, Grafiken und anderen visuellen Darstellungen, die beim Verständnis hilfreich sind. Lobenswert sind zudem das umfangreiche Literaturverzeichnis und das Register.

Inhaltlich geht es um die Themen Identität, Motivation/Selbstdisziplin, Emotionsregulation, Arbeitswelt, Körperkult, Entwicklungsaufgaben, Partnerschaft, Nachwuchs, Suchtmittel, Einsamkeit, Neid und Tod. Eine bunte Mischung, die dafür sorgt, dass sich ein breites Feld der Leserschaft mit einigen oder mehr Aspekten angesprochen fühlt und für seinen persönlichen Alltag Tipps aus der Lektüre ziehen kann.

Positiv anzumerken ist, dass die Autorin nicht nur ältere und jüngere Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung einbaut und erläutert, sondern jeweils konkrete Beispiele und persönliche Anekdoten nutzt. Gut gefallen hat mir auch, dass immer wieder Übungen vorgeschlagen werden, wie man gewisse Situationen besser bewältigen kann und wie sich erkennen lässt, wo Probleme bestehen. An einigen Stellen hätte ich mir jedoch gewünscht, dass die Ausführungen etwas mehr in die Tiefe gehen. Dann hätte ich etwas mehr von der Lektüre profitieren können. Echte Aha-Erlebnisse sind beim Lesen leider ausgeblieben. Nichtsdestotrotz: Um auf unterhaltsame Weise Denkimpulse zu erhalten und sich das eigene Denken, Fühlen und Verhalten bewusster zu machen, dazu taugt das Sachbuch allemal.

Das ansprechend gestaltete Cover, das die Autorin in den Vordergrund rückt, wirkt modern und passt gut. Auch der salopp formulierte Titel macht Lust aufs Lesen.

Mein Fazit:
„Dachschaden kann man nicht versichern – Die wunderbare Welt unserer Psyche“ von Kristina Fisser ist ein gleichsam unterhaltsamer wie interessanter Ratgeber auf dem Gebiet der Psychologie, der eine Fülle von Lebensbereichen abdeckt. Besonders empfehlenswert für diejenigen, die sich bisher noch nicht mit der Thematik beschäftigt haben und einen leichten Einstieg finden möchten.

Veröffentlicht am 27.06.2019

Wenn ein Roboter das Liebesglück bedroht

Maschinen wie ich
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London im Jahr 1982: Der Falkland-Krieg ist für Großbritannien verloren, doch dank der Forschung von Alan Turing gibt es inzwischen Internet, Handys und selbstfahrende Autos. Auch bei der Entwicklung von ...

London im Jahr 1982: Der Falkland-Krieg ist für Großbritannien verloren, doch dank der Forschung von Alan Turing gibt es inzwischen Internet, Handys und selbstfahrende Autos. Auch bei der Entwicklung von Robotern ist man in der alternativen Vergangenheit schon weit fortgeschritten: Künstliche Menschen, die täuschend echt anmuten, sind käuflich zu erwerben. Charlie Friend, ein 32-jähriger Lebenskünstler, wagt die teure Investition und kauft Adam, einen der ersten Androiden, die auf den Markt kommen. Bald aber merkt Charlie, dass Adam für ihn ein Rivale dargestellt, denn er kommt ihm bei der 22-jährigen Studentin Miranda in die Quere, in die er verliebt ist…

„Maschinen wie ich“ von Ian McEwan ist ein vielschichtiger Roman über das Thema Künstliche Intelligenz.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zehn recht langen Kapiteln. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Charlie – in chronologischer Reihenfolge, aber mit einigen Rückblenden. Dieser Aufbau wirkt gut durchdacht.

Der Schreibstil ist recht nüchtern, schnörkellos und wenig emotional, aber anschaulich und sprachlich sehr gelungen. Der Einstieg in die Lektüre erfordert Aufmerksamkeit vom Leser, um sich in der alternativen Vergangenheit zurechtzufinden. Dennoch lässt sich die Geschichte ohne Probleme nachverfolgen.

Einen wirklichen Sympathieträger gibt es für mich in diesem Roman nicht. Mit den beiden Protagonisten, Charlie und Miranda, kann ich mich nicht identifizieren. Allerdings wirken sie durchaus authentisch. Adam wird ebenfalls recht ambivalent dargestellt, da er zwar über viele positive Eigenschaften und Fähigkeiten verfügt, aber auch eine unheimliche, dunkle Seite zu haben scheint.

Die mehr als 400 Seiten bleiben kurzweilig, denn der Autor hat eine Fülle an Aspekten in den Roman gepackt. Bisweilen wirkt die Handlung ein wenig konstruiert und übertrieben, was mich aber nicht gestört hat.

Die große Stärke des Romans ist einerseits, dass er ein brisantes und aktuelles Thema in den Mittelpunkt rückt. Die literarische Bearbeitung des Themas Künstliche Intelligenz (KI) gibt die Möglichkeit, sich mit den Chancen und Risiken moderner Technologien auseinanderzusetzen und Szenarien aufzuzeigen, wie unsere Zukunft in Teilen aussehen könnte. Dabei werden wichtige Fragen aufgeworfen wie: Worin werden sich ein Mensch und eine hochentwickelte Maschine künftig unterscheiden? Kann eine KI ein Bewusstsein oder sogar Gefühle haben? Wie muss eine Maschine beschaffen sein, um dem Menschen nicht zu schaden? Wie lassen sich diese Roboter kontrollieren? Andererseits ist es ein weiteres Plus des Romans, moralische und ethische Konflikte und Grenzfälle zu behandeln. Dies verleiht der Geschichte zusätzlich an Tiefe. Beide Aspekte sorgen dafür, dass der Roman immer wieder zum Nachdenken anregt und interessante Impulse liefert. Trotzdem wird die Geschichte nicht zu düster und schwerfällig, denn auch humorvolle Passagen fehlen nicht.

Das vom Verlag gewohnt reduzierte Cover passt inhaltlich ganz gut, was die drei Hauptpersonen angeht, stellt aber leider keinen Bezug zur Künstlichen Intelligenz her. Erfreulicherweise hat man sich beim deutschen Titel jedoch eng an der Originalausgabe („Machines like me“) orientiert.

Mein Fazit:
Mit „Maschinen wie ich“ ist Ian McEwan ein komplexer und lesenswerter Roman gelungen, der nachdenklich macht und noch eine Weile nachhallen wird.

Veröffentlicht am 12.06.2019

Ein dramatisches Schicksal in schweren Zeiten

Das Weingut. Aufbruch in ein neues Leben
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Das Elsass und Umgebung in den 1870er-Jahren: Die Liebe zwischen Dienstmädchen Irene und dem reichen Erben Franz Gerban, Anfang 20, sollte in eine glückliche Ehe münden. Eine ungeheuerliche Enthüllung ...

Das Elsass und Umgebung in den 1870er-Jahren: Die Liebe zwischen Dienstmädchen Irene und dem reichen Erben Franz Gerban, Anfang 20, sollte in eine glückliche Ehe münden. Eine ungeheuerliche Enthüllung von Franz' Vater treibt Irene jedoch fort. Schwanger mit Sohn Fränzel, verlässt sie Altenstadt. Einsam bringt sie das Kind zur Welt. Sie nimmt einen Job als Textilarbeiterin in einer Fabrik an, doch die Bedingungen dort sind grausam. Nachdem sie den Arbeiterführer Josef Hartmann kennengelernt hat, beginnen sie eine Beziehung miteinander. Aber Franz geht ihr nicht aus dem Kopf. Finden die beiden noch einmal zusammen?

„Das Weingut – Aufbruch in ein neues Leben“ ist der zweite Teil der Trilogie um die Weinhändler-Familie Gerban von Marie Lacrosse. Der Roman lässt sich jedoch auch unabhängig vom ersten Band lesen.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Teilen. Es gibt insgesamt 29 Kapitel mit einer angenehmen Länge. Sie werden eingerahmt von einem Prolog und einem Epilog. Die Handlung umfasst die Jahre 1871 bis 1873, die Schauplätze wechseln. Einheitliche Orts- und Zeitangaben machen die Orientierung jedoch einfach. Erzählt wird aus mehreren Perspektiven: vorwiegend aus der von Irene und der von Franz. Der Aufbau des Romans wirkt gut durchdacht.

Der Schreibstil ist – wie schon im ersten Band – einfühlsam, anschaulich und lebhaft. Sprachlich ist der Roman an die damalige Zeit angepasst. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.

Wieder stehen Irene und Franz im Fokus, zwei sympathische Protagonisten. Beide Charaktere und ihre Entwicklungen sind authentisch. Sie werden gut herausgearbeitet. Zudem gibt es eine Vielzahl an Nebenfiguren. Einige von ihnen wirken ein wenig eindimensional, was allerdings zu verschmerzen ist.

Die Handlung ist – dank einiger dramatischer Ereignisse und Wendungen – abwechslungsreich. Trotz der mehr als 650 Seiten bleibt die Geschichte kurzweilig.

Gut gefallen hat mir, dass die Autorin dieses Mal wieder eine reizvolle historische Episode in den Vordergrund rückt. Im zweiten Band werden die Arbeitsbedingungen in den Zeiten des modernen Kapitalismus aufgegriffen. Interessant sind darüber hinaus die Ausflüge in die Anfänge der Psychiatrie. Erfreulicherweise erfährt der Leser nun auch einiges über den Weinanbau. Auf gelungene Weise verwebt sie tatsächliche Begebenheiten und Personen mit fiktionalen Elementen. So kann der Roman sowohl unterhalten als auch einiges an Wissen bieten. Die fundierte Recherche der Autorin ist nicht nur im Quellenverzeichnis, sondern auch im interessanten Nachwort dokumentiert, in dem sie erläutert, was auf Wahrheit und was auf Fiktion basiert.

Weitere Pluspunkte sind die Übersicht über die im Roman auftauchenden Personen, die auch damals real existierende Persönlichkeiten ausweist, und das Glossar mit weniger bekannten Begriffen, die im 19. Jahrhundert gebräuchlich waren. Dieses Zusatzmaterial ist eine hilfreiche Ergänzung.

Das ansprechend gestaltete Cover passt gut zum ersten Teil der Reihe und trifft meinen Geschmack. Auch der Titel fügt sich gut in die Saga ein.

Mein Fazit:
Mit „Das Weingut - Aufbruch in ein neues Leben" knüpft Marie Lacrosse auf gelungene Weise an den ersten Teil der Familiensaga an. Fans historischer Literatur kommen auch dieses Mal wieder auf ihre Kosten. Auf den Abschluss der Reihe bin ich schon gespannt.

Veröffentlicht am 16.05.2019

Das Abenteuer des Zeidlers

Der Gesang der Bienen
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Der Schwarzwald im Jahr 1152: Als Zeidler streift Seyfried (35) durch den Schwarzwald und erntet Honig und Wachs von wilden Bienenvölkern. Mit seiner Frau Elsbeth (32) und den Kindern lebt er ein beschauliches, ...

Der Schwarzwald im Jahr 1152: Als Zeidler streift Seyfried (35) durch den Schwarzwald und erntet Honig und Wachs von wilden Bienenvölkern. Mit seiner Frau Elsbeth (32) und den Kindern lebt er ein beschauliches, abgeschiedenes Leben. Doch seine Welt gerät aus den Fugen, als man seine Frau für den Tod von Fronika, der Tochter Gottfrieds von Staufen, verantwortlich macht. Sie wird eingesperrt und zum Tode verurteilt. Vom Gericht erhält Seyfried jedoch eine Frist von zwei Wochen, um die Fürsprache der Äbtissin Hildegard einzuholen und so die Unschuld von Elsbeth zu beweisen. Deshalb bricht er zum Kloster Bingen auf, um das Leben seiner Frau zu retten. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.

„Der Gesang der Bienen“ ist ein historischer Abenteuerroman von Ralf H. Dorweiler.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 25 Kapiteln mit einer angenehmen Länge, die von einem Pro- und einem Epilog eingerahmt werden. Zu Beginn jeden Kapitels steht ein zum Thema passendes Zitat - eine schöne Idee. Auch die Orts- und Zeitangaben sind sehr übersichtlich und einheitlich am Anfang der Kapitel platziert, sodass eine Orientierung in der Geschichte trotz unterschiedlicher Schauplätze sehr leicht fällt. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, vor allem aus der von Seyfried und Elsbeth. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.

Der Schreibstil ist locker, flüssig, bildhaft, detailliert und anschaulich. Der Autor schreibt fesselnd und gleichzeitig einfühlsam. Der Einstieg in die Geschichte gelingt daher sehr einfach.

Die Charaktere des Romans wirken authentisch, interessant und gut ausgearbeitet. Im Vordergrund der Geschichte steht Seyfried, der mir schon nach wenigen Seiten sympathisch war, ebenso der Rest seiner Familie. Seine Gedanken- und Gefühlswelt konnte ich gut nachvollziehen.

Trotz der annähernd 500 Seiten bleibt die Handlung kurzweilig und unterhaltsam. Einige Wendungen halten die Spannung stetig oben. Nur gegen Ende hin wird das Geschehen ein wenig unrealistisch und zu stark übertrieben, was meinen ansonsten sehr positiven Gesamteindruck des Romans leider ein wenig geschmälert hat. Zudem nimmt der Klappentext bereits viel vorweg.

Sehr gut gefallen hat mir das historische Setting des Romans. Mit Hildegard von Bingen spielt eine reizvolle und bekannte Persönlichkeit eine wichtige Rolle in der Geschichte. Ich fand es interessant, auf unterhaltsame Weise mehr über die berühmte Frau zu erfahren. Lehrreich wird der Roman auch dadurch, dass Wissenswertes über das Zeidler-Handwerk vermittelt wird. Die Anmerkungen des Autors belegen die fundierte Recherche.

Sehr hilfreich ist das umfassende Personenverzeichnis am Ende des Romans. Tolle Extras sind außerdem eine Landkarte sowie das Rezept zum „Hildegardis-Gold“.

Das Cover passt gut zum Thema. Schön finde ich, dass das Bienen-Motiv auch bei der Gestaltung im Inneren des Taschenbuchs aufgegriffen wird. Der Titel klingt poetisch und trifft meinen Geschmack.

Mein Fazit:
„Der Gesang der Bienen“ von Ralf H. Dorweiler ist ein empfehlenswerter historischer Roman. Trotz kleinerer Schwächen sorgt die Geschichte für fesselnde Lesestunden.

Veröffentlicht am 07.05.2019

Eine Diagnose, die alles verändert

Wenn man den Himmel umdreht, ist er ein Meer
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Nur wenige Tage vor ihrem 30. Geburtstag kommt die Diagnose, die alles ändert: chronische Niereninsuffizienz. Alle Zukunftspläne sind plötzlich hinfällig: das Stipendium in Teheran, der Kurztrip nach Frankreich. ...

Nur wenige Tage vor ihrem 30. Geburtstag kommt die Diagnose, die alles ändert: chronische Niereninsuffizienz. Alle Zukunftspläne sind plötzlich hinfällig: das Stipendium in Teheran, der Kurztrip nach Frankreich. Und dann verschlechtern sich auch noch die Nierenwerte, sodass sie dreimal die Woche zur Dialyse muss. Schnell wird klar, dass sie ein Spenderorgan braucht. Ihr Vater wäre bereit, zu spenden, doch die beiden sind sich fremd, da er die Familie vor vielen Jahren verlassen hat. Erschwerend kommt die Ungewissheit hinzu: Ist er als Spender überhaupt geeignet?

„Wenn man den Himmel umdreht, ist er ein Meer“ ist das literarische Debüt von Tabea Hertzog, basierend auf ihrer wahren Geschichte.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus 19 Kapiteln recht unterschiedlicher Länge. Sie sind wiederum in teils sehr kurze Abschnitte untergliedert. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht der jungen Frau, der Autorin. Der Roman setzt direkt nach der Diagnose ein. Das Grundgerüst ist chronologisch aufgebaut. Immer wieder gibt es jedoch Rückblicke in die Kindheit und andere Teile der Vergangenheit. Die Übergänge sind recht abrupt, trotzdem hat dieser Aufbau für mich gut funktioniert.

Der besondere, unverwechselbare Schreibstil wirkt zunächst reduziert, nüchtern, distanziert und schnörkellos. Kurze Passagen in Dialogform wechseln sich ab mit Auszügen aus SMS-Nachrichten und längeren erzählenden Abschnitten. Der Stil hat aber auch eine poetische Note. Dazu tragen auch tiefsinnige Sätze bei, die ab und zu eingestreut werden. Mit nur wenigen Worten gelingt es der Autorin, viel auszudrücken.

Die Protagonistin bleibt anfangs unnahbar, was jedoch Teil ihres Charakters ist. Zunehmend lässt sich ihre Gedanken- und Gefühlswelt jedoch gut nachvollziehen. Dabei hat mich ihre Ehrlichkeit beeindruckt. So kann man sich in sie einfühlen. Auch bei der Darstellung der Personen geht die Autorin sparsam mit Details um. Dennoch schafft sie es, Bilder der Charaktere entstehen zu lassen.

Eine Stärke des Buches ist seine besondere Thematik. Wie ist es, wenn die Nieren nicht mehr ihren Dienst tun? Wie läuft eine Dialyse ab, wie eine Transplantation? Antworten auf diese Frage habe ich erwartet und auch bekommen. Wer sich vorher noch nicht mit einer chronischen Niereninsuffizienz beschäftigt hat, kann interessante Informationen aus dem Buch ziehen. Dadurch wurde mir das Thema nicht nur nähergebracht, sondern man wird auch zum Nachdenken angeregt.

Das Buch kommt unaufgeregt daher. Es verzichtet auf übermäßige Dramatik und kommt gänzlich ohne kitschige Passagen aus. Mit nur etwas mehr als 200 Seiten ist es zudem recht kurz. Dennoch konnte mich das Buch sowohl fesseln als auch emotional bewegen. Trotz der ernsten Thematik blitzt immer wieder etwas Humor durch.

Der philosophische Titel trifft meinen Geschmack. Er erschließt sich nicht auf Anhieb und wird erst nach der vollständigen Lektüre in Gänze verständlich. Das dazu passende Cover gefällt mir ebenfalls.

Mein Fazit:
„Wenn man den Himmel umdreht, ist er ein Meer“ von Tabea Hertzog hebt sich auf erfrischende Weise von der Sachbuchliteratur ab, in denen es um Erfahrungsberichte geht. Die Autorin verarbeitet ihre eigene Geschichte auf literarisch interessante Weise. Eine ungewöhnliche Lektüre, die ich in mehrfacher Hinsicht empfehlen kann.