Niemand ist derjenige, der er zu sein vorgibt.
TotwasserNach privaten Rückschlägen baut Linn Geller sich eine kleine Anwaltskanzlei auf. Gleich ihr erster Fall als Pflichtverteidigerin konfrontiert sie mit einem Mord: Grace Riccardi wird beschuldigt, ihren ...
Nach privaten Rückschlägen baut Linn Geller sich eine kleine Anwaltskanzlei auf. Gleich ihr erster Fall als Pflichtverteidigerin konfrontiert sie mit einem Mord: Grace Riccardi wird beschuldigt, ihren Mann, den Fernsehstar Nico Benten, umgebracht zu haben, und ist auch zu einem Geständnis bereit. Dennoch glaubt Linn an die Unschuld ihrer Mandantin und stößt bei ihren Recherchen auf Ungereimtheiten. Ohne es zu merken, bringt sie sich selbst dabei in tödliche Gefahr.
Dieser Kriminalroman ist im Dezember 2018 bei Bastei Lübbe erschienen, umfasst 320 Seiten und bildet den Auftakt zu einer Reihe rund um die Ermittlungen der Anwältin Linn Geller.
Der Roman beginnt mit einem Prolog, der den Abschluss des aktuellen Falles schildert, um dann durch einen Sprung in die Vergangenheit die Kriminalgeschichte von Anfang an aufzurollen. Dieses weckt bei Leserinnen und Lesern schon Neugier und Spannung. Der Fall selbst entpuppt sich im Laufe der Ermittlungen als komplexer, als es anfangs anmutet: Gibt es am Anfang kaum ein Motiv, obwohl es unglaublich scheint, dass ein Mensch so lupenrein sein kann wie der Ermordete, häufen sich diese im Laufe der Recherchen, was die Lesenden zum Miträtseln sowie Spekulieren einlädt und sie kaum zur Ruhe kommen lässt. Niemand scheint in diesem Roman wirklich der-/diejenige zu sein, der/die er/sie zu sein vorgibt, verschiedene Verdächtige treten auf und werden wieder verworfen. Der Spannungsbogen durchzieht in Wellenbewegungen den gesamten Roman, um dann in einem fulminanten Finale die Lesenden zu einem mehr oder weniger befriedigenden Ende zu führen (mir persönlich hat das Mordmotiv nicht so gut gefallen).
Hofelichs Sprache ist flott und einfach zu lesen, was den Kriminalroman zu einem leichten, angenehmen Lesevergnügen für zwischendurch werden lässt. Der Roman spielt abwechselnd in Stuttgart und Cornwall, wobei mir insbesondere die Schilderungen des letzten Landstrichs sehr gefallen haben.
Die Charaktere werden von der Autorin lebensnah und entwicklungsfähig beschrieben. Ein wenig penetrant erschien mir während des Lesens die Darstellung der Protagonistin selbst: Immer wieder wird ihr Schicksal zum Ausdruck gebracht, stellenweise hat man beim Lesen das Gefühl, als wolle sie sich ihm gar nicht stellen. In der Realität ist das Hadern mit den eigenen Lebensumständen in der Tat verbreitet, zehrt aber hier wie dort dann doch irgendwann an den Nerven der Mitmenschen bzw., beim Lesen, der Leser*innen. Erfreulicherweise scheint sich Linn jedoch am Ende dann doch ein wenig wohler in ihrer Haut zu fühlen.
Sehr gut gefallen hat mir, das während des Lesens der Titel des Roman, „Totwasser“, erklärt wurde. Ich selber konnte mit dem Begriff am Anfang nicht viel anfangen, beim Lesen wird jedoch klar, weshalb dieser Titel gewählt wurde – und er passt, gibt das „Totwasser“ doch einen Anstoß zur Klärung des Falles.
Das Cover ist ansprechend gewählt: Es wird von Grau- und Blautönen beherrscht, zeigt ein Haus auf den Klippen und versprüht eine düstere, bedrückende Atmosphäre, die sich auch stellenweise im Kriminalroman selbst widerspiegelt.
Insgesamt legt Julia Hofelich mit „Totwasser“ einen lesenswerten Auftakt zu einer Krimireihe vor, der durch eine komplexe Handlung und Motivreichtum überzeugt. Von mir gibt es aufgrund der oben angeführten Kritikpunkte dreieinhalb von fünf Lesesternen.