Ein wahres Lesevergnügen
RückwärtswalzerIm letzten Monat blieben mir nur wenige Stunden zum Lesen – der Alltag hatte mich fest im Griff. Umso schöner war es, die wenigen Stunden mit einem wirklich guten Buch zu verbringen. Ein Buch, in das ich ...
Im letzten Monat blieben mir nur wenige Stunden zum Lesen – der Alltag hatte mich fest im Griff. Umso schöner war es, die wenigen Stunden mit einem wirklich guten Buch zu verbringen. Ein Buch, in das ich mich völlig zurückziehen konnte, weil ich von den literarischen Figuren und ihrem Leben völlig fasziniert war. Nahm ich die Geschichte zur Hand, um darin zu lesen, war es fast so, als würden sie mich persönlich begrüßen, mich in ihrer Runde aufnehmen und an ihren Erlebnissen und Erfahrungen teilhaben lassen. Nur selten habe ich so eine Faszination beim Lesen verspürt. Wahrscheinlich liegt es an der auf den ersten Blick etwas schrägen Familie Prischinger über die Vea Kaiser in ihrem neuen Werk „Rückwärtswalzer: oder Die Manen der Familie Prischinger“ schreibt. Schräg, weil sie in einer etwas prekären Situation unkonventionell handeln, aber von vorne.
Ein junger Mann, seine drei Tanten und eine Leiche auf dem Beifahrersitz
Die Handlung von „Rückwärtzwalzer“ könnte man als einen durch geknallten Roadtrip dreier in die Jahre gekommenen Frauen nennen, die sich kurzerhand mit ihrem Enkel und einem verstorbenen Familienmitglied auf den Weg nach Montenegro begeben. Ihr lest richtig: einem verstorbenen Familienmitglied. Dieser soll in seiner Heimat begraben werden, denn das war sein letzter Wunsch. Und das eigens dafür angesparte Geld ist irgendwie abhandengekommen. Die Reise – oder die nicht ganz regelkonforme Überführung der Leiche – tritt ein Teil der Familie Prischinger, mit allerhand Proviant, in einem Panda an. Im Gepäck viele schicksalsbehaftete Geschichten, die sie auf ihrer manchmal etwas turbulenten Fahrt mit einander und dem Leser teilen.
Rückwärtswalzer
„Rückwärtswalzer“ – mit dem Titel könnte man die Handlung auch beschreiben. Die einzelnen Episoden aus dem Leben der Protagonisten fügen sich, wie in einem harmonischen Tanz, nach und nach zusammen. Durch äußere Umstände und Erinnerungen, die wachgerufen werden, begeben sich die Charaktere zurück in verschiedene Zeitstränge, um dem Leser vom Erlebten zu berichten. Sie tanzen buchstäblich aus der Vergangenheit in die Gegenwart und entwickeln ein imposantes literarisches Ganzes.
Eine Reise, die alles verändert
Begeistert hat mich vor allen, dass die Geschichte so lebensnah und nachvollziehbar ist. Die literarischen Figuren und ihre Handlungen wirken so real und glaubwürdig. Selbst ein Protagonist, der mir anfangs so unsympathisch erschien, hat sich im Verlauf der Handlung so gewandelt, dass er mir richtig ans Herz gewachsen ist. Ein Charakter hat sich quasi in mein Leserherz gebrannt: der nicht mehr ganz taufrische Mensch auf dem Beifahrersitz. Warum und wie gerade diese tote Person es geschafft hat, erfahrt ihr, wenn ihr „Rückwärtswalzer: oder Die Manen der Familie Prischinger“ von Vea Kaiser lest.
Vea Kaiser durfte ich im Frühjahr auf einer Veranstaltung zu ihrem Buch kennenlernen. Während dieser heiteren Lesung gab es passenderweise viel zum Essen und zu trinken – genau wie es die drei Damen aus der Prischinger Familie lieben. Das Highlight dieser Veranstaltung war jedoch die Autorin selbst. Denn diese plauderte so ausgelassen und sympathisch über ihr neues Buch „Rückwärtswalzer: oder Die Manen der Familie Prischinger“. Meine Gedanken während dieses Events: Wenn diese Autorin genauso schreibt, wie sie hier erzählt, dann muss dieses Buch großartig sein. Ich musste mir danach einfach selbst ein Bild machen. Und ja – dieses Buch ist großartig und der Schreibstil ist so präzise, bildhaft und detailliert, dass man als Leser immer das Gefühl hat mitten in der Handlung zu sein.
Nach den letzten Seiten von „Rückwärtswalzer“ fiel es mir sehr schwer, mich von der Familie Prischinger zu verabschieden. Einziges Trostpflaster war das hoffnungsvolle Ende der Geschichte und ein weiterer Roman von Vea Kaiser in meinem Regal.
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