Durchgefallen
CastingJovis lebt in einer Welt, in der alles ercastet werden muss. Nur wer gewinnt, bekommt Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf. Wer nicht mehr mitmacht wird ausgecastet und fristet sein Dasein in einer ...
Jovis lebt in einer Welt, in der alles ercastet werden muss. Nur wer gewinnt, bekommt Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf. Wer nicht mehr mitmacht wird ausgecastet und fristet sein Dasein in einer Fabrik unter miserablen Bedingungen. Nur die herrschende Klasse kennt Wohlstand und bestimmt, welche Casting überhaupt weiterlaufen, denn der Zuschauer entscheidet. Als Jovis in dieser Welt, wo jeder gegen jeden kämpft, Jo trifft und sich mit ihr anfreundet beginnt er, einen Ausweg zu suchen. Einen Weg zu Freundschaft, Familie, Gemeinschaft.
Mich hat die Medienkritik sehr interessiert. Sogenannte Castingshows pflanzen sich in der Fernsehlandschaft fort, wie es Kaninchen nachgesagt wird. Ich war sehr gespannt, wie das bei Casting umgesetzt wird. Auch die Zwei-Klassen-Gesellschaft hat mich neugierig gemacht. Nicht zuletzt war es die Frage, wie in einer Welt ohne Vertrauen dennoch Freundschaft keimen kann. Leider wurden die vielen Möglichkeiten der Materie kaum genutzt.
Stattdessen gehen viele Fragen schnell in den Leerlauf. Jovis und Jo freunden sich einfach an und finden auch schnell weitere Freunde. Castings gibt es eben. Fabriken gibt es eben. Das System gibt es eben, ohne das Gründe genannt werden. Dabei sind Jovis und Jo keinesfalls einfache Kinder, sondern Jugendliche. Außerdem wird erwähnt, dass die Zeit vor den Castings kaum eine Generation zurück liegt. Jovis kann sich noch daran erinnern, mit seiner Mutter in einem Haus mit Garten gelebt zu haben, bevor die Castings Überhand genommen haben. Trotzdem ist die gesamte Gesellschaft nur noch auf Castings eingestellt, normale Berufe gibt es nicht mehr, die Menschen wissen nicht einmal mehr, wie sie sich um sich selbst kümmern sollen.
So gut der Ansatz auch ist, so unvollständig ist die Umsetzung. Beispielsweise gibt es in Museum, in dem Handwerker bei ihrer Arbeit beobachtet werden können. Diese Menschen sind betont alt. Das sticht sich für mich mit der Aussage über Jovis frühe Kindheit. Die Menschen vergessen ja nicht einfach von heute auf morgen ihre Schulbildung und Ausbildung, wenn sie gezwungen werden, bei Castings mitzumachen. Auch der Ausgang der Geschichte ist zwar nett, aber nicht konsequent. Von Profit auf Wohltäter in zwei Seiten. Und die Frage, nach der herrschenden Klasse stellt sich der Roman im Grunde nicht. Wenn alle in Castings sitzen oder für sie arbeiten, wer produziert dann, wer arbeitet, wer schaut fern? Die ominösen Anderen haben jedenfalls keinen Raum im Roman.
Auch die Namensgebung erinnert eher an ein humoristisches Kinderbuch. „Quassel Strippe“ und „Kon To“ agieren neben „Schlawienchen“, „Admiral“ und „Kami Katze“. Das wirkt schnell gezwungen komisch und in einer Dystopie in der Ausprägung auch irgendwie fehl am Platz. Gleiches gilt für den oft sehr einfach gehaltenen Stil, die Aussagen, die sich mitunter widersprechen. Ein wichtiges Beispiel ist für mich Jovis‘ Mutter, die in einer Fabrik wohnt, weil sie den Castings den Rücken gekehrt hat, von ihrem Sohn aber besucht wird und ihn besucht, und der Überraschung Jovis‘ als er erfährt, dass „ausgecastete“ in Fabriken wohnen. Der Roman ist hier schlicht nicht konsequent, und leider nicht nur hier.
Casting. Spiel ums Leben hat einen guten Ansatz und könnte eigentlich auch ein guter Roman sein. Der Stil ist in den Grundzügen gut, allein die Ausarbeitung passt nicht zur Dystopie und dem Genre des Jugendbuchs. Eine kuriose Mischung aus kindlichen Elementen, die hier eher kindisch wirken und Protagonisten, die dem schon entwachsen sind. Casting hat mich leider nicht begeistern können.