Eine mutige Frau in den Wirren des 30jährigen Krieges
Die Hand im Feuer„...Sie fühlte sich wie ein Blatt im Wind, dass jeder Luftzug in eine andere Richtung blies...“
Die 20jährige Marie ist seit zwei Jahren Witwe und die Tochter eines Leinenwebers. Sie hat Lesen, Schreiben ...
„...Sie fühlte sich wie ein Blatt im Wind, dass jeder Luftzug in eine andere Richtung blies...“
Die 20jährige Marie ist seit zwei Jahren Witwe und die Tochter eines Leinenwebers. Sie hat Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt und hilft ihrem Vater im Geschäft. Ihr jüngerer Bruder Hannes träumt davon, Söldner zu werden.
Wir schreiben das Jahr 16223. Als Marie vom Kloster Riddagshausen zurück kommt, wo sie geschäftlich zu tun hatte, findet sie ihr Elternhaus in Flammen vor. Nur ihr Bruder Hannes hat den Überfall der marodierenden Söldner überlebt. Beide kehren ins Kloster zurück. Die Äbtissin schickt sie mit einem Begleitschreiben ins nahegelegene Damenstift, wo sich Herzogin Anna aufhält. Marie ahnt nicht im mindesten, was sie erwartet.
Die Autorin hat einen fesselnden historischen Roman geschrieben. Sie lässt einige Jahre des 30jährigen Krieges wieder lebendig werden.
Der Schriftstil lässt sich flott lesen. Marie wächst mit ihren Aufgaben. Allerdings wird sie nie vergessen, wie schmerzhaft Verluste sein können. Deshalb will sie auch ihren Bruder im Auge behalten, der allerdings die erstbeste Gelegenheit genutzt hat, um sich ins Heer von Christian von Braunschweig einzugliedern. Bei Marie klingt das so:
„...Er ist alles, was mir geblieben ist, und ich bin verantwortlich für ihn...“
Bei der Herzogin lernt Marie Christian von Braunschweig kennen. Der ist von ihr beeindruckt, weil sie der Kurfürstin der Pfalz wie eine Schwester gleicht. Herzogin Anna nutzt Maries momentane Lage, um sie als Botin und Spionin einzusetzen.
Sehr anschaulich wird dargestellt, welche unterschiedlichen Interessen die Vertreter des Adels hatten. Ich darf Marie auf ihren Wegen im Auftrag der Herzogin begleiten. Zwei Dinge lassen sie immer wieder die Gefahr suchen. Das ist zum einen ihre Angst um den Bruder und zum anderen ihre Liebe zu Christian. Dabei ahnt sie zwar, dass sie nur Mittel zum Zweck ist, kann sich aber lange nicht aus ihren Verstrickungen lösen. Hinzu kommt, dass Christian auf evangelischer Seite kämpft, Herzogin Anna aber der katholischen Liga nahesteht.
Nebenbei stellt mir die Autorin auf diese Weise die wesentlichen Vertreter der kriegführenden Parteien vor. Da wäre zum einen der selbstsüchtige und gnadenlose Herr von Mansfeld, zum anderen Tilly und Wallenstein, die sich der Verantwortung für ihre Soldaten bewusst sind. Positiv fällt Moritz von Oranien auf. Er zeigt gegenüber Marie keinerlei Standesdünkel auf.
Gerade von Mansfelds Leuten wird berichtet.
„...Die Söldner verpflegen sich aus dem Volk, rauben und stehlen das Korn von den Halmen, wenn sie die Felder nicht auch noch anzünden...“
Wallensteins Vertrauter dagegen formuliert:
„...Im Krieg geht es selten um Barmherzigkeit, aber mein Heerführer legt ebenso wie ich großen Weert auf tadelloses Verhalten der Soldaten...“
Herzogin Anna allerdings ist mir ebenfalls nicht sympathisch. Sie nutzt geschickt alle Ränke und Schliche, um ihren Willen durchzusetzen. Einiges spricht dafür, das sie dabei auch über Grenzen geht. Sie ist eine selbstbewusste und politisch interessierte Frau, kann aber auf Machtspielchen nicht verzichten. Glücklicherweise hat Marie in brenzligen Situationen immer Menschen an ihrer Seite, die ihr helfen und zu ihr stehen. Sie darf erleben, dass es auch am Hofe nicht nur Neid und Missgunst gibt.
Deutlich wird, dass die Söldner ziemlich schnell die Seite wechseln, wenn die Bezahlung nicht stimmt. Währenddessen hungert ein großer Teil der Bevölkerung. Nur wenige Gegenden und Städte sind bisher vom Krieg verschont geblieben. Dazu gehört zum Beispiel Hamburg.
Eine Zeittafel und ausführliche Erläuterungen schließen das Buch ab.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie zeugt von der umfangreichen und exakten Recherche der Autorin und zeigt, das im Krieg menschliche Werte sehr schnell verlorengehen, wenn nur der Hunger und das Leid das Handeln bestimmen.