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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.06.2019

Kommissar Lagarde auf Abwegen

Der Kommissar und die Toten von der Loire
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Zumindest in geographischer Hinsicht: Er wird nämlich ins Loiretal beordert, wo es einen geheimnisvollen Mord mit Pfeil und Bogen gab und soll die dortige Kommissarin Yvonne Martel unterstützen, die dies ...

Zumindest in geographischer Hinsicht: Er wird nämlich ins Loiretal beordert, wo es einen geheimnisvollen Mord mit Pfeil und Bogen gab und soll die dortige Kommissarin Yvonne Martel unterstützen, die dies als Untergrabung ihrer Kompetenz sieht und alles andere als begeistert ist!

Doch Lagarde wäre nicht Lagarde, würde er sich nicht auch mit den schwierigsten Typen zusammenraufen und so entsteht allmählich ein ganz gut funktionierendes Gespann. Zudem ist Lagardes Lebensgefährtin Odette mit dabei, die ihm durch ihre Anwesenheit und ihre kulinarischen Fähigkeiten den Aufenthalt versüßt.

Auch diesen Krimi aus der Lagarde-Reihe würde ich als typisches Serienwerk bezeichnen und das meine ich keinesfalls abfällig! Denn hier kommen die großen Zusammenhänge, die Rahmengeschichte vor der Spannung. Wobei allerdings diesmal die Lösung des Falles, der zu einem Serienmord ausartet, allerdings im Gegensatz zu einigen der vorherigen Fälle alles andere als absehbar ist.

Dafür hat Lagarde seinen großen Auftritt - wie es bereits in den vorherigen Bänden der Fall war. Wenn auch diesmal nicht in der Normandie, sondern als Gastspiel im landschaftlich nicht minder beeindruckenden Loiretal. Wie immer bei den Lagarde-Fällen spielt die Landschaft eine zentrale Rolle; sie ist nämlich ein ebenso wichtiger Akteur wie die Figuren. Diesmal wird durch die Schlösser am Flussufer ein ganz besonderer Akzent gesetzt.

Wieder einmal hat der Lagarde-Krimi mich gepackt und so gefesselt, dass ich mich bereits auf den Folgeband freue und große Lust auf einen Urlaub, diesmal nicht in der Normandie, sondern im Loiretal habe. Aber bitte ohne Mord!

Veröffentlicht am 31.05.2019

Weit über ein halbes Menschenleben

Hannah und ihre Brüder
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nämlich fast 60 Jahre - sind vergangen, seitdem Ben das Grauen von Auschwitz hinter sich ließ und fast genauso lange lebt er inzwischen in Chicago.Nun ist er über 80 und beschuldigt einen der bekanntesten ...

nämlich fast 60 Jahre - sind vergangen, seitdem Ben das Grauen von Auschwitz hinter sich ließ und fast genauso lange lebt er inzwischen in Chicago.Nun ist er über 80 und beschuldigt einen der bekanntesten Männer der Stadt, nämlich den reichen Wohltäter Elliot Rosenzweig, ein übler Naziverbrecher zu sein und seine Familie aufs Grausamste hintergangen und ausgeliefert zu haben. Davor waren sie fast Brüder und zwar in Ostpolen, dem Land ihrer Herkunft. Elliot Rosenzweig hieß damals nämlich - so Ben - Otto Piontek, kam aus zerrütteten Familienverhältnissen und wuchs im Haushalt von Bens Eltern, die ihn wie ihre eigenen Kinder behandelten, auf. Bens Anwältin Catherine Lockhart und Liam Taggert, ein erfolgreicher Detektiv, l, haben so ihre Zweifel, aber Ben lässt nicht locker, obwohl sich viele Leute von Rang und Namen gegen ihn und die Ermittler stellen.

Diese Geschichte ging mir durch bis ins Mark und hat mich an für mich maßgebliche, die Augen öffnende und damit bahnbrechende mediale Konfrontationen mit der Verfolgung der Juden wie den Vierteiler "Holocaust", der Ende der 1970er Jahre im deutschen Fernsehen lief oder Spielbergs großartigen Film "Schindlers Liste" aus den 1990ern erinnert, auch wenn die Handlung doch manchmal zu dramatisch wurde und sogar die ein oder andere Räuberpistole enthielt, bspw. begaben sich mehrmals Juden in Naziunform mitten in heftigste Szenarien, was ein wenig rambomäßig rüberkam.

Dennoch: Gerne würde ich diesen Roman jungen Leuten (das sind für mich alle unter 40) zeigen, sie mit der Nase drauf stoßen und sagen: "lest"! Und dann überlegt Euch, ob Ihr zusehen wollt, wie in Europa friedlichen, hilfesuchenden Menschen die Tür vor der Nase zugeknallt wird. So wie in Ostpolen der 1930er und 40er Jahre ist es noch nicht, aber es bewegt sich in die Richtung und das gilt es zu vermeiden. Dieses Buch vermittelt so viel mehr als historische Wahrheiten, es zeigt Menschlichkeit, Mitgefühl, aber auch Mut und Stärke, die aus der Verzweiflung geboren wurde.

Ein Buch über die Kraft der vermeintlich Schwachen - eines, das ich sowohl schockierend als auch ermutigend fand. Geschockt haben mich - obwohl mir als Historikerin hinlänglich bekannt - die individuellen Erlebnisse, die Dramen, die sich unter dem nationalsozialistischen Regime, aber auch in dessen Nachfolge ereigneten. Mut machten mir die Menschen, die trotz Schwäche und Verzweiflung nie aufgaben, auch wenn die Lage noch so hoffnungslos schien.

Ein Buch, das sich schnell wegliest, das man aber dennoch nicht vergisst. Trotz der teilweise zu verwegenen Handlung werde ich diese Geschichte für immer in meiner Erinnerung und in meinem Herzen behalten!

Veröffentlicht am 30.05.2019

Frauen im Fokus

Schneewittchensarg
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In diesem in Schweden spielenden Kriminalroman - dem insgesamt siebten der Reihe des Autorenpaares Roman Voosen und Signe Danielsson - sind die Frauen am Hebel. Sowohl als Opfer wie auch als Ermittelnde. ...

In diesem in Schweden spielenden Kriminalroman - dem insgesamt siebten der Reihe des Autorenpaares Roman Voosen und Signe Danielsson - sind die Frauen am Hebel. Sowohl als Opfer wie auch als Ermittelnde. Denn obwohldas Team um Chefin Ingrid Nyström durchaus auch über männliche Anteile verfügt, stehen als Ermittlerinnen doch vor allem Nyström selbst und die deutsch-schwedische Kommissarin Stina Forss im Fokus der Handlung. Generell sehr unterschiedlich, steht nun auch noch eine aktuelle Begebenheit zwischen ihnen beiden, die keine von ihnen beeinflussen konnte und die alles verändert hat. Und es weiterhin tut.

Das mutmaßliche Opfer hingegen ist eine alte Leiche. Sowohl im direkten als auch im übertragenen Sinne. Aufgefunden als Skelett im Brautkleid, welches schnell identifiziert werden kann - durch den damaligen Bräutigam und Besitzer einer erfolgreichen Glashütte in Smaland Gunnar Gustavsson. Seine Braut Berit verschwand nämlich während der Hochzeitsfeier und tauchte nie wieder auf - wobei die Feier im Sommer 1971 stattfand, die Entdeckung der Leiche hingegen in der Gegenwart. Handelt es sich wirklich um die Leiche von Berit - die Identifizierung durch DNA erscheint unmöglich.

Doch wer könnte es sonst sein - wie auch immer, man ermittelt in alle Richtungen, auch wenn es nicht allzuviele Möglichkeiten zu geben scheint. Schnell finden sich Verdächtige, nicht zuletzt der Bräutigam selbst. Doch auch aktuelle und ehemalige Geschäftspartner kommen in Frage, nicht zu reden von weiteren Akteuren, die nach und nach zum Vorschein kommen. Denn es offenbaren sich so einige Überraschungen - nicht nur in Bezug auf die Braut!

Ich lese diese Reihe sehr gerne und kenne auch viele der vorherigen Fälle. Das deutsch-schwedische Autorenpaar versteht es, atmosphärisch und spannend zugleich zu schreiben, wodurch diese Reihe zu meinen Favoriten aus dem skandinavischen Raum gehört.

Diesmal hat mich ein bisschen gestört, dass es irgendwann auch um den Mord am schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme im Jahr 1986 ging - nein, keine Angst, aufgelöst wurde er nicht, aber es ist nicht auszuschließen, dass dies in künftigen Bänden noch passieren wird. Das war mir dann doch zu viel des Guten. Auch steht das Privatleben des gesamten Ermittlerteams immer stark im Fokus. Im Prinzip habe ich nichts dagegen, aber diesmal wäre weniger definitv mehr gewesen.

Was mich allerdings begeistert hat, war die überraschende Auflösung - logisch und absolut nicht vorhersehbar. Insgesamt also eine ausgesprochen lohnenswerte Lektüre für Freunde skandinavischer Kriminalliteratur!

Veröffentlicht am 22.05.2019

Aristoteles hat seinen eigenen Kopf

Immer dieser Kater!
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Und zwar einen Katzenkopf, denn er ist ein Kater und zwar einer, der genau weiß, was er will. Und das bedeutet, vor allem sein Personal um sich zu scharen, um nach Strich und Faden verwöhnt zu werden. ...

Und zwar einen Katzenkopf, denn er ist ein Kater und zwar einer, der genau weiß, was er will. Und das bedeutet, vor allem sein Personal um sich zu scharen, um nach Strich und Faden verwöhnt zu werden. Allen voran von Anna, der er gehört. Naja, soweit ein Kater jemandem gehören kann - eigentlich ist es ja eher umgekehrt, zumindest nach Aris (so wird er genannt) Ansicht.

Und nun hat Ari besonderen Grund zur Freude, denn das Personal erweitert sich: die Oma zieht zur Familie: nicht nur temporär, nein, sie wird ein Teil von ihr. Und zwar einer mit einem mindestens ebenso starkem Willen wie Ari - wegen ihr wird das Fernsehprogramm umgestellt, Ari darf nicht mehr in die Küche und es gibt noch weitere aus seiner Sicht ausgesprochen unerfreuliche Veränderungen. Denn die Oma hat es nicht so mit Katzen.

Doch nun fährt Annas Familie in Urlaub und die Oma bietet sich an, für Ari zu sorgen. Wirklich? Oder führt sie etwas im Schilde?

Eine nette Geschichte, doch eigentlich geschah nichts allzu Überraschendes - nach der Ankündigung hätte ich mehr erwartet. Was aber nicht bedeutet, dass dieses hübsche Kinderbuch mit niedlichen Bildern nicht lesens- und bestaunenswert ist. Nein, es ist trotz der eher absehbaren Geschichte sehr zu empfehlen für KuK - in diesem Falle lautet die Übersetzung Kinder und Katzenfreunde!

Veröffentlicht am 30.05.2019

Eine Geschichte von Liebe und Finsternis

Nichts weniger als ein Wunder
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Markus Zusak, der Schöpfer der Bücherdiebin, setzt in "Nichts weniger als ein Wunder" anstelle des Todes einen durchaus irdischen Erzähler ein, nämlich Matthew, den ältesten der fünf Dunbar-Brüder. Um ...

Markus Zusak, der Schöpfer der Bücherdiebin, setzt in "Nichts weniger als ein Wunder" anstelle des Todes einen durchaus irdischen Erzähler ein, nämlich Matthew, den ältesten der fünf Dunbar-Brüder. Um sie geht es in diesem Buch, ebensosehr jedoch um ihre Eltern Penny und Michael.

Penny kam aus Polen - wir Leser lernen es nur als Osteuropa kennen und wird erst in den neuen Welt zu Penny. Aus der alten Welt nimmt sie nur die Liebe zu ihrem Vater und zum Klavierspiel mit, alles andere ist ein Neubeginn, zu dem - allerdings erst nach etlichen Jahren auch die Liebe und die Ehe mit Michael Dunbar gehört, der allerdings eine eigene Geschichte hatte.

Fünf Brüder werden geboren, jeder ein ganz eigener Typ. Aus meiner Sicht pflegt Zusak in diesem Buch seinen aus der Bücherdiebin bekannten, fabel- bzw. märchenhaften Stil noch um einiges stärker, aber es kann auch sein, dass er mir stärker ins Auge fällt, weil die Handlung diesmal eine durchaus irdische ist. Es geht um Liebe, aber auch um Trennung, um Vertrauen und Unterstützung und um eine Brücke, die der Vater der Jungen bauen will. Weit weg von ihnen - er bittet sie um Hilfe, doch sie halten sich fern von dem Vater, den sie jetzt Mörder heißen - warum wohl?

Die Zusammenhänge erfährt der Leser in zig Sprüngen und Rückblenden - mir war es schon bald zu umständlich und zu langatmig.

Aber der große Zusak hat mich trotz kleiner Einbrüche zwischendurch gut am Ball halten, rühren und bewegen können, aber dennoch: ich werde jetzt erstmal eine ganze Weile kein Buch von ihm in die Hand nehmen, da ich sonst ganz schnell von seinem ganz speziellen Stil übersättigt wäre, denn kurz davor bin ich schon. Ein eindringliches Buch, das mich trotz Lesefreude an meine Grenzen brachte - fast jedenfalls.

Wenn es den Begriff naive Schriftstellerei gäbe, würde ich Zusak darunter einordnen. So würde ich sagen, er ist für die Literatur das, was Henri Rousseau für die Malerei ist.