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Veröffentlicht am 31.05.2019

Rührend, ehrlich, anders

Solange sie tanzen
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„Die Zeit heilt alle Wunden“

„Solange sie tanzen“ ist ein ungewöhnlicher Liebesroman von Barbara Leciejewski. Er erschien im Mai 2019 im Tinte und Feder Verlag und ist in sich abgeschlossen.
Ada Friedberg ...

„Die Zeit heilt alle Wunden“

„Solange sie tanzen“ ist ein ungewöhnlicher Liebesroman von Barbara Leciejewski. Er erschien im Mai 2019 im Tinte und Feder Verlag und ist in sich abgeschlossen.
Ada Friedberg ist eine alte Dame, die im Leben schon viel erlebt hat. In den 50er Jahren hat sie ihre große und einzige Liebe Hans kennengelernt, nun, über 50 Jahre später, ist Hand tot und was bleibt der energischen und lebensfrohen Ada noch vom Leben, während sie langsam vergesslicher wird? Ihre Erinnerungen, ihre Kinder und Enkelkinder, ihr Hund Hemingway, der ihrem Leben eine feste Struktur gibt und natürlich die Nachbarn und Freunde, ganz besonders die jungen Leute, die in das alte Haus eingezogen sind, welches Ada und Hans schon immer bewundert haben. Während die jungen Leute jeden Abend tanzen, beobachtet Ada sie mit dem Fernglas und solange die jungen Leute tanzen dreht sich Adas Welt weiter…

Barbara Leciejewski schreibt mit „Solange sie tanzen“ einen ungewöhnlichen Liebesroman. Ada Friedberg ist mittlerweile über 80 und hat ihr Leben stets so gelebt, wie sie es wollte. Ihr Motto dabei war: „[…] wenn man immer von Vernunft gebremst wird, verpasst man etwas im Leben.“ Mit Anfang 20 lernte sie ihren Mann Hans kennen, entgegen dem Willen der Eltern, heirateten die beiden und führten ein gemeinsames Leben, dass meistens dem Bild entsprach, das sich beide für sich gewünscht hatten. Natürlich gibt es in einer Ehe gute und schlechte Zeiten und auch bei Ada und Hans kehrte irgendwann ein eher ungeliebter Alltag ein, in welchem das Miteinander manchmal auf der Strecke blieb. Trotzdem blieben die Liebe und die Zuneigung zwischen den beiden stets bestehen und nun, da Hans nicht mehr lebt, blickt Ada sehnsuchtsvoll auf die gemeinsamen Momente zurück…
Diese Momente sind jene, an die sie sich genau erinnern kann. Glückliche Momente der Vergangenheit, der Jugend, der Zeit als Eltern, der Zeit als Großeltern. Nur die gerade geschehenen Momente scheinen mehr und mehr zu verblassen, die Tage verschwimmen und nur ihr Boxer Hemingway gibt dem Alltag von Ada Struktur.
Im Verlauf der Geschichte nimmt Adas Verwirrtheit zu und aus der offensichtlich gut im Alltag zurechtkommenden Dame wird eine eher zerstreute Frau, die Hilfe benötigt. Die Autorin schafft es mit einem bewegenden Schreibstil, dem Leser den gesundheitlichen Verfall der Dame nahe zu bringen und ihre eigene Angst vor dem Vergessen zu vermitteln. Der Roman berührt sehr und ist wirklich ergreifend.
Ada ist eine liebenswerte und sympathische alte Dame, gleichzeitig war sie immer eine starke und selbstbewusste Frau. Sie hat eine große Lebensweisheit und ist auch im Alter nicht verbittert, sondern sehr offengeblieben. Der Leser begleitet Ada ein Stück ihres Lebenswegs und erfährt durch Rückblicke und Erzählungen aus Adas Perspektive, wie ihr Leben bis zu diesem Punkt verlief. Hierbei wird deutlich, mit welcher Intensität Ada das Leben liebt und wie sehr sie ihren Hans geliebt hat. „In guten wie in schlechten Zeiten“ traf auf diese Beziehung eindeutig zu und es war wunderschön zu lesen, wie eine so lange Beziehung immer so harmonisch und liebevoll bleiben kann.
Auch die Nebenfiguren sind liebevoll beschrieben und authentisch dargestellt, sodass sie einem direkt sympathisch oder eben unsympathisch sind. Eine Hausgemeinschaft wie die in Adas Wohngebäude ist eigentlich sehr wünschenswert. Eine solche Hilfe und Unterstützung wünscht sich eigentlich jeder in unser doch anonymen Zeit…
Die Idee des Buches ist durchaus originell. Der Leser liest nicht nur davon, wie Hans und Ada sich kennenlernen und verlieben, sondern beginnt am Ende der Beziehung und erhält so eine völlig andere Sicht als in anderen Liebesromanen. Er reflektiert das Leben von Ada und zeigt auf, dass man sein Leben so gestalten sollte, wie man es sich selber wünscht, nicht so, wie andere es sich wünschen. Auch wird deutlich, dass sich nicht immer alles planen lässt und gewisse Dinge einfach unvorhergesehen passieren und doch schön sein können, wenn man sie zulässt und annimmt.
Das Thema Demenz wird großartig in den Roman integriert und verpackt, jeder der vielleicht jemanden mit dieser Erkrankung kennt, fragt sich, was währenddessen im Kopf der anderen Person vorgeht und überlegt, wie viel man selber wohl von den Erinnerungslücken mitbekommt. Wenn es zutrifft, dass die Erkrankung sich so darstellt wie bei Ada, dann habe ich großes Mitleid mit diesen Menschen. Sie merken, dass sie die Dinge vergessen und verspüren eine große Unsicherheit, da sie durchaus begreifen, was mit ihnen geschieht. Einfache Dinge werden plötzlich Herausforderungen und das normale Leben wird nahezu unmöglich.
Der Titel des Buches ist großartig gewählt und wird ebenso gut aufgeriffen. Das Tanzen hat in Adas Leben immer eine große Rolle gespielt, sie und Hans haben viel miteinander getanzt. Das junge Paar in dem alten Haus erinnert Ada an diese Zeit und gibt ihr eine innere Ruhe, die ihr manchmal fehlt, wenn die Gedanken kreisen. „Solange sie tanzen“ ist demnach alles in Ordnung.

Mein Fazit: Ein Frauenroman mit einer tollen Idee und gewaltigen Umsetzung. Ein etwas anderer Liebesroman, der nicht unbedingt die Leserinnen in meinem Alter anspricht, sondern vielleicht eher an etwas ältere Leserinnen gerichtet ist. Er zeigt viel Herz und Gefühl und auch mich hat er dazu gebracht über das nachzudenken, was man eigentlich im Leben erreichen möchte und auf welche Zeit ich wohl in 50 Jahren gerne zurückblicke… Mehr als einmal musste ich schlucken und über das gelesene nachdenken.
Ich vergebe 5 von 5 Sternen für einen zu Herzen gehenden Roman!

Veröffentlicht am 22.05.2019

Witzig, berührend, emotional

Glück ist meine Lieblingsfarbe
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„Herz öffnen, statt Kopf zerbrechen“

„Glück ist meine Lieblingsfarbe“ ist ein Roman von Kristina Günak. Er erscheint am 31. Mai 2019 im Bastei Lübbe Verlag und ist in sich abgeschlossen.
Juli ist Mitte ...

„Herz öffnen, statt Kopf zerbrechen“

„Glück ist meine Lieblingsfarbe“ ist ein Roman von Kristina Günak. Er erscheint am 31. Mai 2019 im Bastei Lübbe Verlag und ist in sich abgeschlossen.
Juli ist Mitte 30 und hat nach Ansicht ihrer Eltern noch „nichts erreicht“ in ihrem Leben. Vor ein paar Monaten hat sie ihren gut bezahlten Job als Teamleiterin in einer Versicherung gekündigt und ist mit einem One-Way-Ticket nach La Palma geflogen. Hier lebt sie nun und hält sich mit kleineren Jobs und ihrem Ersparten über Wasser. Zu sich selbst finden, Ziele setzen, das Leben neu strukturieren ist das, was Juli sich während ihrer Zeit auf der Insel vorgenommen hat. Schnell findet sie Anschluss und wird liebevoll in den Kreis der Inselbewohner aufgenommen. Bei einer Feier lernt sie dann den unnahbar wirkenden Quinn kennen und bemerkt, dass er sehr anziehend und interessant auf sie wirkt. Verlieben möchte sich Juli aber auf keinen Fall! Als dann aber ein hilfloser Vierbeiner Julis Leben gehörig durcheinander wirbelt, beginnen sich ihre Lebenskarten neu zu mischen und Juli beginnt zu erkennen, worauf es ihr im Leben ankommt.

„Glück ist meine Lieblingsfarbe“ hat mich berührt, bewegt, zum Lachen und fast auch zum Weinen gebracht. Kristina Günak beschreibt so wundervoll, wie es einem ergehen kann, wenn man plötzlich die gesellschaftlichen Normen und Werte nicht mehr erfüllen kann und will. Wenn man den gut bezahlten „Traumjob“ aufgibt und einfach ausbricht. Ich kann mir kaum vorstellen, wie viel Mut dieser Schritt erfordert. Für sich selbst entscheiden, egal ob die Familie zu einem hält oder nicht, egal was Freunde raten oder denken. Zu sich selbst finden und zur Ruhe kommen.
Die Protagonistin Juli ist eine unglaublich sympathische und offene Frau. Sie liebt es mit Leuten zu sprechen und hat für jedes Problem ein offenes Ohr. Sie ist beliebt und für die Menschen da. Ebenso verhält es sich mit Tieren. Juli ist ein Hundemensch und kennt sich auf diesem Gebiet unglaublich gut aus. Nur einen eigenen, den traut sie sich nicht zu. Ihre Selbstzweifel sind zu groß und lassen es nicht zu, dass sie Verantwortung für ein lebendiges Wesen übernimmt. Erst während ihrer Zeit auf der Insel und als das Schicksal ihr keine Wahl mehr lässt, kann Juli sich auf einen eigenen Hund einlassen. Insgesamt entwickelt sich Juli während des Romans. Zu Beginn ist sie unsicher und zweifelt sehr an sich selbst. Sie stellt ihr Leben in Frage, lässt sich von ihren Eltern schlechtreden und traut sich wenig zu. Nach und nach beginnt sie aber festzustellen, was sie will, was ihr wichtig ist und worauf es ihr im Leben ankommt. Gesellschaftliche Normen können für einen selber gelten, müssen es aber nicht. So schafft sie es später auch, ihren Eltern ausdrücklich zu verstehen zu geben, dass sie eine Entscheidung für sich selber getroffen hat und von dieser nicht zurückweichen wird.
Auch Quinn ist liebevoll gezeichnet und dargestellt. Anfangs abweichend und unnahbar, beginnt er seine Masken fallen zu lassen und seine Mauern abzubauen, sodass Juli den wahren Quinn kennenlernen kann.
Die Palmeros sind mit ihrem südländischen Temperament und Engagement großartig beschrieben und brachten mich immer wieder zum Schmunzeln. Ebenso Julis bester, schwuler Freund hat mir beim Lesen regelmäßig ein Lächeln aufs Gesicht gezeichnet.
Der Schreibstil der Autorin ist wunderbar. Die Geschichte liest sich flüssig und einnehmend. Immer wieder wechseln sich locker leichte Passagen mit ernsten und nachdenklichen Passagen ab. Die Mischung erzeugt einen unglaublichen Charme, der von dem Roman ausgeht. Er zeigt auf, dass Zweifel zu jedem Lebensabschnitt dazugehören, dass man nicht den gesellschaftlichen Regeln folgen muss und dass man im Leben wert auf das legen muss, was einem selbst wichtig ist. Manchmal findet man das Schicksal aber nicht in seiner Komfortzone. Man muss manchmal aus ihr ausbrechen, um zu erkennen, was einem wichtig ist, um zu lernen, wie man mit der Vergangenheit umgeht, wie man Verantwortung übernimmt.
Begeistert hat mich außerdem, dass Kristina Günak die große Liebe zu Hunden in den Roman einfließen lässt. Hierdurch konnte ich noch leichter einen Zugang zur Protagonistin finden und muss sagen, dass Julis Umgang mit den Tieren hier von einer sehr guten Sachkenntnis in Sachen Hundeerziehung und -verhalten die Rede ist!
Zusätzlich taucht dann in einem kleinen Nebensatz noch meine Heimatstadt Lübeck auf. Danke dafür! ?

Mein Fazit: Der Roman hat mir Lese-Herzmomente beschert. Ich habe gelacht und fast geweint. Ich bin in der Geschichte versunken und habe mich unglaublich gut mit Juli identifizieren können. Nicht immer läuft alles im Leben nach Plan. Manchmal muss man vom Weg abweichen, um den richtigen Weg wiederzufinden; dem Herzen folgen und nicht immer nur den Verstand befragen. Ich vergebe ganz klar 5 von 5 Sternen und bin unglaublich froh, den Roman durch Zufall in der #netgalleydechallenge gefunden zu haben!

Veröffentlicht am 20.05.2019

Tragisch. Faszinierend. Grausam.

So schöne Lügen
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„Es heißt ja, wenn man in New York bis dreißig nichts erreicht hat, erreicht man nie etwas.“

„So schöne Lügen“ ist ein Roman von Tara Isabella Burton und in sich abgeschlossen.
Louise ist 29 und lebt ...

„Es heißt ja, wenn man in New York bis dreißig nichts erreicht hat, erreicht man nie etwas.“

„So schöne Lügen“ ist ein Roman von Tara Isabella Burton und in sich abgeschlossen.
Louise ist 29 und lebt in New York. Sie wollte dorthin, ist aus der Enge ihres Heimatortes geflohen, wollte „jemand“ werden. Schriftstellerin. Doch irgendwann zwischen einem ihrer eher schlechtbezahlten Jobs, hat sie selbst den Wunsch danach verloren. Sie hat keine Energie zum Schreiben und lebt nur, um genug Geld zu verdienen, damit sie sich über Wasser halten kann. Über einen Nachhilfejob lernt sie die junge, reiche und hübsche Lavinia kennen und gerät sofort in deren Bann. Lavinia lebt das Leben der Reichen und Schönen, von dem Louise träumt und sie darf es mit leben – solange sie Lavinias Meinung zustimmt.

„So schöne Lügen“ ist ein Roman der den Leser in einen Bann zieht. Die 29-jährige Louise hat eigentlich ihre Träume verloren. Sie hat erkannt, wie die harte Wirklichlichkeit des Lebens aussieht. Sie kann damit umgehen. Irgendwie schafft sie es, hat sie es immer geschafft. Trotzdem sehnt sie sich innerlich nach mehr. Nach mehr Geld, nach mehr Freundschaft, mehr Liebe, Einzigartigkeit, Anerkennung und Beachtung, die innere Uhr tickt. Bald wird sie dreißig und hat damit das Alter erreicht, in dem man in New York verloren hat. Alles was Louise sich wünscht hat Lavinia. Sie ist jung, sie hat Geld wie Heu, sie ist überall beliebt, sie sieht gut aus und lebt ihr Leben so, wie sie es eben möchte. Dabei schafft sie es, die Menschen um sich herum von sich selbst zu überzeugen. Sie hat dieses gewisse Etwas. Eigentlich ist sie von „allem zu viel“, aber trotzdem wirkt sie anziehend, man will von ihr gemocht werden. Ebenso geht es auch Louise, um jeden Preis, möchte sie als Freundin an Lavinias großzügiger Seite bleiben. Zusammen tauchen sie ab in eine Welt der Reichen, eine Welt voll exklusiver Partys, Alkohol, Drogen. Doch eigentlich kann Louise sich dieses Leben nicht leisten. Zum Glück zahlt meistens Lavinia… Trotzdem ist Louise ständig pleite, sie beginnt ein Netz von Lügen zu spinnen, in dem sie sich mehr und mehr selbst verfängt und verliert. Belügt sie nur die anderen? Oder auch schon sich selbst? Wird es einen sanften Weg aus der Lügenfalle geben oder hat nur ein tragisches Ende die Kraft die Abwärtsspirale von Louise zu stoppen?
Durch den allwissenden Erzähler, der hier und da Andeutungen, Vorhersagen und Bewertungen über die Figuren und vor allem über Louises Handeln fallen lässt, weiß der Leser früh mehr, als die Romanfiguren. Trotzdem bleibt es spannend bis zum Schluss. Fesselnd und mit einer Prise schwarzem Humor, der besonders durch die bissigen Kommentare des Erzählers zum Vorschein tritt, beschreibt Tara Isabella Burton, wie Louises Einstieg in Lavinias Leben beginnt. Sie berichtet von zerstörerischer Freundschaft, von scheinbaren Notlügen und angeblich notwendigem Diebstahl. Ungewollt beginnt man sich zu fragen: Wo fängt Abhängigkeit an? Wo hört Freundschaft auf? Und welche Rolle spielt die Liebe im Wechselbad der Gefühle? Wer ist wirklich so naiv und lässt sich innerhalb weniger Stunden vollständig auf die Freundschaft mit einer völlig Fremden ein? Einer Fremden, die eigentlich nur selten private Dinge von sich preisgibt? Oder gibt es einen Plan, der hinter diesem scheinbaren Freundschaftswunsch steht? Berechnung? Kalkül? Sexuelle Anziehung?
Die Figuren sind großartig gezeichnet. Ein wenig überspitzt, aber so klar und einmalig. Lavinia, die ihren Charme versprüht, exzentrisch, laut auffällig. Eine junge Frau, bei der man nicht weiß, ob man sie beschützen muss oder sich von ihr beschützen lassen soll. Eine Frau, deren Motive bis zum Schluss nicht eindeutig sind.
Louise, die deutlich mehr verbirgt, als man glaubt. Die Geheimnisse hütet und einen Teil ihres Wesens vor allen, auch vor sich selbst, zu verbergen versucht. Sie wirkt so normal und unschuldig – ein Opfer der heutigen so schnellen und materiellen Gesellschaft. Aber ist sie das wirklich? Oder trügt auch hier der Schein?
Die Spannung war das ganze Buch über hoch, zunächst war gänzlich unklar, worauf die Handlung hinauslaufen würde. Der klassische Spannungsbogen wurde an der Hälfte des Buches erreicht, doch auch danach geschah noch so viel mehr. Jedes Ereignis für sich war schockierend oder mindestens überraschend. Auf eine Lüge folgt die nächste Lüge und der Leser fragt sich unweigerlich, wann das Kartenhaus denn endlich einstürzt. Und vor allem: Wie laut wird es einstürzen? Welchen Schaden wird es anrichten und bei wem? Oder könnte es sogar halten?
Zu der großartigen Geschichte kommt das wunderschöne Cover, es funkelt und glänzt und gibt eine Vorahnung auf die Welt des Glitzers und des schönen Scheins. Nicht alles was glänzt ist Gold, doch hier passt das Cover einfach hervorragend zum Inhalt. In doppelter Hinsicht! Der Inhalt ist großartig und doch geht es um den Schein, den man in der Gesellschaft der Reichen und Schönen aufrecht erhalten muss.

Mein Fazit: „So schöne Lügen“ ist ein großartiger Roman über toxische Freundschaften und Beziehungen. Er zeigt, wie sehr Menschen in den Bann anderer Menschen geraten können und wie sehr sie sich in ihr eigenes Verderben stürzen können. Dabei könnten sie sich aus der ungesunden Freundschaft herausziehen, doch der eigene Drang nach Bestätigung, nach Anerkennung und Liebe, hindert sie daran.
Mich hat die Geschichte berührt, beängstigt, schockiert und überrascht. Ich vergebe 5 von 5 Sternen für einen Roman, den ich nicht Recht in ein klassisches Buchgenre einordnen kann. Ich kann ihn auch nicht direkt einer Lesergruppe empfehlen, aber ich kann sagen: Wenn euch die Leseprobe anspricht, dann lest das Buch! Es wird sich lohnen, es wird euch fesseln und nicht mehr loslassen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Spannung
  • Figuren
Veröffentlicht am 18.05.2019

Sinnlich, heiß, sexy

Up All Night
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„‘Du würdest echt deine Gefühle verleugnen, damit sie glücklich ist?‘ […] ‚Das tue ich schon mein Leben lang. […]‘“

„Up All Night“ ist der erste Band der „Up-All-Night-Reihe“ von April Dawson. Er erschien ...

„‘Du würdest echt deine Gefühle verleugnen, damit sie glücklich ist?‘ […] ‚Das tue ich schon mein Leben lang. […]‘“

„Up All Night“ ist der erste Band der „Up-All-Night-Reihe“ von April Dawson. Er erschien im April 2019 im Lyx-Verlag.
Taylor Jensen ist sich sicher: Einen Mann lässt sie so schnell nicht mehr an sich heran! Nachdem sie an einem Tag, wohl der schlimmste Tag in ihrem Leben, nicht nur ihren Job und ihr Auto verliert, erwischt sie zu allem Überfluss auch noch ihren Freund in flagranti mit der Nachbarin im Bett. Hals über Kopf flüchtet sie aus der Wohnung und läuft auf der Straße zufällig in die Arme ihres Schulfreundes Daniel. Diesen hat sie seit der Schulzeit aus den Augen verloren, trotzdem ist das damalige gegenseitige Vertrauen sofort wieder präsent. Als Daniel Taylor ein Zimmer in seiner WG anbietet, ist sie zunächst skeptisch, hat sie doch gerade beschlossen, keine Nähe zu einem Mann zuzulassen. Und Daniel ist… heiß!
Dann versichert Daniel ihr aber, auf Männer zu stehen und Taylor zieht dankbar in das WG-Zimmer ein. Mit ihren neuen Mitbewohnern beginnt Taylor das Leben in vollen Zügen zu genießen, die Beziehung zu Daniel entwickelt sich langsam wieder zu der Freundschaft, die sie einmal war, doch manchmal gibt es Situationen, die Taylor nicht einordnen kann. Warum fühlt sie sich plötzlich zu Daniel hingezogen? Mehr als Freundschaft kann und darf es ja einfach nicht sein… oder?

„Up All Night“ ist ein Liebesroman mit sehr sinnlichen und erotischen Szenen. Die Handlung ist aus der Ich-Perspektive geschrieben, welche zwischen den Protagonisten Taylor und Daniel wechselt. Dieser Schreibstil ermöglicht einen wundervollen Einblick in die Gedanken, Gefühle und Zweifel der beiden. Diese Darstellung wird dadurch verstärkt, dass die Autorin im Wechsel der Perspektiven manche Szenen doppelt anschneidet, sodass man die jeweilige Szene aus dem Blickwinkel beider Hauptfiguren betrachten kann, die Geschehnisse sich aber nicht direkt doppeln, sondern beim Perspektivwechsel nur kurz erneut zusammengefasst werden. Dies führt zu einem besseren Verständnis der Figuren und lässt den Leser noch besser in die Welt von Daniel und Taylor eintauchen.
Taylor ist eine tolle Frau. Sie hat ein entschlossenes und selbstbewusstes Auftreten, zeigt aber an den richtigen Stellen, dass sie auch eine andere Seite hat. An den richtigen Stellen lässt sie es zu, dass ihre Gefühle sie übermannen und auch ihre Unsicherheit verbirgt sie nicht, wenn sie mit Daniel zusammen ist. Sie hat eine offene, ehrliche und freundliche Art und zieht einen damit in ihren Bann. Durch ihr angenehmes Auftreten findet sie auch in der WG schnell Anklang und wird mehr und mehr ein Teil der Wohngemeinschaft, die mehr eine Familie, als eine Zweckgemeinschaft ist.
Auch Daniel ist absolut sympathisch. Er ist äußerlich ein klassischer Bad Boy: gutaussehend, trainiert, selbstsicher. Bei seinen Freunden und Freundinnen allerdings ist er das genaue Gegenteil. Man kann sich auf ihn verlassen, er ist für einen da und kümmert sich um die, die ihn am Herzen liegen – im Zweifel auch gegen sein eigenes Wohl. Dies erkennt und schätzt auch Taylor an ihm, für sie war er schon immer der beste Freund, den es auf der gesamten Welt geben kann. Für Gefühle ist kein Raum und eine Beziehung kommt sowieso nicht in Frage, denn erstens würde dadurch die Freundschaft womöglich gefährdet werden und zum anderen ist Daniel nun einmal schwul…
Ebenso liebevoll und authentisch sind die Freunde und Freundinnen von Tylor und Daniel. Niemand, außer Taylors Exfreund Robb, ist extrem unsympathisch. Lediglich Taylors besten Freundinnen spielen für meinen Geschmack eine zu kleine Rolle im Roman. Sie tauchen nur an einigen wenigen Stellen auf, während Daniels Freunde viel präsenter zu sein scheinen. Dies finde ich ein bisschen schade, denn Freundschaften sind so unglaublich wichtig und sollten durch eine Beziehung oder neue Lebensumstände nicht vernachlässigt werden.

Der Roman war wunderschön, mit viel Charme und einigen witzigen Szenen beschrieben. Ich konnte ihn nur schlecht aus der Hand legen und wurde regelrecht in die Geschichte von Taylor und Daniel eingesogen. April Dawson gelingt es, eine ansprechende Verknüpfung von Erotik und Leidenschaft mit Freundschaft und Vertrauen herzustellen. Die Beziehung von Daniel und Taylor ist etwas Besonderes, das „mehr“ werden könnte. Hierbei bekommen die erotischen Szenen zwar einen gesunden Raum, sind aber trotzdem nicht zu präsent.
Neben dem Hauptthema, der Freundschaft zwischen Daniel und Taylor wird im Roman ebenso geschickt das Thema der Homosexualität aufgegriffen und thematisiert. Dies passiert ebenfalls in einem nicht zu aufdringlichen Rahmen, die dezente Andeutung gelingt aber, sodass man sich mit dem Thema weiter auseinandersetzen kann, aber nicht muss.
Der Roman an sich hebt sich in diesem Buchgenre nicht außerordentlich von anderen Büchern ab. Dies macht ihn aber nicht weniger attraktiv, denn Liebesromane sind eben Liebesromane und neue Konflikte sind nur schwer zu konstruieren.

Mein Fazit: Ein Liebesroman mit unglaublich viel Gefühl und Leidenschaft, einem lockeren und witzigen Schreibstil und einer Intensität, die den Leser einsaugt. Ich habe die Spannung zwischen den Hauptfiguren nahezu knistern hören und bin begeistert von der Romantik und der liebevollen Atmosphäre die übertragen wird. Mal wieder ein Roman, in dem ich mich mit meiner romantischen und kitschigen Seite verlieren konnte… <3 Ich vergebe 5 von 5 Sternen und freue mich unglaublich auf die Fortsetzung von „Up All Night“, denn das Ende von diesem Band gibt ja schon eine Idee darauf, wie es weitergehen könnte.

Veröffentlicht am 15.05.2019

Ein historischer Roman der anderen Art

Hannah und ihre Brüder
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„Nie aufgeben!“

„Hannah und ihre Brüder“ ist ein historischer Roman von Ronald H. Balson, übersetzt von Gabriele Weber-Jaric. Er erscheint am 17.05.2019 im Aufbau-Verlag und ist in sich abgeschlossen. ...

„Nie aufgeben!“

„Hannah und ihre Brüder“ ist ein historischer Roman von Ronald H. Balson, übersetzt von Gabriele Weber-Jaric. Er erscheint am 17.05.2019 im Aufbau-Verlag und ist in sich abgeschlossen. Er ist aber gleichzeitig der Auftakt zu einer Buchreihe um den Privatdetektiv Liam Taggart und die Anwältin Catherine Lockhardt.
Ben Solomon ist Jude. Er hat den Nationalsozialismus überlebt, ebenso seine Frau Hannah, aber niemand ihrer Familienangehörigen. Schwer lastet die vergangene Zeit auf ihnen, denn nicht nur die Grausamkeit an sich und den Millionen anderen Juden durch die Nationalsozialisten mussten sie ertragen, sondern zusätzlich den Verrat ihrer Familien durch Bens besten Freund Otto, der einst wie ein Bruder für ihn war.
Als Ben im Jahr 2004 durch einen Zufall erkennt, dass sein alter Freund Otto einer der geachtetsten Männer Chicago ist und sich als Jude ausgibt, beschließt er, ihn öffentlich als SS-Offizier zu beschuldigen. Aber ist Ben tatsächlich im Recht? Oder spielt seine Erinnerung ihm einen Streich und es liegt eine Verwechslung vor?
Mithilfe des Privatdetektivs Liam Taggart und der Anwältin Catherine Lockhardt begibt Ben sich auf eine nervenzehrende Beweissuche in die Vergangenheit.

„Hannah und ihre Brüder“ ist ein bemerkenswerter historischer Roman zu einem recht häufig aufgegriffenen Thema. Ronald H. Balson vermittelt zum einen eine Sicht auf die Judenverfolgung in Polen, von der ich bisher noch nicht viel gelesen habe, zum anderen zeigt er, dass diese Verbrechen nicht verjähren und niemals vergessen werden dürfen. Mich schockiert es immer wieder zu hören, was damals passiert ist und die Frage „Wie kann so etwas bloß passieren?“ beschäftigte mich beim Lesen permanent.
Im Roman wird die Verfolgung der Juden in Polen geschickt in eine Spurensuche in der Gegenwart eingewebt. Ben Solomon ist sich sicher, dass Elliot Rosenzweig nicht der ist, als der er sich ausgibt. Er ist kein vertriebener und verfolgter Jude aus Polen, sondern ein ehemaliger SS-Offizier, der entscheidend zur Judenverfolgung beigetragen hat. Die Beweislage für diese Beschuldigung allerdings ist dürftig und eine Klage gegen ein hoch angesehenes Mitglied der Gesellschaft nicht unbedingt leicht. Trotzdem beschließen Liam Taggart und Catherine Lockhardt sich auf die Suche nach der Wahrheit zu begeben und Ben zu helfen. Gemeinsam arbeiten sie Bens Vergangenheit auf und erfahren so aus direkter Quelle, wie es war, zur Zeit des Nationalsozialismus als Jude zu leben. Ein qualvoller und unglaublich schrecklicher Bericht aus Bens Erinnerung legt dar, was für Gräueltaten die Juden ertragen mussten. Schritt für Schritt arbeiten sie auf, was Ben erlebt hat und weswegen er sich sicher ist, dass Elliot Rosenzweig in Wirklichkeit Otto ist.
Die Gegenwart wird dabei geschickt um die Vergangenheit herumgebaut. Die Vergangenheit ist als Erzählung von Ben dargestellt und erfolgt somit immer aus der Ich-Perspektive. Diese Perspektive in der Vergangenheit ermöglicht die Schilderung von Gefühlen und Gedanken, aus direkter Sicht des jungen Bens. Sie bringt sehr nahe, was ihm zugestoßen ist und was er erleiden musste.
Die Gegenwart hingegen wird mittels des personalen Erzählers beschrieben, die Perspektive wechselt klassisch zwischen den Figuren hin und her.
Durch die Trennung der Erzählperspektiven ist immer klar, in welcher Zeit der Leser sich befindet und ermöglicht eine einfachere Orientierung in der Geschichte.
Bens Bericht wird immer wieder durch den Sprung in die Gegenwart unterbrochen. Dies ermöglicht sowohl dem Leser, als auch der Anwältin eine Pause von den schrecklichen Ereignissen des Nationalsozialismus.
Ich lese viel und gerne diese Art der Romane. Der Zugang zur Geschichte ist in Form eines Romans einfacher, als in Form von Geschichtsbüchern oder Zeitungsartikeln. Der Bezug ist einfach leichter, die Vorstellung bildlicher. Ronald H. Balsons Roman ist aber etwas Besonderes, er weicht ab von einem klassischen historischen Roman und stellt nicht die Vergangenheit in den Vordergrund, sondern die Gegenwart. Die Judenverfolgung ist zwar Hauptthema des Buches, der Hauptkonflikt ist aber die Frage, ob Elliot Rosenzweig wirklich ein NS-Verbrecher ist, oder ob eine Verwechslung vorliegt. Dieser Frage wird effektiv nachgegangen, die Spannung bei den Ermittlungen kommt in keinem Fall zu kurz. Dieses wird unterstrichen durch die Aufteilung des Romans in drei Teile. Die Vergangenheit wird hauptsächlich im zweiten Buchdrittel beschrieben, während die Gegenwart überall ihren Platz findet.
Heimliche Hauptfigur des Buches ist für mich die sympathische Anwältin Catherine. Zu Beginn des Romans ist sie unsicher und zu stark durch ihre eigene Vergangenheit gehemmt. Nach und nach gewinnt sie aber ihr altes Selbstbewusstsein zurück und entwickelt sich wieder zu der fähigen und gewissenhaften Anwältin, die sie einmal war.
Gefallen hat mir außerdem, dass die Judenverfolgung nicht, wie häufig, in Deutschland beschrieben wurde, sondern die Hauptfiguren des Romans aus Polen stammten. Dieser Teil der Geschichte war für mich neu und bot somit einen weiteren Blickwinkel auf die Zeit von Adolf Hitler…
Der deutsche Buchtitel hingegen ist für mich nicht glücklich gewählt. Der Titel „Hannah und ihre Brüder“ stellt Bens Frau Hannah sehr in den Vordergrund. Letztlich hat Hannah aber nur eine Nebenrolle im Roman. Sie tritt in Bens Erzählung als seine Ehefrau auf und war die Liebe seines Lebens. Sie ist daher unzweifelhaft wichtig, aber nicht so zentral, dass sie für mich im Titel auftauchen müsste. Der Originaltitel „Once we were brothers“, passt für mich deutlich besser zur Handlung, da er einen Ausblick darauf gibt, dass Ben durch seinen besten Freund verraten wurde.

Mein Fazit: Dieser Roman hat mich begeistert, verstört, fasziniert und schockiert. Er hebt sich durch die Art der Erzählung von vergleichbarer Literatur ab und fasziniert durch den flüssigen Schreibstil und seine starken Charaktere. Ich vergebe 5 von 5 Sternen und empfehle ihn jedem Liebhaber von historischen Romanen.