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Veröffentlicht am 23.05.2019

Ein nationalistischer Dichter als Staatschef - ein Experiment

Die Kommune der Faschisten
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Anlässlich der 100-jährigen Wiederkehr des Staatsstreiches im März 1919 und der Ausrufung des Freistaates Fiume im September 1919 bringt der WBG-Theiss-Verlag ein vom Journalisten Kersten Knipp geschriebenes, ...

Anlässlich der 100-jährigen Wiederkehr des Staatsstreiches im März 1919 und der Ausrufung des Freistaates Fiume im September 1919 bringt der WBG-Theiss-Verlag ein vom Journalisten Kersten Knipp geschriebenes, interessantes Buch heraus.

Worum geht’s?

Ursprünglich 1719 (da ist wieder ein runder Geburtstag) ein Freihafen, verliert die Stadt mehrfach ihre Freiheit und wird zum Spielball verschiedener Mächte. Bis 1918 gehört Fiume (heute Rijeka) zur Donaumonarchie. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Zerfall von Österreich-Ungarn entzündet sich an der Hafenstadt ein internationaler Konflikt. Italien besteht darauf die Hafenstadt zu erhalten, genauso wie das neu gegründete Königreich Jugoslawien.

Meine Meinung:

Wie es zur Errichtung der Marionettenrepublik Fiume gekommen ist, kann man auf gerade einmal 90 Seiten, nämlich in den Kapiteln 1, 7 und 8 dieses Buches nachlesen. Die anderen Kapitel (6 von 9) handeln hauptsächlich von einer exzentrischen Figur dieser Zeit: Gabriele D’Annunzio.

Als Sohn des reichen Landwirtes Francesco Rapagnetta-D’Annunzio 1863 geboren, entwickelt sich Gabriele zu einem Dandy und nationalistischen Dichter. Seine patriotischen Aufrufe in Theaterstücken und Gedichten haben maßgeblichen Anteil am Kriegseintritt Italiens 1915 gegen Österreich-Ungarn und Deutschland. Die Entente (also England und Frankreich) hat dem verarmten und rückständigen Königreich Italien mit allerlei Versprechungen (unter anderem Gebietszuwächse wie Südtirol, Istrien etc.) gelockt.
D‘Annunzio selbst ist für den regulären Kriegsdienst schon zu alt, lässt es sich aber nicht nehmen, in schmucker Flieger-Uniform quasi als „Tourist“ am Krieg teilzunehmen. Als besonders waghalsig gilt sein Flug nach Wien, wo er, unbehelligt von der österreichischen Luftabwehr, über der Innenstadt Flugzettel abwerfen konnte.
D’Annunzio stilisiert sich selbst zum Kriegshelden empor, macht ohne strategisches Gespür mit Benito Mussolini gemeinsame Sache, bis sich die beiden zerstreiten.

Die große Schwäche dieses Buches ist es, dass es sich hauptsächlich mit Gabriele D’Annunzio und einigen seiner Zeitgenossen befasst. Natürlich ist der Exzentriker eine schillernde Figur, die es lohnt, näher zu betrachtet zu werden. Trotzdem hätte ich gerne mehr über die Republik Fiume als Auszüge aus D’Annunzios Werken gelesen.

Vielleicht hätte man nur einen anderen Titel wählen müssen, so haben sich meine Erwartungen nicht ganz erfüllt. Im Allgemeinen zeichnet sich der Verlag durch griffige Titel aus.

Mit dem Begriff „Kommune“ verbindet man einerseits die lokale Gebietskörperschaft und andererseits eine Lebensform von Künstlern wie z.B. die Otto-Mühl-Kommune. Man rechnet diese Art des Zusammenlebens eher dem linken als dem rechten politischen Spektrum zu. In diesem Buch ist der Begriff „Kommune“ mehrdeutig. Zwar gibt es eine Regierung, mit D’Annunzio als Staatsoberhaupt. Die Verfassung, die „Carta del Carnaro“ stammt zum großen Teil von D’Annunzio. Andererseits leben die Angehörigen rund 15 Monate im gesellschaftlichen Chaos.

Sex und Drogen beherrschen die Menschen, bis der Grenzvertrag von Rapallo 1920 dem Spuk ein Ende macht. D’Annunzio erkennt diesen Vertrag nicht an und erklärt Italien den Krieg. Das das nicht gut ausgehen kann ist klar. Wenig später werden Mussolini und seine Faschisten die Herrschaft in Italien übernehmen. Der Freistaat Fiume wird noch bis 1924 Bestand haben. Heute heißt die Stadt Rijeka und gehört zu Kroatien.

Kersten Knipp hat ausgiebig recherchiert. Mit diesem Buch ist es ihm gelungen, ein skurriles Detail der Weltgeschichte wieder in das Gedächtnis der Menschen zu rufen.

Fazit:

Wer sich für das Ende des Königreiches Italien und die Anfänge von Mussolinis Faschismus sowie die Mechanismen der Propaganda interessiert, findet hier eine anspruchsvolle Lektüre. Gerne gebe ich 4 Sterne.

Veröffentlicht am 23.05.2019

Tutti Fratelli - eine Vision

Die Mohnfelder von Solferino
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Dieser historische Roman entführt uns in die Zeit von 1859. Es tobt der Krieg zwischen dem Haus Österreich und Piemont-Sardinien (unterstützt durch Frankreich) um die Herrschaft in Oberitalien. Höhepunkt ...

Dieser historische Roman entführt uns in die Zeit von 1859. Es tobt der Krieg zwischen dem Haus Österreich und Piemont-Sardinien (unterstützt durch Frankreich) um die Herrschaft in Oberitalien. Höhepunkt dieses Krieges, den die Donaumonarchie verliert hat und den Weg frei für die Einigung des Königreichs Italien macht, ist die Schlacht von Solferino.

Wir lernen die Cousins Milo und Giò kennen. Sie leisten ihren mehrjährigen Wehrdienst in der habsburgischen Armee ab. Milo fällt und Giò überlebt nur knapp. Nicht zuletzt durch das Engagement eines österreichischen Truppenarztes, der als Kriegsgefangener alle Verwundeten behandelt, ohne Rücksicht auf die Armeezugehörigkeit. Mit Dr. Nonnschläger wird ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden. Noch zwei weitere Personen treten in Giòs Leben: Da ist zum einen Magdalena, die Tochter eines reichen venezianischen Kaufmanns, und zum anderen Henri Dunant, der betroffen durch die nicht vorhandene ärztliche Versorgung der Verwundeten, wenige Jahre später das Rote Kreuz gründen wird.


Meine Meinung:

Die Autorin erzählt in eindrucksvollen Worten das Grauen der Schlachten, das Leid der Verwundeten und lässt ihre Protagonisten Giò und Magdalena unterschiedlicher politischer Meinung sein. Giò, der Gastwirtssohn, ist zwar nicht hochgebildet, hat aber Zweifel an der Propaganda der Politik. Magdalena, ist belesen, intelligent und Fan von Giuseppe Garibaldis Visoin von „Tutti Fratelli“ (Sorelle – also Schwestern sind natürlich nicht gemeint). Diese unterschiedlichen Meinungen sind sehr gut herausgearbeitet. Auch die Lebensumstände der Menschen dieser Zeit lassen sich gut miterleben.

Sehr interessiert habe ich die Details zur Medizingeschichte gelesen. Die Behandlungsmethoden diverser Geschlechtskrankheiten stecken noch in den Kinderschuhen und oft treibt man den Teufel mit dem Beelzebub aus. (Quecksilbergaben gegen Syphilis).

Der Roman besticht durch unterschiedliche Perspektiven und genaue Recherche. Die Beschreibung der Landschaft und der Lebensweise der Menschen rund um den Gardasee ist gut gelungen.
Geschickt übernimmt die ehrgeizige Magdalena die Geschicke des Gasthofes ihrer Schwiegereltern. Manchmal dezent, manchmal energisch hilft sie ihrer neuen Familie zu Bekanntheit und Wohlstand.

Ich hätte mir ein bisschen mehr zur Geschichte der Gründung des Roten Kreuzes gewünscht. Doch Diana Menschig hat die Liebesgeschichte von Giò und Magdalena in den Fokus ihres Romans gerückt. Das kostet einen Stern.

Dieser historische Roman ist an keiner Stelle langweilig. Unterschiedliche Facetten und Weltanschauungen treten zu Tage.

Fazit:

Ein penibel recherchierter historischer Roman, der die Protagonisten über den Sinn von Kriegen und deren Folgen nachdenken lässt. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 19.05.2019

Ein schöner Überblick über die LIteratenszene in WIen m 1900

„Freunde sind wir ja eigentlich nicht“
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David Österle nimmt uns in seinem Debüt in das Wien um 1900 mit.
Die Hauptstadt der Donaumonarchie sonnt sich in ihrem morbiden Glanz. Auf der einen Seite Großbürger und deren Mäzenatum, auf der anderen ...

David Österle nimmt uns in seinem Debüt in das Wien um 1900 mit.
Die Hauptstadt der Donaumonarchie sonnt sich in ihrem morbiden Glanz. Auf der einen Seite Großbürger und deren Mäzenatum, auf der anderen Seite bittere Armut.

Wir treffen hier die jungen Wilden der Literaturszene wie Arthur Schnitzler, Hugo von Hoffmannsthal oder Felix Salten. Die einen von ihrer Herkunft her saturiert wie Schnitzler, der eine oder andere wie Felix Salten eher vermögenslos. Allen gemeinsam ist die Liebe zum geschriebenen Wort, zu schönen Frauen und ihre jüdische Herkunft.

Die Männer treffen sich ab 1890 im Café Griensteidl (das leider nach mehreren Pleiten letztes Jahr endgültig seine Pforten schließen musste), später übersiedelt ein Teil der Gruppe ins Caé Central, das schon Peter Altenberg quasi okkupiert hat.
Man trifft sich auch in privaten Salons, frönt diversen Suchtmitteln und verbringt viel Zeit miteinander, doch Freunde sind die Männer nicht. Manchmal geraten sie harsch aneinander, sind sie je jeder für sich eine „Diva“. Der gesamte Kreis befindet sich im Umbruch, althergebrachtes über Bord zu werfen und sich neu zu erfinden. Der latent vorhandene Antisemitismus, der heraufziehende Untergang der Donaumonarchie, diese teils melancholische Stimmung wirkt sich auf die Werke der Literaten aus.

Meine Meinung:

Die Sammlung dieser Kurzbiografien ist ganz gut gelungen. Vor allem Auszüge aus den Werken und/oder Briefen sowie die vielen Fotos bereichern das Buch. Die eine oder andere Anekdote, die bislang vielleicht noch unbekannt war, ergänzt die eher wissenschaftlich angelegte Gruppenbiografie.

Damit gleich zum Schreibstil: David Österle ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Ludwig Boltzmann Institut mit Forschungsschwerpunkt „Die Literatur der Jahrhundertwende und Kulturtheorie“. Daher schreibt er sehr sachlich. Der Funke der Begeisterung für einen der Schriftsteller will bei mir jetzt nicht so recht überspringen.

Das Buch eignet sich sehr gut als Geschenk für Freunde der altösterreichischen Literaten, die allesamt große Werke geschaffen haben. Manchem ist die Ehre erst nach dem Tod zuteil geworden.
Der Verlag Kremayr & Scheriau hat, wie wir es von ihm gewöhnt sind, ein Buch in gediegener Ausstattung herausgebracht: Gebunden, mit Leinenstruktur, das Coverfoto ist in Sepia gehalten, die Schriftgröße ist angenehm zu lesen und das Papier greift sich angenehm an.

Fazit:

Ein schöner Überblick über die männliche Literaturszene des Fin de Siècle. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 19.05.2019

Ein ruhiger, aber dennoch spannender Krimi

Nachts schweigt das Meer
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Detective Inspektor Ben Kitto, seines Zeichens Spezialist für Undercover-Einsätze in London, steckt nach dem Tod seiner Ermittler-Partnerin Claire in einer Sinnkrise und nimmt sich eine Auszeit. Dazu kehrt ...

Detective Inspektor Ben Kitto, seines Zeichens Spezialist für Undercover-Einsätze in London, steckt nach dem Tod seiner Ermittler-Partnerin Claire in einer Sinnkrise und nimmt sich eine Auszeit. Dazu kehrt er in seine alte Heimat Bryher auf den Scilly Inseln zurück. Kaum angekommen, muss er sich mit dem Verschwinden der 16-jährigen Laura beschäftigen, das sich schnell als Mordfall herausstellt.
Aufgrund des schlechten Wetters ist Ben vorerst auf sich alleine gestellt. Nicht die schlechteste Idee, denn Ben kennt Land und Leute und weiß mit dem wortkargen Menschen umzugehen.
Die Ermittlungen gestalten sich dennoch als schwierig, da es, obwohl Bryher nur knapp 100 Einwohner hat, so ziemlich jeder Erwachsene verdächtig ist.
Als er mit Eddie einen jungen engagierten Kollegen zur Seite gestellt bekommt, scheint der Fall bald gelöst zu werden, wären da nicht noch ein paar Ungereimtheiten...

Meine Meinung:

Dieser Krimi enthält ob der geografischen Lage und des schlechten Wetters Elemente einer „locked room“-Erzählung. Niemand kann von der Insel weg und niemand, außer der SpuSi darf die Insel betreten. Aus langjähriger Erfahrung weiß Ben, dass der Täter meistens im engen Umkreis des Opfers zu finden ist. Da bieten sich doch gleich einmal der Freund sowie der arbeitslose Vater des Opfers an. Geschickt versucht Ben Puzzleteil für Puzzleteil zusammenzusetzen. Die Autorin lässt sich mit der überraschenden, aber schlüssigen Auflösung lange Zeit. Sie führt Ermittler und Leser ein wenig an der Nase herum. Ben ist mit der Einschätzung, dass der Täter aus dem Umfeld kommt, nicht daneben gelegen.

Der Krimi selbst ist eher ruhig, beschaulich, obgleich das grausliche Wetter eine große Rolle spielt. Die Leser erfahren von den Alltagssorgen der Einwohner, von ihren Eigenheiten und Marotten und lernen einiges über den Bootsbau.
Das Geheimnis um den Tod von Claire wird erst spät gelüftet. Die vielen kleinen Andeutungen lassen die Leser in eine ganz andere Richtung Vermutungen anstellen.

Die Auszeit und der komplexe Mordfall sowie eine Information zu Claires Tod, lassen Ben den Polizeidienst doch nicht quittieren. Es scheint, als ob wir uns auf eine Fortsetzung mit Ben Kitto freuen dürfen.

Der Schreibstil ist angenehm. Die Erzählperspektive aus Bens Sicht ein wenig ungewöhnlich.

Fazit:

Wer gerne ruhige Krimis mag, ist hier gut bedient. Gerne gebe ich diesem Reihenauftakt 4 Sterne.

Veröffentlicht am 13.05.2019

Souveräner Auftritt leicht gemacht

Bevor das erste Wort gesprochen ist
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Die österreichische Schauspielerin Brigitte Karner fasst in diesem Buch die wichtigsten Verhaltensregeln zusammen, um ein Gegenüber mit dem ersten Eindruck zu beeindrucken.

Wie schon Paul Watzlawick ...

Die österreichische Schauspielerin Brigitte Karner fasst in diesem Buch die wichtigsten Verhaltensregeln zusammen, um ein Gegenüber mit dem ersten Eindruck zu beeindrucken.

Wie schon Paul Watzlawick bewiesen hat, kann man „nicht nicht kommunizieren“. Ohne Worte drückt die Körpersprache häufig schon mehr aus, als wir sagen wollen.

Das Wissen um die eigene Persönlichkeit und ein paar Tricks aus dem Erfahrungsschatz der Schauspielerin, können mit ein bisschen Übung die eigene Präsentation verbessern.

Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, eingelernte Floskeln (der Körpersprache) sind zu wenig. Hier muss man authentisch sein. Man erinnere sich zurück, als (österreichische) Fußballstars gezwungen worden sind, hochdeutsch zu sprechen. Diese gestelzten Interviews regen noch immer zum Lachen an.

Brigitte Karners Credo: „Je mehr ich über mich weiß, desto besser kann ich über mich verfügen.“

Fazit:

Dieses Buch kann mithelfen, den täglichen Auftritt in Beruf und Privatleben zu verbessern. Gerne gebe ich für diesen nett verfassten Ratgeber 4 Sterne