Zusammen ist man weniger allein – viele für einen, einer für viele 😉
Kaputte Herzen kann man klebenEin normaler Alltag, welcher sich in jeder beliebigen Stadt – hier München – abspielen kann: Luisa, alleinerziehend, lebt mit ihrer Tochter Amelie in der Großstadt und versucht der Lage „Frau“ zu werden. ...
Ein normaler Alltag, welcher sich in jeder beliebigen Stadt – hier München – abspielen kann: Luisa, alleinerziehend, lebt mit ihrer Tochter Amelie in der Großstadt und versucht der Lage „Frau“ zu werden. Vollzeitarbeit im Gesundheitsbereich (als Hebamme), Amelies Alltag arrangieren plus schulische Verpflichtungen für beide (Hausaufgaben/Lernen, elterliche Mitarbeit), Miete und andere Ausgaben stemmen – und das alles ohne familiäre Unterstützung. Kurz gesagt: Sie reist sich einen Arm aus. Das sich die Unmengen an Belastungen irgendwann rächen, war/ist abzusehen. Krankgeschrieben wegen „Rücken“ reist sie genötigte von ihrer exzentrischen Tante Mimi (nach einem telefonischen Zusammenbruch) in den Norden – nach Sankt Peter Ording (SPO) – um in der alten Heimat abzuschalten. Tom, der umwerfende Osteopath (von Mimi für ihren Rücken beauftragt), erobert in kleinen Schritten ihr Herz und so nebenbei scheinen die Schmerzen zu vergehen. Auch findet sie unverhofft eine Frauenclique und fühlt sich so in SPO sehr wohl. Mit jedem Tag, jeder Woche, die sich ihre Krankschreibung dem Ende nähert und den Gedanken an das alte Leben nehmen die Schmerzen und Gewissensbisse wieder zu. Was außerdem ein Fohlen, der Hund Fr. Ahorn, Fiete und ein kryptischer Eintrag im Kirchenbuch, in diesem Buch mit Tiefenwirkung bzgl. Mental Load, der Anerkennung von Gesundheitsberufen etc. zu suchen haben? – Das kann man(n) im neuen Roman von Kristina Günak „Kaputte Herzen kann man kleben“ herausfinden.
„Als ich mich umdrehte, konnte ich meine eigene Spur klar und deutlich im Sand erkennen. Ich sah den Weg, den ich zurückgelegt hatte. Wenn es doch nur im Leben auch so einfach wäre, seinen Weg zu erkennen.“
Das Cover ist so typisch für ein Buch von Kristina - ein Hingucker! Richtig schön, man ist mit dem Leuchtturm, der Möwe und den Mohnblumen gedanklich gleich an der See. Diese angenehme Illustration strahlt eine gute Laune, zudem ist die Farb- und Schriftgebung sehr angenehm.
Man taucht gleich in eine andere Welt ab, wenn man zu Lesen beginnt - dank der begnadeten Schreibweise. Locker, leicht und flüssig ist der Roman zu lesen – man ist auch gleich wegen der diversen dauerhaft aktuellen, „angeschriebenen“ Themen voll im Roman vertieft.
Luisa ist eine sehr starke Frau, Mutter. Welche Probleme sie mit Tante Mimi hat und warum sie sich damals nicht von ihrer Mutter verabschieden konnte, werden im Laufe des Buches aufgelöst. All dies hat sie so stark werden lassen, vielleicht zu stark – alles muss/kann man allein schaffen, man braucht keine Hilfe. Nein!!!
„Herz öffnen statt Kopf zerbrechen.“
Nach und nach muss sie ihre Mauern abreisen und sich helfen lassen. Wie gut das sie in Suse, und den anderen Frauen richtig gute Freundinnen findet. Ich mag Luisa, sie spiegelt das Bild einer taffen jungen Mutter wieder, die alles für ihr/e Kinder auf sich nimmt.
Auch Amelie wird im Laufe der Geschichte immer selbstständiger und ist nicht mehr so isoliert wie im Großstadtdschungel – wobei sie auch sehr eingebunden war: Schule, Betreuung, Ballett. Zusammen allein!? Sie blüht richtig auf.
Tom, er ist die zweite Hauptperson, im Buch. Nach dem schnellen Ableben seiner Schwester, greift er seinem Schwager mit den drei Kindern unter die Armen. Nebenbei arbeitet er noch in der stark frequentierten Praxis und hat auch für Luisa, scheinbar zeitunabhängig, eine Schulter zum Anlehnen. Ein Übermensch?! Er lässt sich nicht so schnell unterkriegen – äußerlich. Außen hart, innen weich.
Beide bzw. mit Amelie, alle drei fühlen sich zusammen wesentlich besser, auch wenn es etwas braucht dies zu (be-)greifen.
„Das Leben ist kurz. Brich die Regeln, verzeihe schnell, küsse langsam, liebe wahrhaftig, lache hemmungslos und bedauere niemals etwas, das ich zum Lachen gebracht hat.“
Ein schöner, zeitloser Roman ist Kristina hiermit wieder einmal gelungen. Ich mag ihre Bücher! Sie schafft es trotz der ernsteren Themen: Einsamkeit in der Großstadt (paradox), Mental Load, Alleinerziehend zu sein und dennoch Vollzeit zu arbeiten, Mietpreise in Städten, das Coming-Out…einem mit einer Leichtigkeit durch das Buch zu führen. Man fühlt sich wohl, fühlt mit den „Darstellern“ und kann sich gut in die jeweilige Situation/den Ort hineinversetzen.
Wie gerne würde man sich nach SPO in einen Strandkorb beamen und gemütlich mit einer Decke und etwas zum Trinken in dem Roman schwelgen; zwischendurch ein Blick auf die Nordsee und im Hintergrund das Kreischen der Möwen und das Rauschen des Meeres: ein Wohlfühlroman durch und durch!!! (und der obligatorische Hund ist auch wieder mit von der Partie 😉 )