Eine letzte Reise durch halb Eurpa, Roadtrip und Abschied zugleich
Die vorletzte Reise der Ewa KalinowskiDarum geht es:
Ewa Kalinowski hat Krebs und bittet ihren guten Freund Lukas, sie und ihren Hund Zizou auf eine Reise durch halb Europa zu begleiten. Der junge Mann, der sich trotz abgeschlossenem Studium ...
Darum geht es:
Ewa Kalinowski hat Krebs und bittet ihren guten Freund Lukas, sie und ihren Hund Zizou auf eine Reise durch halb Europa zu begleiten. Der junge Mann, der sich trotz abgeschlossenem Studium von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob hangelt, tut ihr den Gefallen und fährt das Wohnmobil, das Ewa sich eigens dafür gekauft hat, sicher durch diverse Länder und Städte Europas. Auf dieser Reise erfährt Lukas viele Geschichten aus Ewas Kindheit in Polen und die beiden diskutieren und philosophieren über Politik, Geschichte, das aktuelle Weltgeschehen und den Tod und nehmen uns Leserinnen und Leser mit auf eine spannende Reise, die uns nicht nur zu historischen Sehenswürdigkeiten, sondern auch ein wenig zu uns selber finden lässt.
Meine Meinung:
Regina W. Egger hat dieses Buch in nur drei Wochen geschrieben, weil sie selber schwer erkrankt war und sie das Buch unbedingt fertigstellen wollte, um es für einen Schreibwettbewerb einzureichen, den sie damit sogar gewann. Dies beeindruckt mich einerseits sehr, wenn auch ich mir doch immer mal wieder ein paar Beschreibungen und Vertiefungen mehr gwünscht hätte, die aber wohl aufgrund des Zeitmangels gar nicht mehr eingebaut werden konnten. Trotzdem ist eine tiefgründige und insgesamt sehr gut ausgearbeitete Geschichte entstanden, die mich in ihren Bann gezogen hat. Ewa war mir sofort sympathisch und die vielen Reiseorte, die sie noch ein letztes Mal besuchen wollte, sind so beschrieben, dass auch bei mir ein sanftes Feriengefühl aufgekommen ist. Besonders gut gefallen haben mir übrigens die detaillierten Beschreibungen von kulinarischen Spezialitäten aus aller Welt. Aber nicht nur die Esswaren selber haben mir das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen, auch die schönen Beschreibungen der gesellschaftlichen Aspekte des gemeinsamen Essens und Geniessens waren meiner Meinung nach wundervoll dargestellt.
Auch wurde zu allen besuchten Orten einiges an (historischem) Hintergrundwissen eingebaut, das beim Lesen sowohl unterhaltsam als auch lehrreich war und mich vor allem die einzelnen Orte in Gedanken noch besser miteinander verbinden liess.
Was mir nicht ganz so gut gefallen hat:
Leider habe ich doch etwas zu bemängeln, das sich durch dieses Buch durchgezogen hat und zeitenweise ein wenig ermüdend war: Ewa kritisiert nämlich Lukas und seinen Lebensstil permanent. Sie hält ihm vor, dass er sich ab und an einen Joint gönnt, dass er nichts aus seinem Studium gemacht und keine Frau und Kinder hat und ist somit nicht besser als all die anderen in Schubladen denkenden alternden Menschen, die ihren eigenen stereotypen Lebensstil mit (Ehe-)Partnern und einer langweiligen Arbeit, die man nur des Prestiges wegen ausübt, der jüngeren Generation aufzwingen wollen. Dass Ewa Lukas dazu bringt, sein Leben und seine Lebensentscheide zu hinterfragen, hat mich überhaupt nicht gestört. Dass sie, die sonst so eine aussergewöhnliche Frau ist, nun aber null Verständnis für ihn zeigt, überhaupt nicht ausserhalb ihres vorgefassten Lebensrasters denken kann und vor allem nicht realisiert, dass er diese Reise mit ihr gar nicht hätte antreten können, wenn er in einer Beziehung gesteckt oder an einen Job gebunden gewesen wäre, ist sehr eindimensional gedacht. Ausserdem werden die politischen Ansichten der Figuren ein wenig zu plakativ aueinanderdividiert, was insgesamt ein wenig plump wirkt.
Schreibstil:
Mit ihrer sehr schlichten Sprache hat es Regina W. Egger geschafft, mich zu berühren, mich zu unterhalten und ein wenig Fernweh bei mir auszulösen. Zufällig haben Ewa und Lukas nämlich Orte und Regionen besucht, die ich selber sehr gut kenne, oder die ich gerne bald einmal besuchen möchte. Die nicht ganz einfachen Unterhaltungen, die man mit todkranken Menschen führt und manchmal führen muss, aber auch der normale und unbeschwerte Alltag während eines Roadtrips werden einfühlsam beschrieben und stimmig kombiniert. Ausserdem ist auch Ewas körperliches Wohlbefinden immer wieder ein Thema, schliesslich gibt sie das Reisetempo vor. Und vor allem gegen Ende spürt man förmlich die Eile, welche Ewa hat (und wahrscheinlich auch unsere Autorin hatte) um zum Ziel zu kommen. Man spürt die Zeit, welche durch Ewas Finger rinnt, was mir persönlich sehr nahe gegangen ist.
Meine Empfehlung:
Trotz kleiner Schwächen empfehle ich euch dieses Erstlingswerk, das mit charmantem Roadtripcharakter aber auch sehr viel Tiefgang zu überzeugen vermag, sehr gerne weiter. Die schönen Beschreibungen der einzelnen Reiseziele und der kulinarischen Höhenflüge haben mir es dabei besonders angetan.