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Veröffentlicht am 26.06.2019

Schöne neue Welt

R.I.P.
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Die neue Welt - beziehungsweise die moderne Technik: genauer gesagt das Internet und da vor allem die sozialen Netzwerke, spielen eine wichtige Rolle in diesem Thriller.

Mobbing - das ist ein ...

Die neue Welt - beziehungsweise die moderne Technik: genauer gesagt das Internet und da vor allem die sozialen Netzwerke, spielen eine wichtige Rolle in diesem Thriller.

Mobbing - das ist ein Wort, das seit einigen Jahren oft verwendet wird - nicht selten auch vorschnell. Hier könnte es ein Grund sein für die brutalen Morde an Jugendlichen, deren Aufnahmen über soziale Netzwerke verbreitet werden. Genauso, wie im Vorfeld die Informationen gemeinster und fiesester Art, die diese jungen Leute selbst über einige ihrer Schulkameraden verbreitet haben - natürlich auch über das Netz. Aber gibt es da wirklich einen Zusammenhang? Wenn ja, dann sind sie von Tätern zu Opfern geworden. Von Mobbern, die maßgeblich am Rufmord Gleichaltriger beteiligt waren, zu Mordopfern.

Kann das wirklich der Grund sein? Wie in den beiden Vorgängerfällen "DNA" und "SOG" setzt die isländische Autorin Yrsa Sigurdardottir das mehr oder weniger unfreiwillig zueinander findende Ermittlergespann bestehend aus Psychologin Freya und Kommissar Huldar ein. Beide hatten schon mal eine Begegnung, eine der ganz anderen Art. Die zumindest Huldar ganz gerne wiederholen würde, was aber Freya für eine gar nicht gute Idee hält. Bisher jedenfalls. Aber wie lange noch?

Zumal beide auch noch an ganz anderen Fronten zu kämpfen haben - in beruflicher Hinsicht hat vor allem Huldar mit viel Konkurrenz und Mißgunst zu tun, bei Freya sind es andere Päckchen, die sie zu tragen hat.

Aber lesen Sie selbst, denn es ist wie immer unterhaltsam und originell, dabei äußerst spannend, was die isländische Autorin hier verzapft hat. Allerdings sollten Sie nicht zu zart besaitet sein, denn es ist ganz schön starker Tobak, der hier aufgetischt wird: Jugendliche spielen eine nicht unwesentliche Rolle und auch sie bzw. der Umgang mit ihnen ist ein - wenn nicht sogar DAS Thema - und wird von der Autorin nicht gerade sanft dargestellt.

Also definitiv eher was für Thrillerfans als für Freunde des klassischen Whodunnit. Und für solche, die auf überraschende Wendungen stehen, wobei es diesmal im Gegensatz zu den beiden Vorgängerfällen geradezu erschreckend realitätsnah zugeht. Auch wenn es viele perfide und für mich nahezu unvorstellbare grausame Wendungen und Geschehnisse gibt, könnten sich diese in unserer schönen neuen Technikwelt ohne Weiteres genau so oder ähnlich abspielen.

Aus meiner Sicht ein rundes, absolut gelungenes Buch: ein spannender Fall mit schrägen, gut und eindringlich dargestellten Protagonisten, den ich gern gelesen habe. Mehr noch: ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen! Ich hoffe sehr, dass Freya und Huldar, deren Nicht-Beziehung mal wieder auf die Probe gestellt wird, bald erneut zuschlagen, vielmehr ermitteln, denn ich würde gern mehr von ihnen lesen!

Veröffentlicht am 07.06.2019

Großmutter und Enkelin auf Kuba

Nächstes Jahr in Havanna
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Nicht gleichzeitig, wohlgemerkt, denn diese Geschichte spielt auf zwei Ebenen, nämlich ab 1958 mit Elisa und dann wieder 2017 mit Marisol im Mittelpunkt.

Dazwischen liegen mehrere Generationen und dramatische ...

Nicht gleichzeitig, wohlgemerkt, denn diese Geschichte spielt auf zwei Ebenen, nämlich ab 1958 mit Elisa und dann wieder 2017 mit Marisol im Mittelpunkt.

Dazwischen liegen mehrere Generationen und dramatische historische Entwicklungen: Denn Elisa musste mit ihrer Familie aus Kuba fliehen, anlässlich des dortigen Umsturzes und sie hat ihre Heimat nie mehr wiedergesehen. Nun soll ihre Enkelin Marisol sie zurückbringen auf die Insel, der ihr Herz zeitlebens gehörte - vielmehr die Urne mit ihrer Asche, denn Elisa ist vor kurzem verstorben und hat dies als letzten Wunsch testamentarisch verfügt.

Es ist Marisols erster Besuch auf Kuba, doch kommt sie nicht als Fremde - zeitlebens war Kuba ein Teil von ihr, hat sie und ihre Familie begleitet. Auch wenn sie in Miami lebten, waren sie doch Kubaner - alles dort ist Marisol vertraut, als sie den Boden der Heimat ihrer Ahnen betritt. Ihre Wurzeln sind hier, das spürt sie auf Schritt und Tritt, zumal sie direkt neben dem ehemaligen Familienbesitz unterkommt, bei der Familie von Ana, der besten Freundin ihrer Großmutter. Diese ist im Gegensatz zu ihren eigenen Verwandten in Kuba geblieben. Marisol erhofft sich von ihnen mehr Informationen über ihre Großmutter - diese war bis zu ihrem Tode recht verschwiegen, was ihre Jugend in Kuba anging.

Noch weiß sie nicht, welche Geheimnisse es zu lüften und was es für sie alles zu entdecken gibt! Und sie erlebt nicht nur eine vollkommen unerwartet Begegnung. Nein, für Marisol ändern diese paar Tage in der Heimat ihrer Ahnen so einiges in ihrem Leben - und zwar nachhaltig!

Eine Ode auf Kuba ist dieses Buch, warmherzig und atmosphärisch verfasst. Wer dort einen Urlaub plant, sollte dieses Buch unbedingt als Lektüre mit nehmen - am besten schon auf den Flug ins Handgepäck. Ich jedenfalls habe während und nach dieser emotionalen Lektüre unbändige Lust bekommen, diese Insel zu besuchen, am liebsten sofort. Und wie reich beschenkt muss man sich fühlen, wenn man bereits im Flieger dorthin sitzt!

Ein wirklich eindringliches Werk - ich habe jede Seite genossen. Neben der aufwühlenden Familiengeschichte enthält der Roman zahlreiche gut recherchierte Fakten, die den Leser auf Schritt und Tritt bereichern. Ein wahres Lesevergnügen!

Veröffentlicht am 02.06.2019

Ein herausragender Roman

Das Leuchten am Rand der Welt
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Eine ganz besondere historische Abenteuerreise hat uns Eowyn Ivey mit diesem Buch geschenkt - nämlich die des Lieutenants Allen Forrester zur Erforschung des Wolverine Rivers - bisher fest in Händen der ...

Eine ganz besondere historische Abenteuerreise hat uns Eowyn Ivey mit diesem Buch geschenkt - nämlich die des Lieutenants Allen Forrester zur Erforschung des Wolverine Rivers - bisher fest in Händen der indigenen Bevölkerung - nach Alaska.

Er ist frisch verheiratet und seine junge Frau Sophie besteht darauf, ihn zu begleiten - bis sich herausstellt, dass sie schwanger ist und in einer Militärbasis in Portland, Oregon zurückbleiben muss. Und wird auch die Geschichte Sophies, einer sehr eigenständigen Frau mit einem tiefen Interesse an Ornithologie und zunehmend auch an der Fotografie geschenkt.

Es ist ein ganz besonderer historischer Roman, den die Autorin Eowyn Ivey hier geschaffen hat - der Leser erhält Informationen aus Briefen und Tagebüchern Sophies und den Reisenotizen und Briefen von Allen.

Zudem gibt es eine Rahmenhandlung der aktuellen Zeit, in der ein Nachkomme Allens dessen Hinterlassenschaften einem Museum in Alaska hinterlassen möchte und eine Korrespondenz mit dem dortigen Angestellten Josh beginnt, die zunehmend informativer und auch privater, vor allem jedoch herzlicher wird.

Ein ganz besonderer, intensiver Roman ist dies und er ist ganz anders als "Das Schneemädchen". Beides sind Ausnahmewerke, ich kann gar nicht sagen, welches Buch mir besser gefällt, doch sie unterscheiden sich voneinander so sehr wie Sonne und Mond. Ich liebe beide und hoffe, dass die Autorin uns noch mit dem einen oder anderen Roman überraschen und mich ebenso mitten ins Herz treffen wird wie mit den beiden bisherigen!

Veröffentlicht am 02.06.2019

Kein Unterhaltungsroman

Die Nickel Boys
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Wieder einmal ist es richtig starker Tobak, den Colson Whitehead hier seinen Lesern vorsetzt und wieder einmal sind es wahre Ereignisse, die die Grundlage der Handlung bilden. Im Gegensatz zum ...

Wieder einmal ist es richtig starker Tobak, den Colson Whitehead hier seinen Lesern vorsetzt und wieder einmal sind es wahre Ereignisse, die die Grundlage der Handlung bilden. Im Gegensatz zum preisgekrönten Vorgängerroman des Autors, "Underground Railroad" spielt dieser in der jüngeren Vergangenheit - in einer, die die älteren Leser schon bewusst miterlebt haben dürften, nämlich in den frühen 1960er Jahren.

Der Protagonist Elwood wächst bei seiner Großmutter in Florida in einfachen Verhältnissen auf und ihm ist schon klar, dass er nicht gerade die rosigsten Zukunftsaussichten hat. Dafür hat er die falsche Hautfarbe. Aber er kennt und verehrt Martin Luther King und dessen Aussagen geben ihm Hoffnung. Diese vermag er, ein Musterschüler und auch sonst ein Mensch mit Visionen, so sehr mit Taten und Erfolgen zu füllen, dass sein Collegebesuch trotz magerer Finanzen unmittelbar bevorsteht. Denn so ein besonderer junger Mensch hat Unterstützer und Befürworter.

Doch gleich am ersten Tag passiert etwas auf dem Weg ins College, das Elwood sämtliche erfreuliche Zukunftsaussichten begraben lässt: er gilt nun als kriminell und kommt in eine Besserungsanstalt und wird zu einem der Nickel Boys - so werden die Insassen dieser Einrichtung genannt. Und lernt, dass seine bisherigen Werte hier nichts gelten.

Ein Roman, dessen Handlung voller Ungerechtigkeit, Hass, Mißachtung und Niedertracht ist, voll von Ereignissen, die man während der Lektüre gar nicht glauben will, selbst wenn man bereits so einiges über die Rassentrennung weiß. Hier hat man den Leidensweg der afroamerikanischen Bevölkerung der vereinigten Staaten bildlich vor Augen, selbst wenn dies nur ein kleiner Ausschnitt davon ist.

Schmerzhaft ist diese Lektüre und mich hat sie auch wütend gemacht. Ganz schön sauer war ich darauf, was gewisse Menschen in der Vergangenheit nur wegen ihrer Hautfarbe erleiden mussten.

Colson Whitehead kleidet seine Botschaften in genau die richtigen Worte, er dramatisiert nicht. Und das ist auch nicht notwendig, denn die Ereignisse sind auch so extrem genug. Ich hatte die ganze Zeit das Bedürfnis, in das Buch hineinspringen und die armen Jungs dort rausholen zu wollen - natürlich nicht, ohne ihren Peinigern einen ordentlichen Denkzettel zu verpassen!

Das ist der Verdienst des Autors, der die Begebenheiten so eindringlich, anschaulich und bewegend, wie nur irgend möglich schildert! Und ausgesprochen rund, auch wenn ich gut und gerne noch weitergelesen hätte, um die besondere Atmosphäre, die der Autor geschaffen hat, vollends auszukosten.

Eines wird deutlich: Es gibt immer Neid und Missgunst. Ganz egal, wo man ist und auch dann, wenn man selbst überhaupt nicht drauf kommen würde. Und es gibt auch überall und zu jeder Zeit sadistische Menschen, die ihre Triebe ausleben, wann und wo sie können. Und das, ohne jemals ein schlechtes Gewissen zu haben: sie haben nämlich überhaupt keins.

Dieses Buch und seine traurige, realistische Geschichte, die trotz allem nicht ganz ohne Hoffnung ist, lehrt seine Leser, die Achtsamkeit gegenüber allen Mitmenschen, egal welcher Herkunft und Hautfarbe, wiederzufinden und in Ehren zu halten, ihrer gerade auch in der heutigen Zeit gewahr zu sein.

Nein, dies ist definitiv keine Unterhaltungslektüre, sondern ein überaus lohnender, wenn auch schmerzvoller zeitgeschichtlicher Roman, aber einer, den man gestärkt aus der Hand legt. Ein ganz besonderes Buch, das ich jedem empfehle, der stets bereit ist, zu erfahren, wie die Welt zu dem wurde, was sie ist.

Veröffentlicht am 30.05.2019

Ada erinnert sich

Solange sie tanzen
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Und das kann sie gut! Jedenfalls an Ereignisse, die lange zurückliegen, wie das kennenlernen ihres geliebten, nun auch schon verstorbenen Ehemannes Hans. Und sie denkt gern zurück - auch wenn die Zeiten ...

Und das kann sie gut! Jedenfalls an Ereignisse, die lange zurückliegen, wie das kennenlernen ihres geliebten, nun auch schon verstorbenen Ehemannes Hans. Und sie denkt gern zurück - auch wenn die Zeiten nicht immer rosig waren, hatten Hans und sie es doch immer gut miteinander - allein schon, weil sie zusammen waren, weil sie sich gefunden hatten!

Nun ist Ada allein, naja, allein zusammen mit ihrem riesigen Boxer Hemingway, beide von Hans zurückgelassen. Und sie hat ja auch noch ihre Kinder Susanne und Thomas, aber die führen ja längst ihr eigenes Leben.

Ein warmherziger, dabei ausgesprochen humorvoller Roman zu einem ernsten und gegenwärtig sehr präsenten und durch die demographische Verschiebung in den nächsten Jahren noch dringlicher werdenden Thema ist der Autorin Barbara Leciejewski gelungen. Über eine solche Problematik mit leichter Feder zu schreiben, ohne dabei oberflächlich zu werden oder die Probleme kleinzumachen - das ist schon große Kunst!

Ich wünsche diesem ausgesprochen gelungenen Buch viele Leser - vielleicht vermag es dem ein oder anderen, dessen Angehörige an Demenz und/oder Alzheimer leiden, eine Stütze zu sein oder in der ein oder anderen Hinsicht die Augen zu öffnen. Denn dass man hier gemeinsam und mit Liebe und Achtung sehr viel weiter kommt, das ist eine der zentralen Botschaften des Buches, das ich jedem Leser empfehle, der ein unterhaltsames Buch mit Tiefgang sucht!