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Veröffentlicht am 01.06.2019

Ein sehr wertvolles Buch

Todesursache: Flucht
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Im Buch Todesursache Flucht ReconquistaHumanity wird Namenlosen eine Stimme gegeben. Anja Tuckermann und Kristina Milz haben viel Zeit in das Werk investiert und lange recherchiert. Über 30.000 Flüchtlinge ...

Im Buch Todesursache Flucht

ReconquistaHumanity wird Namenlosen eine Stimme gegeben. Anja Tuckermann und Kristina Milz haben viel Zeit in das Werk investiert und lange recherchiert. Über 30.000 Flüchtlinge sind seit 1993 ums Leben gekommen. Und das nur, weil sie Hoffnung hatten. Hoffnung auf bessere Lebensumstände, auf Frieden oder Schutz vor Verfolgung gleich welcher Art.

Todesursache Flucht ist nicht nur eine Liste der Verstorbenen. Es berichtet von einigen Persönlichkeiten, die hinter den Namen stehen. Warum mussten sie fliehen? Wie sind sie gestorben? Wie war ihr Leben vor dem Krieg oder anderer Fluchtursachen? Die Autorinnen sprachen unter anderem auch mit dem Vater des kleinen Alan Kurdi, der nicht nur ihn sondern auch alle weiteren Familienmitglieder verlor. Damals schaffte es der kleine Junge mit dem roten Pullover sogar auf die Titelseite von Charlie Hebdo. Und heute, wer denkt noch an ihn?

Es ist unglaublich, dass private Helfer angeklagt und als Schlepper denunziert werden. Todesursache Flucht lässt unter anderem auch einen Soziologie-Professor und den EKD-Ratsvorsitzenden zu Wort kommen. Alle, die hier mitwirkten eint die Empörung über den Friedensnobelpreisträger von 2012, die Europäische Union. Wie brutal gehen sie heute mit den Flüchtenden um? Sie werden abgewiesen oder monatelang in Lagern eingesperrt. Ein Zitat aus dem Buch:
Die Migrationspolitik der EU wird von Zielen und Vorgaben statt von Menschlichkeit bestimmt.

Todesursache Flucht berührte mich sehr und lässt mich nicht mehr los. Immer wieder schaue ich hinein und lese die Geschichten der Toten. Ein Werk, welches von jedem Menschen gelesen werden sollte, der seine Empathie noch nicht an den Mammon verlor.

ReconquistaHumanity

Veröffentlicht am 29.05.2019

Ein Highlight meines Lesejahres 2019

Die Blutchronik
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Endlich war sie da. Die Fortsetzung des Romans Das Herz der Welt von Liliana Le Hingrat mit dem Titel: Die Blutchronik. Damit ich noch einmal so richtig in die Geschichte eintauchen konnte, las ich zunächst ...

Endlich war sie da. Die Fortsetzung des Romans Das Herz der Welt von Liliana Le Hingrat mit dem Titel: Die Blutchronik. Damit ich noch einmal so richtig in die Geschichte eintauchen konnte, las ich zunächst Das Herz der Welt noch einmal.

Die Blutchronik knüpft nahtlos an das Ende des letzten Buches an. Vlad und sein Bruder Radu müssen ihr Dasein als Geiseln des Sultans Murad fristen. Dessen Sohn wurde Mehmet wurde verbannt, da er eine Liebesbeziehung mit Radu begann. Das war damals wie mitunter auch heute absolut verpönt und beide hatten Glück, dass sie nicht ermordet wurden. Die Mutter von Vlad Draculea lebt in einem Kloster und ist nach dem gewaltsamen Tod ihres Mannes nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie hat keine Möglichkeit, ihren Söhnen zu helfen und Vlad beim Kampf um die Krone zu unterstützen.

Der junge Radu weiß nicht, was sein großer Bruder für ihn getan hat und lässt sich von Mehmet und dessen Vater beeinflussen. Das bedeutet, dass er seinen Bruder verrät und sich gegen ihn stellt. Obwohl Vlad am 2. Oktober 1448 seine Heimat Targoviste und es dauerte sechs Jahre, bis er wieder zuhause sein kann. Nur wenige erkennen ihn als Herrscher an. Sämtliche Fürsten und Kirchenoberhäupter verweigern ihm die Loyalität.

Wenige Wochen nach der Ankunft in Targoviste empfängt Vlad eine Abordnung von angeblichen Nachfolgern und unter ihnen ist sein Kontrahent Radislav. Der kann sich der Treue seiner Gefolgsleute sicher sein und alle trachten Vlad nach dem Leben. Er schwebt mal wieder in akuter Gefahr. Kann er sich retten? Und wenn ja, wer zeigt sich als Getreuer?

Die Autorin Liliana Le Hingrat schätze ich sehr. Sie recherchiert sehr genau und schreibt selbst im Anhang des Buches Die Blutchronik, dass sie erst dann Aussagen von Historikern übernimmt, wenn sie diese dreimal gelesen hat. Die Grausamkeit der damaligen Zeit, der Kampf zwischen Muslimen und Christen und der Hass bis aufs Blut. Alles beschreibt sie so klar und anschaulich, dass ich beim Lesen in die damalige Zeit abtauche und mitleide. Ich sehe die Landschaft und auch die Kleidung der Protagonisten vor mir.

Allen Freunden historischer Romane empfehle ich, die Bücher von Liliana Le Hingrat zu lesen. Sie ist eine der wenigen Autorinnen des Genres, die Wert auf Authentizität und gewissenhafte Recherche legen. Die Blutchronik gehört zu den Highlights meines Lesejahres 2019.

Veröffentlicht am 29.05.2019

Authentisch und sehr gut recherchiert

Entlang des Großen Krieges
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Quintus Schneefahl ist die Hauptperson im Roman Entlang des großen Krieges von Thomas Persdorf. Er lebt mit seinen Eltern Ludovika und Otto Wilhelm in Frankfurt am Main. Sein Vater bezeichnet die Mutter ...

Quintus Schneefahl ist die Hauptperson im Roman Entlang des großen Krieges von Thomas Persdorf. Er lebt mit seinen Eltern Ludovika und Otto Wilhelm in Frankfurt am Main. Sein Vater bezeichnet die Mutter als „zur Zucht ungeeignet“. Die hatte vier Fehlgeburten und danach kam Quintus als lebensfähiger Junge auf die Welt. Allerdings ist er behindert. Er leidet an einer Skoliose im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule. Landläufig hieß es damals, er hätte einen krummen Rücken.

Am 28.06.1914 gab es gleich zwei Ereignisse, die das Leben Quintus´ auf den Kopf stellten. Zunächst teilt er seinem Vater mit, dass er sein Studium abbricht und dann hört er zudem noch vom Tod des Thronfolgers Franz-Ferdinand und seiner Ehefrau. Was kommt, das weiß jeder: der Erste Weltkrieg mit vielen Toten und Schwerverletzten. Quintus reist mit der Eisenbahn zum Gut Dankenthal und wird dort Hauslehrer beim Eigentümer des Hofes, dem Baron von Wachen. Er unterrichtet die Zwillinge Arabella und Alexandra.

Als Adolf Alexander von Wachen an der Front in Frankreich stirbt, hat der Pfarrer diese „Trostworte“ für die Hinterbliebenen: „Im unerschütterlichen Glauben an die Schrift und die Worte unseres Herrn lassen Sie uns festhalten, an der Gewissheit, dass dem für Kaiser und Reich Gefallenen eine Heimstätte bereitet ist im Hause Gottes, so wie es das Evangelium uns lehrt.“ Das Buch Entlang des großen Krieges ist also nicht nur bitter ernst zu nehmen.

Mir gefiel das Buch ausgesprochen gut. Thomas Persdorf hat es verstanden, die damaligen Ansichten und Meinungen authentisch niederzuschreiben. Die Sprache ist ebenfalls der zurückliegenden Zeit angepasst. Viele historische Fakten, die im Buch Entlang des großen Krieges genannt werden, sind belegt und die Recherche erfolgte akribisch. Ein Buch welches ich gewiss noch mehrmals lesen werde.

Veröffentlicht am 23.05.2019

Nationilsmus tötet

Furcht und Befreiung
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Individuelle Lebensgeschichten können der Schlüssel zu besserem Verständnis sein.

Eine Betroffen, die von dem Autor wurde ist Georgina Sand, ein Jüdin. Sie wurde als Kind nach London gebracht und dort ...

Individuelle Lebensgeschichten können der Schlüssel zu besserem Verständnis sein.

Eine Betroffen, die von dem Autor wurde ist Georgina Sand, ein Jüdin. Sie wurde als Kind nach London gebracht und dort in etlichen Familien „herumgereicht“. Ihr Schicksal teilten viele Kinder, die von ihren Eltern nach GB geschickt wurden, um nicht in den Gaskammern enden zu müssen. Herr Lowe berichtet von Bombardements, ja, auch vom Abwurf der Atombomben. Kritisch sieht er in dem Buch

FurchtUndBefreiung die teilweise Verklärung der GIs und anderer Soldaten als „Helden“.

Erfindungen, die während des 2. Weltkrieges hilfreich waren und heute einen anderen Stellenwert haben, ist unter anderem das DDT und Penicillin. Die Herstellung des Medikaments wurde erst im Krieg von den USA subventioniert. Vielschlitzmagnetrone waren damals für Atomtests relevant und heute sind sie in Mikrowellengeräten verbaut. Es gab Architekten, die sich über die Zerstörung von Städten freuten. Endlich konnten sie ihre Visionen wahr machen und moderne Häuser und Straßenzüge errichten.

Während des 2. Weltkrieges änderte sich auch die Rolle der Frau. Sie arbeitete in Fabriken, auf dem Feld und war dem Mann ebenbürtig. Leider änderte sich das wieder nach dem Ende des Geschehens und es sollte Jahre dauern, bis die Emanzipation erneut greifen konnte. Durch die Ignoranz der Briten hungerten die Menschen in Bengalen. Dort kamen etwa 1,5 bis 3 Millionen Menschen ums Leben, ohne den Einsatz von Waffen.

Nach dem Krieg gab es kaum Bestrafungen für die Täter. Die Prozesse in Nürnberg und Tokio waren ein Tropfen auf dem heißen Stein. Nur ein Bruchteil der Mörder wurde verurteilt. Gleichzeitig gab es zu der Zeit auch Gründungen von Organisationen, die bis heute wichtig sind: Weltbank, Internationaler Währungsfond, Internationaler Strafgerichtshof und die Vereinten Nationen. Das Zeitalter des Europäischen Kolonialismus ging zu Ende. Die Vision einer europäischen Gemeinschaft und Abkehr von Nationalismus wurde geboren und zwar von Altiero Spinelli.

Der Wandel in Asien, Lateinamerika Afrika und Israel ist ein Thema, welches der Autor präzise erläutert. Dass dieser zumeist mit vielen Toten einherging, ist nicht jedem Geschichtsinteressierten bewusst.
Die Situation Israels wird in

FurchtUndBefreiung so dargestellt, wie ich sie noch nie las. Völlig neutral und nur durch Fakten belegbar, das ist wirklich eine Meisterleistung. Die Situation der Überlebenden des Holocaust in diesem Land war mehr als schwierig. Teilweise wurden sie verurteilt, weil sie sich nicht wehrten und sogar als minderwertig diskriminiert. Und das von den eigenen Landsleuten. Dass erst im Jahr 1961, nachdem in Jerusalem Anklage gegen Eichmann erhoben wurde, in dieser Beziehung ein Umdenken im jungen Staat stattfand, wusste ich nicht.

FurchtUndBefreiung ist für mich Geschichtsunterricht erster Klasse. Viele Dinge waren mir unbekannt, auch aus dem Grund, dass sie erst durch jahrelange Recherche des Autors aufgedeckt werden konnten. Ja, 5 Jahre dauerte diese und viele Helfer begleiteten Herrn Lowe dabei. Auch Fakten wie: Im Jahr 1945 gab es in Deutschland etwa 17 Millionen Displaced Persons und zwischen 1945 – 1950 etwa 25 Millionen Vertriebene und 67 Millionen Einwohner in Deutschland.
Und heute wird die Angst vor Überfremdung geschürt? Das kann irgendwie nicht sein.

Und noch etwas, was beängstigend ist: „Gegenwärtig ist die radikale Rechte in Europa mächtiger als zu jedem anderen Zeitpunkt nach dem 2. Weltkrieg.

Weitere Begriffe, die ich nicht weiter erkläre: Trostfrauen und Wodkajahrhundert werden in

FurchtUndBefreiung erläutert. Jeder, dem Geschichte wichtig ist, „muss“ das Buch lesen. Ich danke dem Verlag

KlettKotta und

NetGallayDE für das Leseexemplar.

Veröffentlicht am 21.05.2019

Siegt die Gerechtigkeit?

Hurentochter - Die Distel von Glasgow
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Eine Distel ziert nicht nur das Wappen von Schottland es ist auch seine Nationalpflanze. Sie steht ebenfalls für Unabhängigkeit und Kraft und wird daher von der Hauptfigur des Romans Hurentochter - Die ...

Eine Distel ziert nicht nur das Wappen von Schottland es ist auch seine Nationalpflanze. Sie steht ebenfalls für Unabhängigkeit und Kraft und wird daher von der Hauptfigur des Romans Hurentochter - Die Distel von Glasgow so sehr geschätzt. Das Cover gefällt mir besonders gut. Die Distel ist perfekt wiedergegeben. 

Emiliy, so heißt die Hauptperson des Romans, wächst in einem Bordell auf. Sie lebt dort zwischen den Huren und die umsorgen sie so gut sie können. Als Prostituierte möchte sie niemals tätig sein und ihre Mutter Ines unterstützt sie bei diesem Wunsch. Ja, sie geht im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen. Als Ines und mit ihr sämtliche Bewohner des Bordells ermordet werden, muss Emily fliehen und dabei hilft ihr der Freund aus Kindertagen, Liam. Auch er ist das Kind einer Dirne und wuchs ebenfalls im Bordell auf.

Hurentochter – Die Distel von Glasgow beschreibt die Jahre nach der Flucht, welche vom Auf und Ab des Lebens geprägt sind. Hunger, Verzweiflung und schwere Erkrankungen machen das Dasein der beiden zu einem gefährlichen Abenteuer. Sehr gefährlich wird es, als Emily dem Mörder ihrer Mutter begegnet. Die Liebe kommt in dem Buch nicht zu kurz, ist aber meiner Meinung nach gut dosiert eingebaut.

Das Buch gefiel mir sehr gut, weil ich vieles über Land und Leute erfuhr. So kannte ich zum Beispiel das Fest Beltane nicht. In Hurentochter – Die Distel von Glasgow erfuhr ich, dass es die symbolische Geburt des Sommers bedeutet. Wie es gefeiert wird hat die Autorin in eindrucksvoller Weise beschrieben. Auch die Tatsache, dass viele Bauern aus den Highlands vertrieben wurden und diese Aktion unter dem Begriff „Clearances“ zusammengefasst ist, kannte ich nicht.

Am Schluss des Buches führt die Autorin an, welche beschriebenen Ereignisse historisch belegt und anhand von Jahreszahlen festzumachen sind. Für alle Leser, die Schottland mögen und sich auch für die Geschichte interessieren, empfehle ich das Buch ganz besonders. Zwei weitere Bände rund um die Hurentochter werden ebenfalls im Verlag Piper erscheinen.