In „Drei Schritte zu dir“ stoßen wir auf eine Thematik, die doch sehr niederschmetternd und erdrückend wirkt. Unsere Protagonistin Stella leidet an unheilbarer Mukoviszidose – ein Krankheitsbild, das über kurz oder lang zum Tod führen wird. Wir lernen Stella also in ihrer zweiten Heimat, dem Krankenhaus, kennen und erfahren nicht nur einiges zu ihrem Leiden, sondern auch über ihren Umgang damit und wie sie trotz allem versucht, ein Stückchen Normalität in ihr Leben zu bringen. Doch nicht nur sie spielt eine tragende Rolle, sondern auch andere Patienten der Station. Schon während den ersten Seiten kommt diese typische Krankenhaus-Atmosphäre auf und nimmt einen als Leser komplett in Beschlag. Ich finde es wahnsinnig mutig von Rachael Lippincott, eine Geschichte rund um Mukoviszidose zu bauen und das alles auch noch für Jugendliche auszulegen; denn meiner Meinung nach hat sie das nahezu perfekt gemeistert. Mit einfachen, aber trotzdem spürbar gut recherchierten Erklärungen und Informationen bringt sie dem Leser die Krankheit näher und zeigt die Problematik deutlich auf. Sie sorgt dafür, dass auch Jugendliche nun darüber sprechen – oder zumindest Bescheid wissen. Ich selbst gehöre schon nicht mehr zu der Zielgruppe und doch konnte ich durch die Geschichte einiges neues erfahren und dazu lernen. Desweiteren fiel mir positiv auf, dass Rachael Lippincott auch ganz moderne Elemente ins Geschehen einband, sodass auch die jüngeren Leser und Leserinnen einen Bezug zu Stella herstellen konnten.
Aber – trotz allem positiven muss ich auch gestehen, dass mich das Buch emotional nicht erreichen konnte. Ich fand es interessant, keine Frage. Ich war neugierig, was wohl passieren würde und was Stella & Co. noch erleben werden bzw. überleben müssen; auch keine Frage. Selbst die kleinen Nebeneinflüsse in die Geschichte fand ich toll [beide haben ihre Hobbies, die einen recht wichtigsten Teil der Geschichte einnehmen]. Aber ich fühlte viel zu wenig, um richtig mitzufiebern. Ich weiß nicht, ob mir da die Verbindung zu den Protagonisten fehlte oder ob es an etwas anderem lag, aber Spannung war für mich kaum spürbar. Nicht falsch verstehen, ich las es gerne und fühlte mich auch gut unterhalten; und ich wollte auch gern wissen, wie es endet – aber egal was auch geschah, es ging fast komplett an mir vorbei. Selbst die Liebesgeschichte, die hier ganz zart aufgebaut wird, erzielte genau den selben Effekt, wie der Rest der Handlung. Ich nahm den Protagonisten ihre Gefühle nicht ab. Die Freundschaft untereinander ja; aber von Liebe war da nicht viel spürbar. Es gab ein paar wenige Momente, die man an einer Hand abzählen kann, die mich lächeln ließen; das schafften auch so manche Dialoge aber alles in allem fehlte mir der Wow-Effekt; die Gänsehaut; die Echtheit des Ganzen. Selbst das Ende war meines Erachtens nach nichts halbes und nichts ganzes; einfach nicht rund genug; als hätte man dem Happy End und dem Bad End gleichermaßen den Stecker gezogen sodass am Ende nur ein Mittelmaß von beidem übrig blieb.
Mein Hauptproblem sehe ich aber definitiv bei den Figuren. Obwohl mir die Dialoge untereinander enorm zusagten und stellenweise fast etwas von Poesie hatten, wurde ich mit keinem Charakter richtig warm. Stella war mir zu Beginn noch sehr sympathisch – eine richtige, kleine Kämpferin, die trotz ihres Schicksals das Beste aus ihrem Leben machte. Vernünftig und verantwortungsvoll bestritt sie ihren Alltag – achtete penibel darauf, sich an alle Regeln und Vorschriften zu halten und wirkte alles in allem genau wie man sich eine totkranke junge Frau vorstellt. Sie wusste, was sie erwartete, wirkte aber trotzdem nicht hoffnungslos. Sie hatte Hobbys und Freunde, sie lachte aus vollem Herzen und wenn manchmal konnte man glatt vergessen, dass ihr die Mukooviszidose irgendwann die Luft raubt. Doch im Laufe der Geschichte nahm sie immer seltsamere Züge an. Sie ließ sich, meiner Meinung nach, viel zu sehr negativ beeinflussen und verwandelte sich in einen nicht mehr nachvollziehbaren Trotzkopf. Stella ist 17 und handelte zunehmend wie ein kleines Kind. Wie konnte sie eine derart rückläufige Entwicklung durchmachen? Schade. Ich hatte am Anfang noch ein echt gutes Gefühl mit ihr, aber die hauchzarte Verbindung, die ich zu ihr geknüpft hatte, wurde gekappt und trieb uns beide immer mehr auseinander; sodass ich ab der Mitte eigentlich gar nicht mehr mit ihr mitfühlen, geschweige denn ihre Handlungen und Gedankengänge nachvollziehen konnte.
Bei Will war das etwas anders. Ihn mochte ich anfangs überhaupt nicht; fand ihn einfach rebellisch, trotzig und dumm. Bei ihm galt: hauptsache dagegen. Doch scheinbar hatte sie verantwortungsbewusste Stella einen guten Einfluss auf ihn, sodass er sich nach und nach ein paar wenige Sympathiepunkte verdienen konnte. Während Stella also immer mehr abwärts rutschte, kämpfte sich Will mühsam nach oben – gen Mitte trafen sich die beiden mal kurz, entfernten sich dann aber doch wieder. Was mir bei Will aber positiv auffiel war sein Umgang mit seinen Freunden: sehr authentisch, echt und liebenswert.
Wahrscheinlich lag es vor allem daran, dass ich Jason und Hope unglaublich gerne mochte – weil sie ein Stück Normalität mit ins Krankenhaus brachten; genau so wie Mya und Camila. Barb und Julie waren ebenfalls voll nach meinem Geschmack, auch wenn mir bis heute nicht einleuchten will, warum manches bei ihnen so war, wie es war.
Zum Schreibstil hab ich dabei keinerlei Kritik. Ich hatte die Art und Weise, wie Rachael Lippincott wichtige Informationen und medizische Erklärungen in die Geschichte einbaut, ja zuvor schon gelobt und auch der Lesefluss war definitiv gegeben. Ich kam relativ schnell und locker durch die Seiten; und das trotz der schweren Thematik. Die Autorin erzählt sehr anschaulich und bildhaft, trotzdem nicht zu detaillverliebt. Ich hatte also stets ein klares Bild vor Augen, ohne mich von Beschreibungen überschwemmt gefühlt zu haben. Erzählt wird übrigens aus Sichten beider Protagonisten, sodass sie uns noch ein wenig näher gebracht werden – in diesem Fall nicht unbedingt positiv; aber an und für sich eine sehr schöne Idee und die beste Möglichkeit, Abwechslung in eine Geschichte zu bringen.
FAZIT:
„Drei Schritte zu dir“ von Rachael Lippincott und Co. ist für mich ein Buch gewesen, das ich gerne gelesen habe. Die Idee und vor allem die Recherche, die hinter dieser Handlung steckt, ist beeindruckend und erschütternd zugleich. Chapeau, dass sich die Autorin einem so wichtigen Thema annimmt aufzeigt, wie schrecklich die Diagnose Mukoviszidose für Betroffene wie Angehörige gleichermaßen ist. Nichts desto trotz konnte mich die Geschichte leider emotional nicht packen, sodass ich mir bis zuletzt sehr schwer tat, überhaupt mitzufiebern. Schade. Denn die einzelnen Plots und auch der Haupttwist waren großartig und hatten jede Menge Potential.