KEIN WASSER. NICHT HEUTE. NICHT MORGEN. VIELLEICHT NIE MEHR.
Schon seit einiger Zeit herrscht in Kalifornien eine katastrophale Dürre, die zu einer drastischen Wasserknappheit — oder „Tap-Out“ wie es von offizieller Seite genannt wird - geführt hat. Gesetzlich verordnetes Wassersparen ist angesagt mit einer endlosen Liste von Verboten, wie beispielsweise NICHT den Rasen sprengen, NICHT den Pool füllen oder NICHT ausgiebig Duschen. Doch mit dem Schlimmsten hat niemand wirklich gerechnet.
Als die junge Alyssa an einem heißen Junitag den Wasserhahn aufdreht, kommt plötzlich kein Wasser mehr. In den Nachrichten heißt es nur, dass die Einwohner Kaliforniens sich gedulden und Ruhe bewahren sollen. Als das Problem jedoch bestehen bleibt, setzt eine verzweifelte Jagd auf die letzten Wasservorräte in Supermärkten und Tankstellen ein, und Alyssas ruhige Vorstadt verwandelt sich plötzlich in eine bedrohliche Kriegszone. Ein gnadenloser Kampf um die letzten Wasservorräte und ums nackte Überleben hat begonnen …
Auch Alyssa, ihre Bruder und ihre Eltern haben sich schwerwiegenden Entscheidungen zu stellen …
Der Jugendroman „Dry“ des Bestsellerautors Neal Shusterman und seinem Sohn Jarrod ist eine aufrüttelnde Dystopie über die Auswirkungen einer plötzlichen Wasserknappheit, die vor der aktuellen Problematik des Klimawandels und sich häufender Naturkatastrophen erschreckend realitätsnah und gar nicht so weit hergeholt klingt. In ihrer erschütternden Überlebensgeschichte beschreibt das Autorenduo sehr anschaulich, wie sich durch den Ausnahmezustand der soziale Zusammenhalt zwischen den Menschen schlagartig wandelt, jegliche Hemmschwellen fallen und wozu die Menschen angesichts beschränkter Überlebenschancen fähig werden. Eine sehr beklemmende Thematik, die die Autoren äußert überzeugend umgesetzt haben. Hautnah erleben wir eine ganze Bandbreite an glaubhaften Szenarien und möglichen Verhaltensweisen mit, wenn trinkbares Wasser zum kostbarsten, weil überlebensnotwendigen Gut wird – von der nur noch auf den engsten Familienkreis beschränkten Hilfsbereitschaft und Solidarität oder kurzfristigen Zweckgemeinschaften, bis zum Einsetzen eines erschreckenden Werteverfalls, aber auch zu erstaunlichen, unter der Oberfläche schlummernden Kräften und dem Erfindungsreichtum der Menschen.
„Eine Katastrophe ist eine Sache, Unruhen eine andere, aber die komplette Auflösung der Gesellschaft? Ist es das, was wir gerade erleben? In meinem Kopf kreisen postapokalyptische Visionen, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie real werden könnten… .“
Die Geschichte wird abwechselnd aus den unterschiedlichen Perspektiven einer zusammengewürfelten Gruppe von Jugendlichen erzählt, in deren Mittelpunkt die Protagonisten Alyssa, ihr jüngeren Bruder Garett und ihr Nachbar Kelton stehen sowie die später noch hinzukommende Jaqui und Henry. Ich konnte mich sehr gut in ihre verzweifelte Lage und ihre Beweggründe hineinversetzen und ihre Entwicklung im Laufe der Handlung nachvollziehen. Sehr schnell beginnt man mit ihnen mit zu fiebern und stellt sich unwillkürlich die Frage, wie man sich selbst verhalten hätte, wie man den sogenannten „Wasserzombies“ begegnet wäre und welche grenzwertige Entscheidung man mitgetragen hätte. Gebannt verfolgt man den sehr authentisch und eindringlich geschilderten Ereignissen und unberechenbaren Extremsituationen, denen sie während ihrer nervenaufreibenden Suche nach Trinkwasser immer wieder ausgesetzt sind. Mit immer neuen Überraschungsmomenten zieht die Spannung stetig an und die Geschichte gipfelt in einem absolut packenden Finale. Über das Ende kann man zwar geteilter Meinung sein und auch die ein oder andere unlogische Entwicklung bemängeln, doch insgesamt ist „Dry“ ein wirklich packender und nachdenklich stimmender Roman.
MEIN FAZIT
Eine sehr realitätsnahe Dystopie und überzeugend umgesetzte Überlebensgeschichte, die nicht nur jugendliche Leser packen kann! Beklemmend, aufrüttelnd, fesselnd – lesenswert!