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Veröffentlicht am 04.06.2019

Das Rheinland zwischen Franzosen und Preußen

Die Festung am Rhein
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Franziska und ihr Bruder Christian müssen beim gestrengen und egoistischen Onkel in Coblenz leben, nachdem ihr Vater in der Schlacht von Waterloo gefallen ist und die Mutter kaum noch Mittel zum nackten ...

Franziska und ihr Bruder Christian müssen beim gestrengen und egoistischen Onkel in Coblenz leben, nachdem ihr Vater in der Schlacht von Waterloo gefallen ist und die Mutter kaum noch Mittel zum nackten Überleben hat.


Im Jahre 1822, Christian ist mittlerweile Pionier in der preußischen Armee und Freiwilliger beim Bau der Feste Ehrenbreitstein, verschwinden geheime Baupläne und rasch ist der Halbfranzose als Dieb und Verräter festgesetzt - schließlich war der Vater ein Offizier Napoleons. Von Christians Unschuld überzeugt, sucht Franziska nach dem wahren Täter und ist dabei immer wieder auf die Unterstützung des gestrengen und unerbittlichen Leutnants Rudolph Harten angewiesen. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft kommen sie einander näher als gebührlich für einen Preußen und eine Halbfranzösin…

Maria W. Peter baut ihren historischen Roman strukturiert auf in fünf großen Abschnitten, von denen jeder mit einem passenden Spruch beginnt. Danach kommen jeweils ein Rückblick auf die Schlacht bei Waterloo 1815 und die fortlaufenden Kapitel mit Coblenz bzw. Cöln als Handlungsort im Jahre 1822. Ein Epilog 1823 beendet zwar die Handlung, jedoch noch lange nicht das hervorragende Buch. Nun folgen nämlich noch ein sehr ausführliches Nachwort, Glossar, handelnde und historische Personen und nach dem Dank als besondere Draufgabe „Reise- und Stöbertipps“ auf den Spuren von Franziska und Rudolph; weit mehr also als nur gute Unterhaltung! Fast hätte ich jetzt auf die beiden Landkarten am Anfang vergessen, die natürlich dem Leser die geographische Orientierung erleichtern.

In angenehm und flüssig zu lesendem Schreibstil lässt die Autorin das historische Rheinland vor den Augen des Lesers entstehen, in dem „zwei verfeindete Volksgruppen, zwei entgegengesetzte Mentalitäten aus Ost und West zwangsweise zusammengewürfelt worden waren“. Durch geschicktes Verweben der Schicksale von Franziska, Christian und Rudolph lernen wir beide Sichtweisen kennen und verstehen; jeder hat wohl auf seine Weise „recht“ und man spürt förmlich die vorherrschende Distanz und das Misstrauen untereinander. Manche Dialoge finden im Dialekt statt, wodurch das Ganze noch authentischer wirkt – z.B. beim Burschen Fritz oder beim Schotten McBaird. Auch französische Satzteile sind gekonnt in den Text eingearbeitet.

Nicht nur sind die einzelnen Personen anschaulich und bildhaft charakterisiert, die einzelnen Szenen berührend und fesselnd dargestellt, auch die geschichtlichen Hintergründe sind exzellent recherchiert und fließen unauffällig aber einprägsam in die Handlung ein. Die Anzahl der Figuren ist überschaubar und mit ca. 600 Seiten hat Peter auch eine gute Länge für den Roman gewählt, damit man möglichst viel Zeit mit Franziska und Rudolph verbringen kann. Langeweile kommt nämlich hier nicht auf, die Spannung wird vom Anfang bis zum Ende konstant gehalten.

Langer Rede kurzer Sinn: dieser historische Roman ist ein informatives Geschichtsbuch, ein spannender Krimi und nicht zuletzt eine melodische Liebeserzählung.

Ein weiteres Buch auf meiner persönlichen Hitliste 2019!

Veröffentlicht am 02.06.2019

Einfach zauberhaft

Der Zauber von Somerset
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Amber braucht eine Auszeit und mietet im schönen Südengland ein günstiges Cottage für drei Monate. Ähnlich ergeht es Finian, der aus London fliehen möchte, um einen neuen Roman zu schreiben. Durch eine ...

Amber braucht eine Auszeit und mietet im schönen Südengland ein günstiges Cottage für drei Monate. Ähnlich ergeht es Finian, der aus London fliehen möchte, um einen neuen Roman zu schreiben. Durch eine unglückliche Doppelvermietung treffen die beiden in Somerset aufeinander und gehen – da alle Unterkünfte in der Umgebung bereits belegt sind – eine Wohngemeinschaft auf Probe ein. Als Mietpreis inkludiert ist die Pflege eines alten einsamen Pferdes, bei der Amber und Finian einander langsam näher kennen lernen, obwohl sie grundsätzlich eine strikt getrennte Nutzung des Ferienhäuschens vereinbart haben. Schließlich gesellt sich auch noch ein vom Besitzer schändlich vernachlässigter Hund zu der kleinen Gruppe und plötzlich heißt es zusammenhalten gegen alles, was diese friedliche Idylle stören könnte.

In geschickter Abfolge kurzer, übersichtlicher Kapitel stellt Pippa Watson das Geschehen einmal aus der Sicht Ambers, dann wiederum aus jener von Finian dar, jeweils in der Ich-Form, was ich zuerst ein wenig verwirrend fand, aber gerade dadurch gewinnt der Roman größtmögliche Authentizität und Lebendigkeit. Diese sehr persönliche Schreibweise geht einem als Leser recht nahe, berührt und lädt ein, sich selbst mitten in der Geschichte wiederzufinden. Scheint es sich erst um eine nette Sommerlektüre zu handeln, so erkennt man rasch, dass in diesem Roman viele ernsthafte Themen verpackt sind, die nicht nur zum Träumen anregen sondern auch zum Nachdenken und Innehalten, zum Reflektieren über sich selbst. All das ist wunderschön eingebettet in eine Ruhe ausstrahlende Landschaft und die Nähe zu teils pflegebedürftigen Tieren. Überraschende Details und Wendungen sorgen für dauerhafte Spannungen und auch weniger sympathische Figuren werden mit freundlichen Wesenszügen ausgestattet, sodass sie glaubhaft rüberkommen.

Wie das Schicksal von Amber und Finian auch durch ihre vierbeinigen Mitbewohner mit beeinflusst wird, schildert die Autorin in einer so liebevollen und inspirierenden Sprache, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen möchte. Einzelne Szenen sind so gut recherchiert und deutlich erzählt, dass man einfach nur gerührt zurückbleiben kann.

Obwohl ich ja selber überhaupt kein „Tiernarr“ bin, haben mich hier Buchtitel und Bild sofort angesprochen und ich bin sehr froh, dass ich mich auf diesen Zauber eingelassen habe. Eine klare Empfehlung für wunderbare Lesestunden.

Veröffentlicht am 16.05.2019

Morde nach Vorschrift

NOCTURNA Die tödliche Schrift
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Privatdetektivin Ruby Fuchs soll einen ungewöhnlichen Fall übernehmen: Madame de Rochat möchte, dass geplante Morde nach der Vorlage von Nostradamus‘ Schrift „Nocturna“ gestoppt werden.

Nachdem bereits ...

Privatdetektivin Ruby Fuchs soll einen ungewöhnlichen Fall übernehmen: Madame de Rochat möchte, dass geplante Morde nach der Vorlage von Nostradamus‘ Schrift „Nocturna“ gestoppt werden.

Nachdem bereits die Polizei Zweifel an Rochats Verstand hegt, findet auch Ruby diesen Auftrag absurd. Andererseits haben sich bereits Prophezeiungen wie ein im Weidenkorb ausgesetzter Säugling und ein Toter bewahrheitet. Und bevor Ruby und ihr Partner John Bentwood eine bewusste Entscheidung treffen können, stecken sie schon selbst mitten drinnen in einer unglaublichen Geschichte.

„Mit ihrer Stimme fing alles an.“ So lernt der Leser Ruby Fuchs kennen, in der Badewanne, mit den Zehen plätschernd, in einem Telefongespräch mit der potentiellen Auftraggeberin Madame de Rochat. Großartig wird das Telefonat verwoben mit Details aus Rubys Leben, sodass ein sehr guter Eindruck von der Privatdetektivin entsteht. Auch alle anderen Figuren werden detailliert vorgestellt und charakterisiert, rasch hat man von allen ein perfekt gezeichnetes Bild vor Augen.

Silke Nowaks Kriminalroman spielt aktuell im Jahre 2019 in Ravensburg. Die Vorhersagen in Nostradamus‘ Manuskript treffen exakt auf die örtlichen Gegebenheiten und laufenden Ereignisse zu und scheinen Beweis genug zu sein, dass weitere Morde stattfinden und nur ein kleiner Teil der Menschheit einen Umbruch überleben wird.

Besonders erwähnenswert finde ich die gekonnte und packende Schreibweise der Autorin, ihre gut gewählten Stilmittel, wie z.B. immer wieder eingestreute exakte Zeitangaben, die Rubys Unruhe verdeutlichen oder die französischen Einsprengsel, die Madame de Rochat richtig lebendig werden lassen.

Da und dort gibt es interessante und unerwartete Wendungen, viele spannende Themen, die angerissen werden, wodurch die Geschichte stets kurzweilig bleibt und den Leser bis zum Ende gut unterhält.

Die Idee, alte Texte als Grundlage für einen Kriminalroman heranzuziehen, ist ungewöhnlich und durchaus gelungen. Den zum Schluss angedeuteten nächsten Fall werde ich bestimmt verfolgen und davor sicherlich auch noch „Alinas Grab“ lesen.

Veröffentlicht am 06.05.2019

Traumtanz

Das Gemälde der Tänzerin
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2018:
Helena ist Alleinerzieherin von 15jährigen Zwillingen, die Ballettkarriere ist Vergangenheit, ihre große Liebe auch. Auf Druck des RAV, des regionalen Arbeitsvermittlungszentrums, nimmt die ungelernte ...

2018:
Helena ist Alleinerzieherin von 15jährigen Zwillingen, die Ballettkarriere ist Vergangenheit, ihre große Liebe auch. Auf Druck des RAV, des regionalen Arbeitsvermittlungszentrums, nimmt die ungelernte 35jährige eine Stelle als Zimmermädchen im Fünf-Sterne-Luxushotel Kronenberg an, obwohl sie dadurch ihr vor Jahren gegebenes Versprechen gegenüber den Besitzern nicht mehr einhält.

1937:
Lydia muss bereits im Alter von 16 Jahren ihren Heimatort verlassen und verdingt sich in Luzern als Zimmermädchen.

Wie hängen die Schicksale der beiden Frauen miteinander zusammen und was hat das alles mit einem alten Gemälde zu tun?

Sowohl das Titelbild als auch der Klappentext lassen den Leser neugierig werden und bereits die ersten Zeilen ziehen den Leser in einen Sog aus Spannung zwischen den beiden Zeitebenen.

Sehr gelungen ist die einfühlsame Beschreibung der Personen und der Lebensumstände, sowohl im Heute als auch während der Kriegszeit. Rasch fühlt man sich ins jeweilige Umfeld hineinversetzt und verfolgt die gelungene Mischung aus generationenübergreifender Familiengeschichte, Krimi und Liebesroman. Erst nach und nach offenbaren sich wesentliche Details, sodass man gefesselt beim Buch bleibt, um alle Hintergründe aufzudecken und längst Zurückliegendes zu erfahren.

Dieser Roman hat mich durch seinen lebendigen und mit Liebe zum Detail geprägten Schreibstil gefesselt und mich ganz in die Lektüre versinken lassen. Helena und Lydia, sowie auch all die anderen Personen, kommen einem sehr nahe und sind in eine Geschichte verstrickt, deren Ende eine überraschende Wahrheit ans Licht bringt.

Ein absolutes Lesevergnügen von einer mir bisher unbekannten Autorin. Gerne lese ich mehr von Christine Jaeggi.

Veröffentlicht am 06.05.2019

Englischer Landhauskrimi

Dreizehn Gäste
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Lord Aveling lädt zwölf Gäste auf sein Landgut Bragley Court, bunt gemischt, untereinander teils unbekannt. Die junge Witwe Nadine Leveridge trifft bei ihrer Anreise am örtlichen Bahnhof den verletzten ...

Lord Aveling lädt zwölf Gäste auf sein Landgut Bragley Court, bunt gemischt, untereinander teils unbekannt. Die junge Witwe Nadine Leveridge trifft bei ihrer Anreise am örtlichen Bahnhof den verletzten John Foss und beschließt kurzerhand ihn mitzunehmen. Nun befinden sich unglücklicherweise dreizehn Gäste im Landhaus, allerdings ist Foss nicht der Dreizehnte, der eintrifft. Bringt diese Zahl tatsächlich ein Unglück mit sich und wen wird es treffen? „Das Pech ereilt … den dreizehnten Gast, der durch die Tür da kommt.“

Im typischen Stil englischer Kriminalliteratur Anfang des 20. Jahrhunderts geschrieben, besticht dieser Krimi durch das „Landhaus-Muster“: die Verdächtigen befinden sich in einem kleinen, geschlossenen Kreis; der Leser darf gerne miträtseln, wer als Täter infrage kommt und warum.

Farjeon beginnt seinen Kriminalroman ganz unspektakulär am Schotter des Bahnhofs Flensham, und doch setzt hier schon eine ganz spezielle Atmosphäre ein: „die Stimme ist rau und trotzdem auch seltsam sanft“ – der Leser bekommt bereits auf der erste Seite einen Eindruck der besonderen Sprachmelodie, die auch in der deutschen Übersetzung (die übrigens erst 2019 erstmals erschienen ist) sehr gut getroffen ist, detailreich, aber doch in den Dialogen knapp und auf das Wesentliche beschränkt, sodass es nicht zu langatmig wird.

Die restliche Handlung spielt sich abgeschieden auf Avelings Landgut ab. Nach und nach treffen die Gäste ein, der Leser lernt recht unterschiedliche Charaktere kennen, manche werden direkt vorgestellt, anderen begegnet man auf Umwegen, indem ein Gast über einen anderen spricht. So bekommt man auch gleich einige persönliche Sympathien bzw. Abneigungen mitgeliefert.

Als schließlich ein Gemälde zerstört und ein Mann ermordet aufgefunden wird, ermittelt Kriminalinspektor Kendall systematisch und raffiniert. Gezielt stellt er Fragen oder lässt Zeugen einfach von sich aus erzählen. Stück für Stück werden Puzzlesteine zusammengetragen, neue Erkenntnisse mit alten verknüpft, Zusammenhänge hergestellt. So bleibt der Fall bis zum Schluss spannend und lesenswert.

„J. Jefferson Farjeon gebührt ein Platz in der Ehrenhalle der englischen Kriminalschriftsteller.“ Christian Schröder. Der Tagesspiegel.
Dem kann ich mich nur anschließen.