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Veröffentlicht am 11.06.2019

Ein unterhaltsames Buch über Katharina die Große

Die Zarin und der Philosoph (Sankt-Petersburg-Roman 2)
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Das Findelkind Vera lebt mit ihrem Ziehvater Kostja, einem Einsiedler, im Wald nahe St. Petersburg. Als sie älter wird beschließt dieser, dass er sie zur Zarin Katharina bringt. Er lernte sie als warmherzig ...

Das Findelkind Vera lebt mit ihrem Ziehvater Kostja, einem Einsiedler, im Wald nahe St. Petersburg. Als sie älter wird beschließt dieser, dass er sie zur Zarin Katharina bringt. Er lernte sie als warmherzig und mitfühlend kennen. Und er handelt richtig. Das Mädchen wird von der Zarin gefördert und bekommt alles, was sie sich denken mag.

Johanna und Stephan Mervier reisen im Auftrag Friedrichs des Großen nach Russland. Stephan soll die Zarin bespitzeln und Friedrich über ihre Pläne berichten. Es scheint als wolle er verhindern, dass Russland irgendwann fortschrittlicher als Preußen ist. Im Gegensatz zu Voltaire, den die Zarin sehr schätzt, ist er ein unbekannter Philosoph. Seine Frau Johanna ist Künstlerin und sie folgt ihrem Mann nach St. Petersburg. Stephan lernt interessante Gesprächspartner kennen und schließt sich einem Kreis an, der vornehmlich aus Gleichgesinnten besteht. Auch am Hof ist er oft geladen. Johanna hingegen muss zuhause weilen und sucht im Alkohol Ablenkung.

Der Titel des Buches ist für meine Begriffe irreführend. In dem Roman geht es nicht vornehmlich um den Philosophen und Katharina. Es geht unter anderem um Verrat und Revolution der Armen. Auch wird gezeigt, wie zwiegespalten die Zarin war. Einerseits warmherzig und empathisch, andererseits auch brutal im Umgang mit Untergebenen und der Vollstreckung von Todesurteilen. Ob sie tatsächlich so viele Liebhaber hatte, wie allgemein behauptet wird, kann niemand belegen. Das gefiel mir in dem Roman sehr gut. Dass die Autorin Martina Sahler sich an Fakten hielt und überall dort, wo das nicht der Fall war, dies auch im Anhang erklärte.

Die Karte von Russland und das Personenverzeichnis am Anfang machen es leicht, in die Geschichte einzutauchen. Die Stadt sowie das Reich der Zarin wird ausführlich beschrieben und das zeugt von Ortskenntnis der Autorin. Wer historische Romane mag, die nicht nur streng auf Fakten und Jahreszahlen basieren, wird das Buch mögen. Aber auch das Cover ist sehr ansprechend und weist auf den Inhalt hin.

Veröffentlicht am 07.06.2019

Keine "leichte Kost"

Die Kindheit ist politisch!
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Ein Psychohistoriker zählt zu den Wissenschaftlern, die Ereignisse in der Geschichte auf eigene Art untersuchen. Sie setzen dabei auf Grundlagen der Psychologie. Sven Fuchs, der Autor des Buches Die Kindheit ...

Ein Psychohistoriker zählt zu den Wissenschaftlern, die Ereignisse in der Geschichte auf eigene Art untersuchen. Sie setzen dabei auf Grundlagen der Psychologie. Sven Fuchs, der Autor des Buches Die Kindheit ist politisch forschte über viele Jahre, ob es einen Zusammenhang zwischen Traumata in der Kindheit und dem späteren Agieren als Politiker gibt. Wer es liest erkennt ebenfalls, dass es nicht nur Personen des öffentlichen Lebens sind, die durch Gewalt in der Kindheit das sind, was sie als Erwachsene ausmacht.

Es ist bekannt, dass die Erziehung früherer Zeit von Druck und Gewalt geprägt war. Sowohl psychisch als auch physisch wurden Kinder unterdrückt und ein eigener Wille kam nicht zum tragen. Oft gab es das Zitat Hiobs aus der Bibel: „Erzieht eure Kinder hart und streng“. Oder „Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen“.

Die Kindheit ist politisch ist das Ergebnis von Forschungen, die der Autor über Jahre betrieb. Mütter, die ihre Kinder missbrauchen oder den Vater als schlagendes Etwas („Warte bis der Papa nach Hause kommt“) gab es damals und heute gibt es sie immer noch. Es sind nicht nur die Männer, welche die Hand gegen ihren Nachwuchs erheben.

Herr Fuchs hat etliche Biographien von Massenmördern untersucht. Dazu gehören unter anderem: Hitler, Breivik und Stalin. Er führt in Die Kindheit ist politisch Tabellen an die belegen, welches Ausmaß die Gewalt gegenüber Kinder noch immer hat. (Siehe Palästina und die sogenannten Sommercamps für die Kleinen).

Astrid Lindgren war eine Verfechterin gewaltloser Erziehung und sollte vielen Eltern ein Vorbild sein. Das Buch hat mich sehr berührt und es dauerte eine Weile, bis ich es durchgelesen hatte. Doch ich erkannte, dass es sich lohnt. Anfangs war ich sehr skeptisch aber das verging bald. Weil Herr Fuchs keine Dogmen verbreitet sondern viel mehr dazu anregt, sich Gedanken über unsere Kinder zu machen. Tut die Politik genug, damit Kinder tatsächlich gewaltfrei leben können? Wie sieht es in Schulen und Kindergärten aus und werden Eltern ausreichend unterstützt? Mit Vorurteilen sind wir Menschen leider schnell bei der Hand. Wir sollten viel häufiger schauen, wo wir helfend eingreifen können. Auch das vermittelt das Buch Die Kindheit ist politisch.

Veröffentlicht am 05.06.2019

Schöne Beschreibung der Insel Mallorca und ihrer Geschichte

Das Tal der Orangen
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Der Prolog von DasTalDerOrangen schildert die Autorin, wie ein Arbeiter durch Zufall ein Geheimversteck entdeckt. Darin befindet sich ein Kasten mit Gegenständen, die im letzten Jahrtausend dort versteckt ...

Der Prolog von

DasTalDerOrangen schildert die Autorin, wie ein Arbeiter durch Zufall ein Geheimversteck entdeckt. Darin befindet sich ein Kasten mit Gegenständen, die im letzten Jahrtausend dort versteckt wurden.

DasTalDerOrangen beginnt mit der Schilderung eines Treffens von Jugendlichen auf der Insel Mallorca. Es ist das Jahr 1935 und Magdalena ein Teenager. Dann folgt der zweite Erzählstrang und der beginnt im Jahr 2016.

Die Hauptperson Anais ist Inhaberin eines Cafés und ihre Spezialität dort sind selbstgebackene Ensaimadas. Das sind Köstlichkeiten, deren Rezept von der Insel Mallorca stammen. Anais ist die Urenkelin von Magdalena und das gefundene Kästchen gehörte ihr. Anais wusste gar nicht, dass Magdalena auf Mallorca geboren wurde und dort ihre Jugend verbrachte. Nachdem sie den wertvollen Kasten in Händen hält, möchte sie unbedingt wissen, warum die Urgroßmutter die Insel verließ und in Frankreich lebte.

DasTalDerOrangen wird weiter in zwei Zeiten geschrieben. Einmal ist die Rede von der Vergangenheit Magdalenas und dann das gegenwärtige Leben von Anais. Mir gefiel, dass die Autorin sehr schmackhafte Rezepte zu den erwähnten Spezialitäten Mallorcas aufschrieb. Auch die Geschichte der Insel, die Situation im Bürgerkrieg und dann die Probleme des Massentourismus heutiger Zeit sind ein Thema. Bei Lesen des Buches war es mir tatsächlich so, als würde ich die Orangen riechen. So fein beschrieb die Autorin ihren Duft. Sie hat wirklich eine bildhafte Sprache, die mir gut gefiel.

Wer bereits auf der Baleareninsel war, der „muss“ das Buch lesen. Der Ort Sóller ist ja bis heute für seine schmackhaften Orangen bekannt und viele Deutsche ordern sich die süßen Früchte von dort. Ja, zuweilen ist

DasTalDerOrangen vorhersehbar aber dennoch empfehle ich ihn ausdrücklich.

Ich danke dem Verlag und #NetgalleyDE, dass ich das Buch lesen durfte.

Veröffentlicht am 04.06.2019

Behördenwillkür gegenüber Unmündigen

Die verlorene Schwester
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Anna Volkmann ist die Hauptperson in dem Buch DieVerloreneSchwester. Sie lebt in Zürich in einer Bank, ist nicht verheiratet und ohne festen Freund. Ihre Mutter ist Witwe und wohnt in Konstanz. Sie ruft ...

Anna Volkmann ist die Hauptperson in dem Buch

DieVerloreneSchwester. Sie lebt in Zürich in einer Bank, ist nicht verheiratet und ohne festen Freund. Ihre Mutter ist Witwe und wohnt in Konstanz. Sie ruft eines Tages an. Die Mutter hatte einen Unfall und bittet Anna um Hilfe. Das lässt Anna sich nicht zweimal sagen und fährt in ihr Elternhaus. Nach einem Telefonat mit ihrer Mutter sucht sie nach einer Versicherungspolice zu einer Unfallversicherung. Dabei macht sie eine für sie selber schlimme Entdeckung: Sie ist nicht das leibliche Kind ihrer Eltern, sondern sie wurde adoptiert. Verstört und fassungslos will sie darüber mit ihrer Mutter sprechen. Die kann und will ihr nicht viel dazu sagen. Anna muss für sich selbst Klarheit haben und macht sich auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter.

Das Buch

DieVerloreneSchwester berichtet die Geschichte in zwei unterschiedlichen Zeiten und mit verschiedenen Personen. Das ist zum Einen im Jahr 2008, wo Anna die Entdeckung macht und ihre leibliche Mutter sucht. Zum Anderen ist es die Zeit zwischen 1969 und 1974, wo vom Schicksal von Lena und Marie, zwei „Verdingkindern“ erzählt wird. Die beiden sind Schwestern und lebten bei ihrer Mutter. Nach dem Tod des Vaters litt diese an schweren Depressionen und die Nachbarschaft machte sich „Sorgen“, dass die beiden Mädchen verwahrlosen. Das Jugendamt wurde eingeschaltet und Lena und Marie kamen in ein Heim und später dann als Verdingkinder zu fremden Familien. Sie wurden getrennt und beide wussten nichts mehr voneinander.

Verdingkinder gab es in der Schweiz bis etwa 1980. Dieses dunkle Kapitel des Landes wird dort nicht gerne berührt und Betroffene kämpfen heute noch um Anerkennung ihres Leides. Guilette Geiger war eine von ihnen und setzt sich noch immer für die Belange der traumatisierten Menschen ein. Unbegreiflich aber wahr: Die Regierung der Schweiz sah es erst im Jahr 2013 als notwendig an, sich bei den Kindern zu entschuldigen.

Das Frauengefängnis Hindelbank spielt in

DieVerloreneSchwester ebenfalls eine Rolle. Hier kamen junge Frauen hin, die „schwer erziehbar“ waren oder einen „lasterhaften Lebenswandel“ führten. Das Urteil über sie wurde ohne Prozess gefällt und sie hatten niemals die Möglichkeit, sich zu verteidigen.

DieVerloreneSchwester ist ein Buch, welches ich auch als Mahnung für Mitarbeiter von Behörden, wie etwa dem Jugendamt betrachte. Die Willkür dieser Mitarbeiter von öffentlichen Ämter ist teilweise noch immer haarsträubend. Das Buch hat einige Längen und die Liebesgeschichte von Anna passt meiner Meinung nach in dieser Ausführlichkeit nicht dazu. Da hätte die Autorin lieber ein wenig mehr über Guilette Geiger oder das Haus Hindelbank schreiben können. Das Ende war mir persönlich zu abrupt. Das Thema ist aber gut recherchiert und daher gebe ich auch eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 31.05.2019

Sauerbruch und der Widerstand

Die Spionin der Charité
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Die Spionin der Charité ist wieder ein gelungener Roman des Autors Christian Hardinghaus. Als Historiker befasst er sich eingehend mit der Zeit um den 2. Weltkrieg und schon das Buch Ein Held dunkler Zeit ...

Die Spionin der Charité ist wieder ein gelungener Roman des Autors Christian Hardinghaus. Als Historiker befasst er sich eingehend mit der Zeit um den 2. Weltkrieg und schon das Buch Ein Held dunkler Zeit zeugte von akribischer Recherche.

Lily Hartmann ist eine junge Frau, die mit ihren Eltern in Danzig wohnt. Als Krankenschwester zieht es sie nach Berlin und hier an das renommierte Krankenhaus, die Charité. Dort ist Dr. Sauerbruch Chefarzt und stellt Lily als seine private Sekretärin ein. Sie lernt ihn als sympathischen und geradlinigen Menschen kennen, der nichts von den Machenschaften Hitlers und seiner Anhänger hält.

Lily Hartmann lernt hier auch den Professor und Leiter der psychiatrischen Station kennen. Sie ist naiv und fällt zunächst auf sein Werben herein. Glücklicherweise merkt sie bald, dass er ein Playboy ist. Und nicht nur das. Er ist der Meinung, dass lebensunwertes Leben zu beenden ist und handelt strikt danach. Lily kommt zufällig dahinter, wie dieses Ende aussieht und ist entsetzt. Es dauert nicht lange, bis sie sich einer kleinen Gruppe anschließt, die dem Hitlerregime Widerstand bietet.

Die Spionin der Charité zeigt einmal mehr, dass Sauerbruch von einigen Menschen falsch eingeschätzt wurde. Nein, er war kein Anhänger der Nazis. Das Gegenteil ist der Fall. Und es gab damals etliche mutige Menschen, die sich im Widerstand zusammenschlossen. Schlimm fand ich den Bericht von Lily, der von der Zeit nach dem Krieg handelt. Dass Verbrecher wenn überhaupt nur lapidar bestraft wurden und Menschen, die gegen das damalige Regime kämpften alleine gelassen wurden.

Das Töten von Behinderten gehörte zu Hitlers Plan, eine gesunde Rasse zu „züchten“. Behinderte Kinder und ältere Menschen wurden oft nicht sofort getötet. Sie wurden ebenfalls als Versuchsobjekte für neue Medikamente missbraucht. Es war eine schreckliche Zeit und es ist gut, dass es Autoren wie Herrn Hardinghaus gibt. Auch Die Spionin der Charité ist ein Buch gegen das Vergessen. Und das ist heute wichtiger denn je, dass wir niemals vergessen. Zudem bietet der Roman ein großes Maß an Spannung sowie Berichte über Widerstandskämpfer, die den Tatsachen entsprechen.