„So nah der Tod“ ist für mich mehr Krimi als Thriller – und da fängt das Problem eigentlich schon an. Ich habe eine gewisse Erwartungshaltung, wenn mir etwas als Thriller ausgepriesen wird. Definitiv wünsche ich mir dann durchgehende Spannung und überraschende Plottwists. Leider fehlte mir hier beides.
Das Buch beginnt mit einem Prolog. Der Ich-Erzähler berichtet hier rückblickend über seine schlimme Kindheit und schmiedet daraufhin einen perfiden Plan, der jedoch nicht weiter erläutert wird. Mich hätte dieser Prolog nicht gestört, wenn der Rest vom Buch mich besser abgeholt hätte. Aber so denke ich mir nun im Nachhinein: „Was für ein Klischee. Der Bösewicht mit der grausamen Kindheit.“
In den ersten Kapiteln geht es dafür direkt zur Sache. Annikas Tochter Janina ist verschwunden, die Polizei findet eine grausam zugerichtete Tote und der leitende Ermittler hat schnell das Gefühl, dass die Fälle zusammengehören.
Da es hier eine perfide Schnitzeljagd um Janinas Leben gibt, gefiel mir, dass über den Kapiteln Angaben des Tages und der Uhrzeit waren. So wusste man immer genau, wie eng es gerade wird.
Der Polizist Eric Weinsheim, der den leitenden Ermittler mimt, war für mich leider auch nur ein wandelndes Klischee. Er ist geschieden, der Grund ist sein Job, er trauert seiner Frau nach, sie hat einen „Neuen“, die gemeinsame Tochter von ihm und seiner Ex-Frau muss immer vertröstet werden, weil Papa keine Zeit hat, da er Verbrecher fangen muss. Die „Flashbacks“ von Weinsheim haben für mich in diesem Buch auch nicht viel Sinn ergeben. Er erinnert sich dabei an einen Fall, wo er gerade so mit dem Leben davon kam. Vielleicht werden diese Sachen im zweiten Teil wichtig, hier haben sie mich aber aus dem Lesefluss gebracht und das Tempo sowie die Spannung gedrosselt.
Annika und ihr bester Freund Bastian waren auch nicht wirklich interessanter. Annika dreht natürlich aus Angst um ihre Tochter total durch und begibt sich ohne die Polizei auf die Suche nach ihrer Tochter. Ihren besten Freund nimmt sie mit – dieser wiederumsteht unter Mordverdacht. Das macht die Schnitzeljagd nach Hinweisen in Berlin nicht einfacher. Irgendwann ist es dann soweit, dass Annika Wahnvorstellungen bekommt und mit ihrem verstorbenen Mann redet. Das hat mich wirklich gestört. Ich finde, mal kann man so etwas einstreuen, aber doch bitte nicht über 100 Seiten ständig. Natürlich sollte es verdeutlichen, wie sehr sie das alles mitnimmt, aber das war für mich auch so nachvollziehbar.
Die zwischenzeitlich immer wieder eingestreute Täter-Perspektive und die Rückblenden in seine Vergangenheit machen es etwas abwechslungsreicher. Klischeebelastet bleibt es natürlich trotzdem. Der Plot selbst war sonst sehr monoton: Hinweis suchen und vor der Polizei abhauen.
Unübersichtlich fand ich auch die Vielzahl von Polizeibeamten. Die Namen konnte ich mir so schnell nicht merken und oftmals habe ich zurückgeblättert, um nachzusehen, wer wer war. Hier hätte ich mir eine Personenübersicht vorn im Buch gewünscht.
Auch das Finale konnte mich nicht überzeugen. Die Figuren handelten nicht nachvollziehbar oder brauchten viel zu lang, um Zusammenhänge zu sehen (an alle die das Buch gelesen haben: Zitronenkuchen!). Ich kann mir vorstellen, dass man in Stresssituationen oftmals seltsam reagiert, wenn man dies als Autor für den Plot nutzen will, sollten jedoch meines Erachtens vorher Hinweise dafür gegeben werden (z.B. wie hungrig jemand ist).
Alles in allem habe ich hier einen sehr durchschnittlichen Krimi gelesen, durch den ich mich ehrlich gesagt auch etwas quälen musste. Die Figuren blieben austauschbar und haben mich, je weiter ich las, aufgrund ihrer Handlungsweisen immer mehr genervt. Es gab keine überraschenden Wendungen, kein Tempo. Die Wortwahl und die Darstellungen der Morde (oder der geplanten Morde) waren jedoch detailreich und originell. Ich werde vermutlich keinen Thriller von der Autorin mehr lesen, aber eventuell versuche ich mich an ihren anderen Büchern. Vielleicht passt es dort für mich besser zusammen. Ich vergebe für die gute Grundidee und die oben genannten Punkte zwei gut gemeinte Sterne.