Xanthippe – auch so könnte sie gewesen sein.
Zweifelsohne zählt Xanthippe zu den berühmten Frauen der Antike. Als „zänkisches Weib“ des Sokrates ist ihr Name sprichwörtliche geworden. Doch wer steckt hinter diesem Bild? Über die historische Person ...
Zweifelsohne zählt Xanthippe zu den berühmten Frauen der Antike. Als „zänkisches Weib“ des Sokrates ist ihr Name sprichwörtliche geworden. Doch wer steckt hinter diesem Bild? Über die historische Person wissen wir nur wenig. In ihrem Roman „Xanthippe. Schöne Braut des Sokrates“ zeichnet Maria Regina Kaiser ein erfrischend anderes Bild dieser Frau, fernab aller Anekdoten. Das 192-seitige Buch ist im Fischer Taschenbuch Verlag erschienen.
Jenseits aller Konventionen präsentiert Kaiser hier eine Xanthippe, die für ihre Zeit erstaunlich emanzipiert, selbstbewusst und gebildet war. Den historischen Fakten entsprechen ihre Ehe mit dem Philosophen Sokrates, dessen drei Söhne sowie ihre groben Lebensdaten. Da die Quellenlage darüber hinaus mehr als dürftig ist, bot sich der Autorin, selbst Historikerin und Archäologin, viel Freiraum bei der Gestaltung ihrer „eigenen“ Xanthippe, ohne dabei jedoch historisch Stichhaltiges außer Acht zu lassen – und gerade dieses macht den Reiz dieses historischen Romans aus.
Xanthippe stammt aus einer angesehen, mittlerweile doch eher heruntergekommenen Athener Familie. In ihrem Wunsch, sich von dem damals vorherrschenden Frauenbild zu distanzieren, unterhält sie ein sehr inniges Band zu ihrem Zwillingsbruder Philippos. Als dieser in den Krieg gegen Syrakus zieht, sucht sie eine immer engere Beziehung zu dessen Freund Sokrates. Der Roman umfasst zum großen Teil die Jahre vor ihrer Heirat mit diesem großen Philosophen.
Wie schon erwähnt, ereignet sich das Romangeschehen vor dem Hintergrund des Krieges gegen Syrakus, der auch gleichzeitig das Ende des klassischen Athens kennzeichnet. Dieses nimmt Maria Regina Kaiser als Anlass, diese Epoche wieder lebendig werden zu lassen. So tauchen Leserinnen und Leser tief in diese Welt ein, erfahren viel über die Athenische Gesellschaft und deren Untergang, das Rollenbild der Frau oder kultische Bräuche – eine Welt, die mir bis dato eher fernlag, mit der ich mich aber bestimmt weiter beschäftigen werde. Doch bietet der Krieg als Hintergrund auch zahlreiche aktuelle Bezüge: Warum übte (und übt) er eine so große Faszination nicht nur auf junge Männer aus? Wie gehen Menschen mit dem daraus resultierenden, oft schmerzhaften Schicksal um? Welche Erklärungen suchen oder bieten sie? All dies sind Fragen zeitloser Aktualität, auf die in diesem Roman ebenfalls eingegangen wird.
Auch wenn Xanthippe in diesem Roman die Hauptfigur ist, erfährt man viel Wissenswertes über Sokrates und seine Herkunft. Weshalb er –abgesehen von seinem Denken – eine so große Anziehung auf die junge Athenerin ausübte, blieb mir persönlich zwar verschlossen, nichtsdestotrotz war es ein Vergnügen, über die allmähliche Annäherung und die Gespräche der beiden zu lesen, da nicht nur die Charaktere selbst, sondern auch der Prozess selbst sehr lebendig geschildert ist und viel Stoff zum Nachdenken sowie Reflektieren bietet.
Wie immer hat es die Verfasserin auch aufgrund ihrer Sprache geschafft, die antike Welt trotz der großen zeitlichen Distanz anschaulich darzustellen: Der Roman ist durchgehend flüssig zu lesen und beschreibende, fast schon poetisch anmutende Abschnitte erleichtern das Eintauchen in die Antike.
In einem Nachwort erläutert die Autorin die Quellenlage sowie das Entstehen dieses Romans, dem sechs Jahre Recherche vorangingen – für mich ein Muss bei historischen Romanen, von denen ich mir neben Unterhaltung auch Wissenszuwachs erhoffe.
Ein wenig gefehlt hat mir beim Lesen eine Zeittafel, um die Daten und geschichtlichen Hintergründe besser einordnen zu können.
Insgesamt legt Maria Regina Kaiser hier einen sehr gut lesbaren historischen Roman vor, aus dem man reichlich Wissen schöpfen kann, der unterhält, das Altertum wieder aufleben lässt und dennoch aktuelle Bezüge beinhaltet – von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung.