Ein poetischer Roman über die Suche nach Wahrheit – wunderschön erzählt und ein absolutes Highlight!
Zugegeben, als ich den Klappentext von Clarissa Goenawans “Rainbirds”, das als Liebesgeschichte promoted wird, das erste Mal gelesen habe, dachte ich mir “Klingt ja ganz nett”. Ich bin kein Fan von Liebesgeschichten ...
Zugegeben, als ich den Klappentext von Clarissa Goenawans “Rainbirds”, das als Liebesgeschichte promoted wird, das erste Mal gelesen habe, dachte ich mir “Klingt ja ganz nett”. Ich bin kein Fan von Liebesgeschichten und dementsprechend groß war die Angst vor einer Enttäuschung, doch als ich neulich dann endlich zu diesem Buch gegriffen habe, konnte ich es kaum aus der Hand legen, so hat es mich berührt und begeistert! Was für ein Volltreffer! Doch nun ein paar Worte zum Inhalt: Es geht um den jungen Ren, der nach Akakawa reist – die Stadt, in der seine Schwester Keiko bis zuletzt gelebt hat. Bis sie ermordet wurde. Für ihn bricht eine Welt zusammen, denn seine gutmütige Schwester könnte sich doch niemandem zum Feind machen. Also bemüht er sich, herauszufinden, was genau passiert ist, und lernt dabei Seiten von Keiko kennen, die er so nicht erwartet hätte und die nicht ins Bild von der ehrgeizigen, introvertierten und fürsorglichen Schwester passen…
"Zuerst war noch alles wie gewohnt. Ich telefonierte mit meiner Schwester. […] Sie stellte Frage um Frage, doch in meiner Ungeduld, das Gespräch hinter mich zu bringen, gab ich nur einsilbige Antworten. Aber dann zerfiel sie vor meinen Augen und wurde zu Asche."
Clarissa Goenawans “Rainbirds” konnte mich direkt mit den ersten Zeilen abholen, sodass ich bis zur letzten Seite an ihren Lippen (bzw. Buchstaben) hing. Ren, der eigentlich nur Keikos Angelegenheiten regeln wollte, verirrt sich immer tiefer in einem Wald aus Geschichten über seine Schwester, die er anscheinend nie wirklich gekannt hat – zumindest nicht mehr, seit sie überstürzt aus dem Elternhaus ausgezogen ist. Während Rens Mutter dies mit einem kalten “Du bist mein einziges Kind” abtut, hält er selbst einen zumindest mehr oder weniger regelmäßigen Telefonkontakt mit Keiko aufrecht. Dass sie nun so plötzlich aus seinem Leben verschwand, kann er nicht verkraften. Angekommen in Akakawa scheinen sich die Zufälle um Ren auch zu häufen und bringen ihn mit einigen Personen zusammen, die seine Schwester kannten. Die Autorin spinnt durch die knapp 370 Seiten einen Faden, der sich immer weiter zuzieht, bis wir uns ein Bild von den tatsächlichen Ereignissen machen können. Der Weg dahin ist glücklicherweise kein klassisches Whodunit (wir befinden uns ja immer noch in einem Roman), aber einige Krimi-Elemente blitzen hier und dort hervor, was “Rainbirds” zu einer kuriosen Genre-Mischung macht. Teils Liebesgeschichte, teils Krimi und teils Thriller, treiben wir als Leser durch den Roman und staunen beim Anblick dieser poetischen Sprache und der kulturellen Elemente, die uns Japan näher bringen, und Grübeln über diese ausgearbeiteten, sehr realistischen Charaktere – wer hätte Keiko Schlechtes wünschen können, wer vermag es, einer so jungen Frau gewaltsam das Leben zu nehmen? Es bleibt bis zum Ende spannend – nicht im konventionellen Sinn, denn Clarissa Goenawan zeichnet eine sehr ruhige, leise Erzählsprache aus, die einen verzaubert und die Seiten sich wie von selbst umblättern.
Fazit: Wie ihr vielleicht herauslesen konntet, bin ich schwer angetan von diesem Buch und hoffe darauf, sehr bald wieder etwas von ihr lesen zu dürfen. Den Thiele Verlag kannte ich bis zu diesem Roman tatsächlich noch nicht, werde aber nun mit Argusaugen das Herbstprogramm anschauen und bin gespannt, ob ich noch so eine Perle von Literatur entdecken kann. Für jeden, der asiatische Literatur an sich mag, ist “Rainbirds” von Clarissa Goenawan auf jeden Fall zu empfehlen, aber auch Bücherwürmern, die noch keine größeren Berührungspunkte mit Literatur aus Fernost haben, kann ich diesen Roman ans Herz legen.
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