Ungewöhnlicher Krimi mit interessantem Antiheld
Nach „Sein blutiges Projekt” ist dies der zweite Roman, den ich von Graeme Macrae Burnet gelesen habe. Auch hier versucht er wieder ein Spiel mit Fiktion und Realität, das diesmal aber erst im Nachwort ...
Nach „Sein blutiges Projekt” ist dies der zweite Roman, den ich von Graeme Macrae Burnet gelesen habe. Auch hier versucht er wieder ein Spiel mit Fiktion und Realität, das diesmal aber erst im Nachwort stattfindet und etwas gezwungen wirkt.
Die eigentliche Handlung ist um das Jahr 1980 herum in einer Kleinstadt im Elsass angesiedelt. Das eigenbrötlerische und einer strikten Routine folgende Leben des 36jährigen Bankdirektors Manfred Baumann gerät aus den Fugen als die junge Kellnerin seines Stammlokals plötzlich verschwindet. Er macht der Polizei gegenüber falsche Angaben und gerät daher in den Fokus von Kommissar Gorski. Baumann und Gorski ahnen nicht, dass ihrer beider Vergangenheit von demselben Ereignis überschattet wird.
Für einen Krimi schreitet diese Geschichte eher gemächlich voran. Es gibt wenige wirklich spannende Szenen. Außerdem bleiben am Ende relativ viele Fragen offen.
Dennoch hat mir die Lektüre gut gefallen. Das Leben in einer Kleinstadt mit all seinen tatsächlichen oder eingebildeten Einschränkungen wird anschaulich porträtiert und die Protagonisten sind interessant und mit psychologischem Feingefühl gezeichnet. Es kommt keine wirklich sympathische Person vor, gerade davon geht jedoch eine gewisse Faszination aus. Vor allem Manfred Baumann ist ein gelungener Antiheld. Es ist reizvoll, sich in ihn hineinzuversetzen und seine verqueren und oftmals unnötig komplizierten Gedankengänge mitzuerleben. Doch auch sein Gegenspieler ist vielschichtiger als es zunächst scheint.
Für Leute, die gern ungewöhnliche Perspektiven einnehmen und einen Krimi ohne richtige Auflösung akzeptieren können, bietet dieses Buch daher Lesevergnügen abseits des in diesem Gerne üblichen Einheitsbreis. Ich freue mich schon auf das nächste Werk des Autors!