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Veröffentlicht am 12.08.2019

Theaterstücke

»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«
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Zwei Theaterstücke hat Martin Schörle veröffentlicht. Der Hamburger Verwaltungsbeamte, der auch als Schauspieler auftritt, hat zwei ganz unterschiedliche Theaterstücke verfasst.

Zum einen ist da die "Einladung ...

Zwei Theaterstücke hat Martin Schörle veröffentlicht. Der Hamburger Verwaltungsbeamte, der auch als Schauspieler auftritt, hat zwei ganz unterschiedliche Theaterstücke verfasst.

Zum einen ist da die "Einladung zum Klassentreffen", ein Stück, bei dem sich zwei alte Schulfreunde, Marina und Carsten, am Telefon unterhalten. Aus Carstens Einladung zum Klassentreffen wird dabei nach und nach ein Gespräch über alte Zeiten, alte Liebe und neue Hoffnung. Unterbrochen wird das Gespräch durch mehrere Rückblenden, eingebaut als Erinnerungen.

Das zweite abgedruckte Theaterstück ist eher eine Groteske als Theater: der Monolog des Beamten Hans Fredenbek über die PISA-Krüppel, kuriose Gesetzesvorgaben, die weibliche Seele und vergessene Hochzeitstage. Ein akribischer, pedantischer Mensch, der über Gott und die Welt redet, wodurch seine ganz eigene Weltsicht eines biederen Beamten zum Tragen kommt. 

Beide Theaterstücke sind eher konservativ angelegt. Sie haben nichts, was sie für die große Bühne kennzeichnen würden. Aber darum geht es Martin Schörle sicherlich auch nicht. Es sind Theaterstücke, die mit wenig Besetzung auskommen, die für die kleine Bühne verfasst sind, aber doch für die Schauspieler anspruchsvoll sind. Bei Hans Fredenbek besteht sonst die Gefahr, dass sein grotesker Monolog ins Uninteressante abgleitet. Bei Marina und Carsten läuft das Stück Gefahr, am Schluss zu schnulzig zu wirken, auch sind die ins Stück eingebauten Rückblenden wenig ergiebig und lenken eher von dem intensiven Dialog ab. 

Mir haben die beiden Theaterstücke nur bedingt zugesagt. Ich will aber nicht bestreiten, dass sie ihre Stärken haben. Einmal in der Konstruktion der Gedankengänge, einmal im sich immer wieder auf neue Wege gebenden Dialog der Gesprächspartner. 

Veröffentlicht am 14.07.2019

Der Zopf meiner Großmutter

Der Zopf meiner Großmutter
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„Wüascht“ – so würde man im Schwäbischen wohl die Großmutter beschreiben, die im Zentrum von Alina Bronskys neuem Roman „Der Zopf meiner Großmutter“ steht. Tyrannisch wacht sie über ihr Enkelkind, das ...

„Wüascht“ – so würde man im Schwäbischen wohl die Großmutter beschreiben, die im Zentrum von Alina Bronskys neuem Roman „Der Zopf meiner Großmutter“ steht. Tyrannisch wacht sie über ihr Enkelkind, das ihrer Meinung nach zu gar nichts taugt und zudem noch sämtliche Krankheiten dieser Welt in sich vereine. Kurzum: wer solch eine Großmutter hat, der braucht keine Feinde mehr.
Max hat solch eine Großmutter – und er leidet unter ihr. Es gelingt ihm nur selten, der Tyrannin, die nichts anderes kann als ihren Enkel niederzumachen, zu entfliehen, und so nimmt er hin, dass sie ihn als Idioten und lebensunfähigen Nichtsnutz beschimpft wie er auch hinnimmt, dass er so gut wie gar nichts essen darf, da er angeblich nichts verdauen kann.
Hier und da findet Max Schlupflöcher, um den Klauen der Großmutter zu entkommen – so schlägt er eine (bezahlte) Aufpasserin vor, um der Anwesenheit der Großmutter in der Grundschule zu entgehen. Ob Max, aus dessen Sicht alles beschrieben wird, einfach nur übertreibt bei der Beschreibung der Großmutter oder ob es ihm gelingt, einfach alles hinzunehmen ohne allzu verkorkst zu werden, bleibt offen.
Allerdings geht dem Buch recht bald die Puste aus. Die Figuren verändern sich nicht. Es kommt – außer durch Einwirkung von außen – keine Entwicklung der Handlung zustande. Die Witze über russische Einwanderer wiederholen sich, ebenso das Spiel mit Vorurteilen. In unterschiedlichsten Schattierungen wird beschrieben, was für ein „Besen“ die Großmutter ist. Irgendwann weiß man das und will nicht noch eine Variation dazu lesen.
Interessanter ist da, dass die Großmutter keineswegs bereit ist, ihren Mann zu verlassen, als der sich in eine andere, jüngere Frau verliebt und mit dieser ein Kind zeugt. Die Spannung zwischen ihrer Rigorosität und dem Einlenken in die neuen Verhältnisse gibt dem Roman nochmals etwas an Schwung.
Nichtsdestotrotz hat es mich doch sehr gewundert, wie positiv das Buch auch in der überregionalen Presse besprochen wird. Außer der brachialen Figur der Großmutter gibt es meines Erachtens nichts, was dem Buch Kraft verleiht. Nichts, was das Buch als Ganzes aufleuchten lassen würde.

Veröffentlicht am 16.06.2019

12 Tage Unsicherheit

#ichwillihnberühren
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So ganz warm geworden bin ich mit dem Buch nicht. Die Geschichte von zwei Freunden, die sich schließlich finden und lieben, hat ihre Reize. Die Idee, nur eine kurze Zeitspanne von 12 Tagen als Erzählzeit ...

So ganz warm geworden bin ich mit dem Buch nicht. Die Geschichte von zwei Freunden, die sich schließlich finden und lieben, hat ihre Reize. Die Idee, nur eine kurze Zeitspanne von 12 Tagen als Erzählzeit zu nutzen, funktioniert. Alles ist verdichtet auf die Frage, ob der andere auch das Gleiche fühlt. Auch die Idee, das Internet bzw. das „Jodel“-Forum um Rat zu fragen, ist gut. Aber nach einer Weile des Lesens hat mir doch der Pepp gefehlt. Die Rückblenden fand ich zumeist nicht interessant, das doppelte Erzählen des Geschehenen aus zwei Perspektiven war nur am Anfang interessant, später wirkt es doch zu wiederholend. Auch die Freundin von „Er“ hat mir zum Schluss hin zu viel Raum eingenommen.

Veröffentlicht am 20.04.2019

Keine Helden

Heldenhaft
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Nein, in Andreas Thamms neuem Jugendbuch „Heldenhaft“ kommen keine Helden vor. Auch keine heldenhaften Taten. Im Gegenteil: Andi, Ferdi und Lea sind durchschnittliche, „typische“ Jugendliche um die 17 ...

Nein, in Andreas Thamms neuem Jugendbuch „Heldenhaft“ kommen keine Helden vor. Auch keine heldenhaften Taten. Im Gegenteil: Andi, Ferdi und Lea sind durchschnittliche, „typische“ Jugendliche um die 17 Jahre. Und sie erleben wie alle Jugendliche eine ganz und gar durchschnittliche Jugend auf dem Land. Sie trinken Alkohol, auch zu viel, üben sich in Mutproben, auch gefährlichen, probieren Drogen, allerdings nur einmal. Sie schlagen über die Stränge, aber in verhaltenem Maße. Sie hören noch auf ihre Eltern, wenn auch nicht immer. Sie merken, wenn sie Grenzen überschreiten. Sie wissen instinktiv um den Wert von Freundschaft.

In dieses Landidyll passt einer nicht so richtig: Mitch. Bei ihm ist es immer einen Zacken mehr. Sogar ins Gefängnis muss er, für ein Jahr. Und als er wieder rauskommt, ist die Stimmung zwischen den Freunden etwas angespannt, denn Andi hat vor Gericht nicht für ihn gelogen. Mitch ist aber nicht Andis einziges Problem. Denn da ist noch Lea, das Nachbarsmädchen, das mit ihm in eine Klasse geht, in das er ordentlich verschossen ist. Doch traut er sich nicht nur nicht, sie anzusprechen: die Familie ist zudem noch in einer religiösen Sondergemeinschaft, Lea ist also immer unter Beobachtung.

Viel Stoff also für eine gute Handlung. Allerdings nutzt das Buch diesen Stoff nicht wirklich. Zu viel Geplänkel, zu viel Belanglosigkeit, zu wenig Ernsthaftigkeit und Konsequenz stehen dem im Wege. Während die Handlung anfangs etwas schleppend in die Gänge kommt, nimmt sie im zweiten Teil rasant an Fahrt auf – fast schon zu viel, denn der Schluss ist einer Vollbremsung ähnlich.

Insgesamt kommt das Buch ein wenig zu behäbig daher, allen Kraftausdrücken, die darin vorkommen, zum Trotz. Obwohl Mitch (nicht etwa Andi, aus dessen Perspektive die Handlung erzählt wird) die interessanteste Figur des Buches ist, bleibt sie vergleichsweise blass. Das Unberechenbare an ihm gibt ihm dennoch keine Farbe, lässt ihn nicht lebendiger wirken. Vielleicht hätte eine andere Erzählperspektive dem Buch gutgetan.

Die Protagonisten schlittern von einem ins andere, daran ändert auch Mitch nichts, der immer wieder wie aus der Versenkung wieder auftaucht. Kaum etwas nehmen sie selbst in die Hand und wenn, dann ist es schlecht bis gar nicht durchdacht und bleibt dennoch ohne Konsequenzen. Von einem Jugendbuch hätte ich mir hier etwas mehr Kontur erwartet: dass die Freunde sich aneinander (zumindest aber an Mitch) richtig reiben, dass durch Konflikte Wege geebnet werden. Die einzige aber, die das am Schluss zumindest ansatzweise tut, ist Lea.

Die Wunderkerze, die auf dem Cover des Buches dargestellt ist, fängt bei mir nicht zu funkeln an. Das Besondere des Buches fehlt mir. Ein wenig mehr Tiefgang, ein wenig mehr Folgen und Konsequenzen, ein wenig mehr bewirkte Veränderung, ein wenig mehr Ernsthaftigkeit, die ins Leben einzieht – das hätte ich mir von diesem Buch erhofft.

Veröffentlicht am 07.10.2018

Auf der Suche nach dem kleinen Stück vom Glück

Der Platz an der Sonne
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Was für eine tolle Idee, dachte ich mir, als ich den Klappentext las. Was für eine schlechte Umsetzung, dachte ich mir, während ich das Buch las. Was will mir das Buch sagen, dachte ich mir, als ich das ...

Was für eine tolle Idee, dachte ich mir, als ich den Klappentext las. Was für eine schlechte Umsetzung, dachte ich mir, während ich das Buch las. Was will mir das Buch sagen, dachte ich mir, als ich das Buch fertig gelesen hatte. „Der Platz an der Sonne“ von Christian Torkler lässt mich zwiegespalten zurück.

Die Handlung ist schnell umrissen: Josua kriegt im zerstörten Deutschland der 1980er Jahre keinen Fuß auf den Boden. Deshalb will er ins reiche Afrika, das als Gewinner eines langen zermürbenden Krieges emporstieg, um sein Glück zu machen. So berichtet der erste Teil des Buches vom Steh-auf-Männchen Josua, das es trotz aller widrigen Umstände, trotz aller Korruption, schafft, seine eigene Bar aufzumachen, während der zweite Teil die zermürbende Flucht nach Afrika schildert.

Die Utopie, die Christian Torkler hier aufmacht, hat zunächst ihren Reiz. Was wäre, wenn nach der Niederlage Deutschlands weitergekämpft worden wäre. Wenn die Weltmächte sich aneinander zerrieben hätten. Wenn dadurch Afrika der Aufstieg zur Weltmacht ermöglicht worden wäre. Allerdings begnügt sich Torkler in seinem Buch mit einigen wenigen Anspielungen; die alternative Weltgeschichte, die er aufmacht, bleibt weitestgehend im Dunkeln. Das ist nicht nur schade, sondern enttäuschend, weil man beim Lesen immer auf die genaueren Hintergründe wartet.

Gelungen hingegen ist, wie Torkler die Situation beschreibt, in der Josua leben muss. Überall Willkür, Machtmissbrauch, Korruption. Man bekommt als Leser irgendwann zu viel davon, und so ergeht es auch Josua. Immer mehr hat er die Schnauze voll vom tristen Leben in Deutschland. Genauso gelungen ist auch die Beschreibung der Flucht: Josua wird zwar immer wieder geholfen, doch seinen Schleppern ist er willkürlich ausgeliefert, wird sogar eine Zeitlang versklavt. Wer da Freund, wer Feind ist: es ist kaum zu erkennen.

Nicht sehr geglückt finde ich die Art und Weise, wie erzählt wird. Dass Josua seine Geschichte selbst aufschreibt, während er im Gefängnis sitzt, führt letztlich dazu, dass man zu Josua als Leser keine emotionale Bindung aufbaut. Josua berichtet, erzählt nüchtern und sachlich. Und wenn Josua nach dem Tod seines Sohnes in den Alkoholismus abdriftet, erfährt man das nur am Rande. Ebenso beiläufig sind die Wendungen des Romans: die Auseinandersetzung mit einem Taxi-Passagier und die Rettung eines Mädchens lassen die Handlung weitergehen. Das war mir etwas zu viel deus ex machina.

Die Zweiteilung des Romans finde ich irgendwie nicht gelungen. Was vor der Flucht passiert, ist plötzlich völlig unwichtig, man kann es als Leser ad acta legen und sich auf neue Begegnungen, auf neue Menschen einlassen. Wenn es darum gehen soll, wie jemand verzweifelt sein Glück sucht, dann passt das, dann sind das zwei Seiten einer Medaille, aber als Leser hätte ich mir da etwas anderes gewünscht. Zumindest ein paar rote Linien, eine Entwicklung hin zur Flucht statt eines plötzlichen Aufbruchs. Zwischen den Teilen besteht für mich kein richtiger Zusammenhang.

Das andere, was mich an dem Buch kolossal stört, ist die Sprache. Es gibt fast keine Seite in diesem Buch, auf der nicht irgendein Gespräch wiedergegeben wird. Letztlich schlittert die Handlung von Begegnung zu Begegnung, und das tut dem Roman nicht gut. Torklers Schreibstil hat nichts Fesselndes an sich. Er schreibt nüchtern, viel zu nüchtern, berichtend. Hinzu kommen sehr plumpe Versuche, die Situation sprachlich widerzuspiegeln. Da wird ständig vom „Fraß“ gesprochen, den es zu essen gibt, dann wiederum wird die fehlende Bildung der deutschen Bevölkerung während der Reise immer wieder plump durch Wortspiele angesprochen (die Landschaft heißt ähnlich wie Apfelsine – aha…).

Richtig klar geworden ist mir nicht, was Christian Torkler mit seinem Buch erreichen will: will er eine alternative Weltgeschichte durchspielen? – dann wäre das Buch ob der geringen Hintergründe schlichtweg peinlich. Will er Sympathie für Flüchtlinge wecken? – dann hätte das Buch nicht so emotional verkorkst sein dürfen. Will er die Geschichte eines kleinen Mannes erzählen, der einfach nur auf der Suche nach einem Stück vom Glück ist? – dann hätte es einer stärkeren Akzentuierung bedurft.

Was übrig bleibt ist ein Buch, das interessante Seiten hat, mich aber letztlich nicht überzeugen konnte.