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Veröffentlicht am 17.06.2019

Gut recherchierter Hintergrund mit fesselnden Romanfiguren gepaart ...

Lady Annes Geheimnis
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Klappentext:
Sommer 1714. Seit drei Jahren lebt Anne als Zofe am Hof des Kurfürsten Georg Ludwig. Ihre Eltern haben sie zur Vertuschung einer unehelichen Schwangerschaft nach Hannover verbannt und ihr ...

Klappentext:
Sommer 1714. Seit drei Jahren lebt Anne als Zofe am Hof des Kurfürsten Georg Ludwig. Ihre Eltern haben sie zur Vertuschung einer unehelichen Schwangerschaft nach Hannover verbannt und ihr das Kind weggenommen. Nichts will Anne mehr, als nach England zurückzukehren und ihren Sohn zu finden. Als Georg Ludwig zum englischen König ausgerufen wird und mit seinem Hof nach London zieht, bietet sich ihr die erhoffte Gelegenheit. Zugleich wird ihr Geheimnis für sie noch gefährlicher, denn der Vater ihres Kindes zählt zu Georgs erbittertsten Gegnern …

Es wäre besser, wenn die Schönheit anderer keine Wirkung auf uns hätte. Dann würden wir vernünftigere Entscheidungen treffen. (Seite 219)

Autorin:
Martha wurde 1972 im Landkreis Schaumburg geboren und verbrachte ihre Kindheit mit vielen Haustieren und viel Freiheit zwischen Kleinstadt und Landleben. Sie studierte in Hannover Germanistik, Soziologie und Pädagogik und lebte anschließend zwei Jahre in Cambridge, UK. Heute wohnt sie mit ihrer Familie, einer Katze und einem Pony im schönen Lüneburg. Mit „Herrin wider Willen“, einer Geschichte aus dem Dreißigjährigen Krieg, legte sie 2008 ihren ersten Roman vor, dem bald weitere folgten. Ein Leben ohne Schreiben kann sie sich nicht mehr vorstellen.


Bewertung:
Das Cover passt wunderbar zu den Büchern der Autorin. Die Farben sind sehr harmonisch miteinander abgestimmt. Auf dem ersten Blick weiß man sofort, dass es sich um einen historischen Roman handelt. Begeistert bin ich auch von der Personen-Legende und dem Glossar, die/das die Autorin im Buch hinten mit reingesetzt hat. So was braucht meiner Ansicht nach jedes historische Buch! Etwas schwindelig wurde mir von der Personen-Legende schon, es sind massig Leute aufgeführt. Sehr schnell wird klar, dass die Legende zum hilfreichsten Mittel beim Lesen wird. Ich habe sie stetig zum Nachschauen genutzt und wäre ohne sie verloren gewesen.

Am Anfang der Geschichte brauchte ich etwas Einlesezeit für die ganzen Charaktere, die schon zu Beginn auftauchen. In die deutsch-englische Kulisse kam ich sofort rein, da der Schreibstil zu dieser Zeit angemessen passt. Im Laufe des Lesens wurde die Geschichte temporeicher und weniger um den heißen Brei geschrieben.

Ich nehme an, es kostet die Seele viel Kraft, sich tagtäglich gegen die Türen zu stemmen, hinter denen wir unser Leid verbergen. Manchmal muss man wohl für eine Weile loslassen und die Schleusen öffnen. (Seite 103)

Anne ist eine mutige junge Frau, die ein uneheliches Kind mit einem Feind der Krone hat. Ihr wurde das Kind weggenommen, mit dem Vater hat sie keinen Kontakt und als Zofe auf dem englischen Hof versucht sie, diesen Skandal unter Verschluss zu halten. Dabei helfen ihr einige Menschen wie die junge May, die als Straßenkind lebt und London wie ihre eigene Westentasche auswendig kennt. Als Anne erfährt, dass ihr inzwischen fast vierjähriger Sohn aus politischen Motiven entführt und in London versteckt gehalten wird, setzt sie ihre Stellung am Hof und ihr Leben aufs Spiel, um ihn zu befreien. Dabei geht sie ungewöhnliche Wege.

Will ist Annes bester Freund aus Kindertagen und schon lange in Anne verliebt. Er hofft auf ein gemeinsames Leben mit ihr und verfolgt hartnäckig diese Sehnsucht. Dabei entblößt er dem Leser anhand von Tagebucheinträgen seine finsteren Gedanken, die ihm seine Gefühle für Anne beschweren. Er kann Anne zur großen Gefahr werden... Ian, Annes damalige große Liebe und Vater ihres Sohnes, taucht derweil auf Annes Radar auf und hat - neben dem Wunsch, seinen Sohn zu sehen - eigene Interessen, die er durchsetzen möchte. Komischerweise sagt mir Ian eher zu als Will. Vielleicht auch, weil von ihm nicht nur als Frauenheld berichtet wird. Die Autorin zeigt ihn auch als kleinen Vater und mit Mitgefühl. Deshalb konnte ich viel toleranter sein als bei Will, der doch sehr besitzergreifend und nur auf seinen Vorteil bedacht, wirkt. Ian wird zur Gefahr für alle Beteiligten und diese müssen jeweils für sich entscheiden, wie sie mit dieser Gefahr umgehen sollen.

"Lass uns so tun, als wären wir beide wie früher." "Dumm?", fragte sie spöttisch. "Wenn du es so nenne willst, dann nenn es dumm. Oder jung. Und ein bisschen wild und mutig. Das warst du nämlich. Und du bist es noch immer." (Seite 369, Ian und Anne)

Annes Vater ist ein typischer, eigen interessierter Mann aus jener Zeit. Seine Gefühlskälte und schändliche Berechnungen haben mich nicht überrascht - wo Frauen in dieser Zeit nicht als eigenständige Persönlichkeiten, sondern als einfaches oder lastenhaltiges Mündel galten. Über Annes Mutter erfahren wir leider nichts. Das hätte mich interessiert, gerade, weil der Vater so ist wie er ist.

Es tauchen zahlreiche Nebencharaktere auf, die die Geschichte an vielen Seiten rund und verständlicher machen. Malackay ist ein schlechter Geselle und hält Annes Sohn fest. Dadurch gerät er mit ihr immer wieder in einen offenen Konflikt. Dieser zieht sich über viele Kapitel, am Ende jedoch wird er plötzlich gutmütig und zeigt sich Anne zugeneigt. Das extrem gewandelte Verhalten von ihm kam auf mich auch etwas unglaubwürdig rüber. Besser wäre es gewesen, wenn die Autorin ab und an mal etwas gutmütiges von ihm durchblicken gelassen hätte … so kam es mir erfunden vor.

"Wahrscheinlich wollt Ihr mich auch ärgern, Lady Baynes. Dann macht Euch darauf gefasst, dass ich Euch zum zweiten Frühstück verspeise." "Wenn Ihr jeden verspeist, der Grund hat, Euch zu ärgern, dann werdet Ihr ungeheuer fett werden." (Seite 354/355)

Es gibt so einige Handlungen, die mir zu abrupt oder unwirklich erschienen. Vieles davon geht so Schlag auf Schlag … wobei einiges für meinen Geschmack überstürzt wird, was ich aber wegen der Spoiler-Gefahr nicht näher ausführen möchte. Von Will erfährt man lange Zeit nichts, er taucht erst kurz vor dem Ende wieder auf und bekommt seinen Showdown-Auftritt. Die Tagebucheinträge währenddessen fehlten mir. Sie gaben mir einen intensiven Eindruck von Will und wie er über Anne und ihre Beziehung zu Ian denkt. Auch der kommende Krieg, über den in der gesamten Geschichte berichtet wird, dem Verlauf von Annes Vater und die Nachfolge-Geschichte zwischen Ian und seinem Onkel Maxwell schwirrten noch sehr in der Luft herum, ohne etwas konkretes darüber lesen zu können.

Im letzten Drittel des Buches beginnt der Krieg … mir fehlte da echt der geschmeidige Übergang. Erst war alles wie immer und plötzlich im nächsten Kapitel befinden sich alle im Schlachtfeld! Und Ian mittendrin. Ich habe erst gedacht, ich hätte was überlesen und etwas verpasst … das kam für mich völlig unerwartet. Die ganze Zeit wird darüber gesprochen, und dann befindet man sich plötzlich mittendrin … also, das gefiel mir nicht besonders. Das Gefühl, was verpasst zu haben, bin ich immer noch nicht los. Annes Glauben und Bangen, ob Ian noch lebt - da habe ich nur die Augen verdreht. Oh Mann … Ich wusste gleich; der ist nicht tot! Und dass Anne sich immer so schnell davon überzeugen lässt, hat mich genervt. Das war sowas von vorhersehbar!

"Du wirst mir das vielleicht nicht glauben, aber manche Geheimnisse sind so gefährlich, dass sie auch den Lauschenden umbringen können. Und was du einmal erfahren hast, kannst du nie wieder nicht wissen..." (Seite 220, Anne zu May)

Am Schluss blieb ich doch mit einigen Fragen zurück: Was ist mit May genau passiert? Wie hat sich das Erbe von Ian und seinem Onkel gestaltet? Die Autorin erklärte uns dazu, das das Erbe dem König zufiel, da die zwei zu den Rebellen gehörten. Wer jedoch nicht in der Leserunde dabei ist, weiß das nicht. Hier hätte ich mir einen runden Abschluss gewünscht. Ebenso geht es mir mit Annes Gabe, ihrem Vater all seine Taten und Missgünsten einfach zu verzeihen. Es fehlt für mich die entsprechende Entwicklung zur Vergebung hin. Es kamen mal Gedanken dazu von Anne auf, die aber für so einen Prozess nicht ausreichen bzw. glaubwürdig zur Vergebung führen können.


Fazit:
Eine nach und nach in sich aufbauende Geschichte, die von entsprechendem Schreibstil sehr schön unterstützt und deren Jahrhundert realitätsnah wiedergibt. Hier fällt einfach auf, dass die Menschen in der damaligen Zeit selbst furchtbarsten Menschen gegenüber mit Respekt begegnen - vor allem innerhalb der Familie. Das ist für unsere heutige Gesellschaft etwas exotisch. Sehr schade!

Die Charakter sind zum Teil sehr gut ausgearbeitet, die Nebencharaktere verleihen den Hauptcharakteren den besonderen Schliff! Obwohl das Buch etwas erschlagen wirkt, liest es sich sehr schnell und mithilfe der Legende und dem Glossar problemlos. Die Autorin konnte mir auch den Unterschied von Jakobiten und Jakobiner verständlich lehren:

Die Rebellen hießen tatsächlich "Jacobites" (auf Englisch) oder eben "Jakobiten",wie Sorko sagt. "Jakobiner" sind etwas anderes. Manchmal werden die Begriffe verwechselt, aber wenn irgendwo in meinem Roman "Jakobiner" steht, dann wäre das von mir nicht beabsichtigt.

Eine einnehmende Geschichte mit vielen Charakteren und kleinen Mängeln. Hin und wieder sticht auch etwas Humor und Sarkasmus heraus. Wer gerne Historische Romane ohne schmalzige Liebesgeschichten und echte geschichtliche Hintergründe zu schätzen weiß, hat hier ein tolles Werk gefunden.

"Ich wünschte, wir würde nicht … "
Er legte ihr den Finger auf die Lippen und brachte sie damit zum Schweigen. "Nicht mehr darüber sprechen, Anne! Sonst sagst du wieder, dass du mich hasst, und damit muss ich dann schlafen gehen. Ich möchte mich lieber an unseren Kuss erinnern." (Seite 372, Anne und Ian)


Vielen Dank an das Lesejury-Team, dem Verlag und der Autorin für die ermöglichte Leserunde! Ist meine erste Historische auf Lesejury gewesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Atmosphäre
  • Figuren
Veröffentlicht am 14.06.2019

Ungeschönter und informativer Einblick in die Gefängnis-Welt!

Knast
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Klappentext:
Über 30 Jahre arbeitete Joe Bausch als Gefängnisarzt in Werl, einer der größten deutschen Justizvollzugsanstalten. Die Häftlinge vertrauten ihm. Sie erzählten von den dunklen Seiten des Lebens ...

Klappentext:
Über 30 Jahre arbeitete Joe Bausch als Gefängnisarzt in Werl, einer der größten deutschen Justizvollzugsanstalten. Die Häftlinge vertrauten ihm. Sie erzählten von den dunklen Seiten des Lebens und ließen ihn tief in die Abgründe ihrer Seele blicken. Hautnah erlebte er Konflikte und Tragödien. Persönlich und eindringlich erzählt Joe Bausch von der Welt hinter Gittern, in der ganz eigene Regeln herrschen. Und er gibt wichtige Denkanstöße, wie Häftlinge resozialisiert und Verbrechen verhindert werden können. Der Knast steht nicht am Rande der Gesellschaft - er ist vielmehr ihr Spiegel. Joe Bausch gewährt Einblicke in eine Welt, die wir nur allzu gerne vergessen würden. Er gibt dem Knast eine Stimme.

Autor und Sprecher:
Hermann-Joseph Bausch-Hölterhoff (Joe Bausch) wird am 19. April 1953 in Ellar geboren. Die Fächer Theaterwissenschaft, Politik, Germanistik und Rechtswissenschaften studierte er an der Universität in Köln und an der Phillips Universität Marburg. Darauf folgte an Medizinstudium an der Universität in Bochum, welches er 1985 mit Examen abschloss. Von Beruf ist Bausch Arzt, Schauspieler und Drehbuchautor. Seine ersten regelmäßigen Auftritte als Schauspieler hatte er im Tatort Dr. Joseph Roth. Mit dem Buch "Knast", welches 2012 erscheint, feiert er sein Debüt als Autor.


Bewertung:
Das Cover ist schlicht und zeigt den Autor selbst. Der weiße Hintergrund passt zu seinem Beruf als Knastarzt und zum Knast selbst.

Der Autor erzählt authentisch und ruhig über den Alltag in einem deutschen Gefängnis, in dem er als Arzt arbeitet. Dabei unterteilt er seine Erlebnisse in unterschiedlichen Themen auf, wie

Zeit
Das Lazaret
Frauen der Gefangenen
B-Zellen
Arbeit im Knast
Sexualität
Krankheit und Arztgänge
Unterbringung
Rechtsradikale im Knast
Geheimcode-Sprache
Abgeschobene Häftlinge
Kindersoldaten
Supervision
Lebenslänglich
Sicherungsverwahrung
ect.

Zu Anfang gibt der Autor eine kleine Einleitung zu seiner Person, wie er zu der Arbeit im Gefängnis kam und zu dem Hörbuch von sich. Dann erzählt er nach und nach von den verschiedenen Erlebnissen geordnet nach den Knast-Themen. Seine Stimme ist angenehm, wenn auch für mich etwas ungewöhnlich. Aber ich habe mich schnell daran gewöhnt.


Fazit:
Ungeschönt und ausführlich berichtet der Autor aus dem Alltag der Menschen im Gefängnis. Nicht alles ist so ernst, manches ist recht witzig und locker. Auch solche Erlebnisse lässt er nicht aus. Sein Erzählstil hat mich mit in den Gefängnis-Alltag gerissen und die Sortierung der Themen empfand ich als sehr angenehm.

Ein informativer Einblick in eine zu wenig beachtete Welt in Deutschland.

Veröffentlicht am 14.06.2019

Komplexer, düsterer, grausamer - mit vielen Überraschungen und Lust auf mehr!

Dark Palace – Die letzte Tür tötet
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Inhalt:
"Ich hätte der Beste von ihnen sein können", erwiderte er und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. "Trotzdem liege ich manchmal nachts wach und denke darüber nach, dass ich mit Freuden der schlimmste ...

Inhalt:
"Ich hätte der Beste von ihnen sein können", erwiderte er und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. "Trotzdem liege ich manchmal nachts wach und denke darüber nach, dass ich mit Freuden der schlimmste Jardine wäre - so grausam wie mein Vater, sogefühllos wie Silyen, so rücksichtslos wie Gavar, alles in einer Person -, wenn ich doch nur etwas Geschick haben könnte." (Jenner, Seite 74)

Die Zeit läuft, während Luke sein neues Zuhause kennenlernt, Abi mit allen Mitteln versucht, ihn zu befreien und die Jardines verschiedene Ziele anstreben. Wer wird seine Pläne umsetzen und wer trägt die Konsequenzen?

"Das Einzige, das noch undenkbarer ist als eine Flucht, ist die Vorstellung, einfach zu akzeptieren, dass man es nie schaffen wird." (Coira, Seite 155)

Autorin:
Abenteuerlustig und vielseitig: Die britische Autorin Vic James hat einiges in ihrem Leben erlebt. Nach ihrem Englisch und Geschichte Studium am Merton College in Oxford, hat sie am Vatikan promoviert. Wobei sie bemerkt hat, dass die geheimen Archive des Vatikans nicht dem im Film ähneln. Nach ihrer Zeit in Rom verbrachte sie 5 Jahre in Japan, wo sie als Journalistin gearbeitet und japanisch gelernt hat. Zurück in Großbritannien hat sie als Produzentin für den Channel 4 gearbeitet und aktuelle Ereignisse für den Kanal BBC1/2 in als Regisseurin dokumentiert. Aktuell ist sie Vollzeitautorin und lebt in London. Ihre Inspirationen zu ihren Romanen zieht sie aus ihren abenteuerlichen Erfahrungen, denn sie ist nicht nur an den Osterinseln getaucht, am Basislager des Mt.Everest gecampt, mit Seelöwen an der Galapagos, geschwommen, einen Hundeschlitten an der Arktis geführt, sondern auch in Rio de Janeiro mit einem Hängegleiter in den Lüften geflogen. Trotz ihrer Leidenschaft für Neues und Waghalsiges, liebt sie es ihre freien Tage im Bett zu verbringen. Sie ist bekannt für ihre "Dark Gifts Trilogie", die sie mit "Gilded Cage" im Jahre 2017 gestartet hat.

Übersetzerin:
Franca Fritz, Jahrgang 1962, und Heinrich Koop, Jahrgang 1961, übersetzen seit vielen Jahren gemeinsam aus dem Englischen und Niederländischen, u.a. Harry Mulisch, Wally Lamb, Nicholas Negroponte und Chris Howland.


Bewertung:
"Du bist kein Befürworter der Abschaffung - jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Was bist du, Silyen Jardine?" "Neugierig." "Das kannst du laut sagen."
(Meilyr und Silyen, Seite 111)


Das Cover ist genauso unheimlich und mystisch gestaltet wie das von Band 1. Ein toller Blickfang, der auch neugierig auf die Geschichte macht. Auch die erweiterte Überschrift "Die letzte Tür öffnet" hat mich vor Neugierde brennen lassen ... was es denn damit auf sich hat.

Es gibt wie im Band 1 auch hier wieder viele Hauptcharaktere: Jenner, Silyen, Gavar, Luke, Meilyr, Crovan, Abi ... auch viele neue Charaktere werden hier positioniert, was Schwung in die Geschichte reinbringt und sie anders gestaltet als die im vorigen Band. Abi tritt wie Crovan viel mehr in den Vordergrund. Andere wie Abis Schwester eher in den Hintergrund.

"Wenn man jemanden mag, heißt das nicht, dass man ihn auch retten kann, Mädchen. Es bedeutet lediglich, dass es nur viel mehr schmerzt, wenn derjenige sich nicht selbst retten will." (Crovan, Seite 382)

Die Kräfte der jeweiligen Beteiligten preiten sich unerwartet aus, was mich als Leser überrascht und noch neugieriger gemacht hat. Es werden auch wieder verschiedene Geschichtsaspekte abgetrennt von den jeweiligen Geschehnissen erzählt; Crovans brutales Gefängnis, in dem Luke verweilen muss, Abis Zusammenstoß mit Verbündeten, Boudas Machtaufstieg ... Alle verknüpfen sich wieder wunderbar miteinander, je weiter die Geschichte voranschreitet.

Die Charaktere sind wieder sehr gut ausgearbeitet und realistisch dargestellt, der Schreibstil lässt einen nur über die Seiten fliegen ... Die Geschichte ist komplexer und düsterer und hat mich nicht ganz so mitgerissen wie der Vorgänger. Aber ich bin trotzdem begeistert!Es tauchen mehr und mehr Fragen auf, die nicht alle gelöst werden, einen aber auch nicht verärgert zurücklassen - nur ungeduldig!


Fazit:
Die Autorin erzählt den Fortgang der Geschichte zu Band 1 düster, magisch und wechselhaft weiter und spart auch an Überraschungen kein bisschen! Ich wurde mitgerissen in den Strudel von Machtgier, Rebellion und Grausamkeit - und will noch mehr davon!

Eine gelungene Weitererzählung mit eigenen und vom Vorgänger unabhängigen Geschichtspassagen, die aber genauso fesseln und atemlos machen. Ich brauche Band 3!!!! Sofort!!!!

Die Schuld verbreitet sich und erfasst jeden, der sie berührt. (Seite 110)

Veröffentlicht am 17.06.2019

Knallhart, fesselnd, vorhersehbar! Nichts für schwache Nerven!

Cold Princess
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Inhaltserzählung:
"Und wie ist man stark, papà?! "Indem du die Kontrolle behältst. Du musst allen klarmachen, dass du jemand bist, den man respektieren muss. Dafür ist alles erlaubt. Sie werden dir mit ...

Inhaltserzählung:
"Und wie ist man stark, papà?! "Indem du die Kontrolle behältst. Du musst allen klarmachen, dass du jemand bist, den man respektieren muss. Dafür ist alles erlaubt. Sie werden dir mit Zweifel begegnen, weil du eine Frau bist, Saphira. Und sie werden denken, dass du von deinen Gefühlen kontrolliert wirst. Deswegen darfst du in der Öffentlichkeit niemals Emotionen zeigen. Du musst sie hier", er tippte auf die Stelle, wo ihr Herz schlug, "einschließen. Zeige keine Angst. Sei mutig."
(Seite 246)

Es gab nicht viele Regeln, an die Saphira sich hielt, aber die wenigen waren wie in Stein gemeißelt.

1. Zeige keine Gefühle.
2. Erlaube dir keinerlei Schwäche.
3. Töte alles, was eine Bedrohung darstellt.
4. Verliebe dich niemals.
Diese Regeln bestimmten jede ihrer Handlungen, und sollte sie jemals auch nur eine davon brechen, würde sie sich selbst ins Verderben stürzen.
(Seite 17)


Gefühle sind eine Schwäche. Und Schwäche kannst du dir nicht erlauben. Lehre sie, dich zu fürchten. Aber das hatte sie nicht getan. Nicht mit Madox. Sie hatte sich eine Schwäche erlaubt.
(Seite 259)


Autorin:
Vanessa Sangue hegt eine große Leidenschaft für Bücher, tätowierte Männer und Gefahr. So ziemlich alles davon zeigt sich auch in ihren Romanen. Ihre Charaktere sind für sie wie eine zweite Familie, die sie langsam aber sicher in den Wahnsinn treibt. Wenn sie gerade nicht schreibt, spielt Vanessa den Dosenöffner für ihre beiden Katzen, versinkt mit einer guten Tasse Tee in anderen Welten und versucht halbwegs erfolgreich weder den Pizza- noch den Paketboten vor ihre Tür zu bestellen. Für weitere Informationen: www.vanessasangue.com


Bewertung:
Das Cover ist schlicht und edel gestaltet. Es ergänzt sich sehr gut mit dem Titel, der auch zur gesamten Geschichte passt. Die Farben sind dunkel gehalten, was die düstere Stimmung der Geschichte ins Äußere überträgt.

Saphira ist die Erbin einer von zwei mächtigsten Mafiafamilien in Italien: De Angelis. Nachdem vor elf Jahren ein Anschlag auf ihre Familie erfolgte und ihre Eltern wie auch ihr kleiner Bruder starben, ist sie die Nachfolge ihres Vaters angetreten. Sie hat gelernt kaltblütig und emotionslos zu sein und wenn nötig, Menschen abzuknallen, um sich an der Macht zu halten. Sie verfolgt nebenbei das Ziel, Rache für den Anschlag auf ihre Familie auszuüben.

Madox der Erbe der anderen mächtigsten Familie in Italien: Vargas. Nun aber ist er Saphiras Leibwächter und wurde schon früh zum knallharten Killer abgerichtet. Er selbst hat persönliche Rachemotive, was auch der einzige Grund ist, weshalb er sich bei den De Angelies eingeschleust hat. Er will Rache üben für den Mord an seinem Vater. Doch nicht nur beide Rachepläne kommen sich in die Quere, auch ihre Gefühle füreinander bewirken ein bedrohliches Chaos …

Die Nebencharaktere sind genauso gut ausgearbeitet wie die Hauptcharaktere. Damiano ist Madox bester Freund und seine einzige ehrliche Stütze. Er ist sehr sympathisch, weil er nicht viel mit der Mafia zu tun hat und auch nicht daran interessiert ist, sich in ihr niederzulassen.

Guiseppes ist Madox Onkel und ein Widerling! Er verfolgt seine eigenen Ziele und stört sich nicht an den Opfern, die sich daraus ergeben. Er ist der Oberhaupt der Vargas, da Madox kein Interesse an den Posten hat.

Er zog Saphira an sich, schlang einen Arm um sie und bettete ihren Kopf auf seine Brust. Sein Herzschlag beruhigte sie, was sie nur noch mehr verwirrte. Unwillkürlich spannte sie ihren Körper an. "Denk nicht darüber nach, Eisprinzessin", raunte Madox an ihrem Ohr. "Alles ist okay." Das war es nicht. Ganz und gar nicht. Aber in diesem Moment glaubte sie ihm.
(Seite 196)


Leandro ist der Chef von Saphiras Leibgarde und ihr langjähriger Freund aus Kindertagen. Er versucht alles, um sie zu schützen, wenn's sein muss, auch vor sich selbst. Es gibt noch zahlreich weitere Nebencharaktere, die die Geschichte erst richtig anfachen und abrunden. Schön finde ich, dass die Autorin hier die wichtigsten Mafia-Begriffe eingebaut hat, sodass die Atmosphäre gefährlich und realistisch rüberkommt. Die italienische Kulisse bleibt außen vor, was sich allerdings nicht als Nachteil erweist. Sie spielt hierbei schlicht keine besondere Rolle und braucht auch nicht näher erläutert zu werden.

Auch Saphira und Madox konnten mich mit ihren jeweiligen Gedanken und Gefühlen mitreißen. Von Madox hätte ich gerne mehr aus seiner Sicht gelesen, vor allem nach widersprüchlichen Handlungen mit Saphira - da hätte ich schon gerne gewusst, was in ihm vorging. Nicht nur die zwei teilen ihre Sichtweisen mit uns, auch von einigen der Nebencharaktere kann man kurze Abschnitte zu ihren Gedanken und Gefühlen erlesen. Diese unterschiedlichen Perspektiven ermöglichen einen genaueren Zusammenhang der Verstrickungen.

Die Geschichtsidee an sich ist nicht neu, aber die Art der Geschichte und die Kulisse dazu gab es meiner Ansicht nach noch nicht zu lesen. Interessant hierzu finde ich, dass ich schon auf den ersten Seiten wusste, was es mit Madox auf sich hat und welche Rolle er innerhalb der zwei Mafiafamilien einnimmt. Das ist nicht aus dem Klappentext herauslesbar. Sehr ungewöhnlich also diese vorhersehbare Sicht für den Leser auf Madox und einigen Handlungen. Dennoch hat das nie die Spannung rausgenommen, was ja sonst in so einem Fall meistens passiert. Die Autorin versteht es lesbar, diese negative Folge auszutricksen.

Heiße Tränen liefen ihr über die Wangen. Dabei wollte sie gar nicht weinen! "Tut mir leid, mamma." "Was denn?" "Papà sagt immer, das sich nicht vor anderen weinen darf." Ihre Mutter gab ihr einen Kuss auf die Wange und wischte mit dem Daumen ihre Tränen weg. "Dein papànhat dich ganz furchtbar lieb, principessa. Und er will nur dein Bestes. Aber manchmal irrt er sich." "Wirklich?", fragte Saphira. Ihre mamma nickte. "Du musst deine Gefühle niemals zurückhalten. Wenn du lachen willst, dann lache. Wenn du weinen möchtest, dann weine. Du hast so ein weiches Herz. Das darfst du nie verlieren. Und irgendwann wird ein Junge kommen, der genau das an dir liebt."
(Seite 98/99)


Was mir gar nicht gefällt, sind die Sex-Momente ... klassisch gewalttätig, was aber ziemlich stört, das 08/15 Schema mit typischen Gequatsche. Da kann ich wieder nur mit den Augen rollen. Angesichts dieser Mafiageschichte passt es natürlich perfekt rein, hätte aber auch anders und mal exotischer abgewandelt werden können. Auf jeden Fall ein großer Minuspunkt!

Das Ende wartet mit einem ziemlich fiesen Cliffhanger auf, dass ich genervt zurückbleibe. Da kann man sich als Leser nur sofort Band 2 wünschen!!! Ganz frech weist die Autorin im Nachwort auch noch hin, dass sie es absichtlich so geschrieben hat ... Ja, unfassbar, oder? Sehr gut kommt auch am Anfang die Triggerwarnung bezüglich der Gewalt in der Geschichte auf mich rüber. Ich finde, das sollte genereller Standard bei allen Büchern, die es brauchen, sein.


Fazit:
Trotz großem Sterneabzug wegen der Sexhandlungen hat mich die Geschichte mitgerissen, gebannt und erschaudern lassen. Das Buch war innerhalb weniger Stunden durchgelesen, da die Handlungen stets spannend aufeinanderfolgten und für mich keine Langeweile aufkam, wie auch der super flüssige Schreibstil der Autorin, der meine Augen einfach über die Seiten fliegen ließ. Für mich ist ganz klar, dass ich schnell Band 2 lesen muss und werde.

Empfehlen kann ich das Buch allerdings nur Erwachsenen, da es einfach zu brutal für Jugendliche ist. Also auch nichts für zartbesaite Erwachsene. Wer diese Geschichte mag, kann sich auch an "Paper Swan" von Leylah Attar, "Pure Corruption – Verloren in der Dunkelheit" von Pepper Winters und "Victorian Rebels - Mein schwarzes Herz" von Kerrigan Byrne heranwagen, denn es bestehen einige Ähnlichkeiten zu diesem Buch. Mir gefällt "Paper Swan" von allen vieren am Besten!

Vorsichtig versuchte Saphira sich unter Madox`Arm hervorzurollen und aufzustehen. Aber sie war noch nicht besonders weit gekommen, als eine dunkle Stimme sie verharren ließ. "Du bereust es." Es war keine Frage. Nur eine Feststellung. Madox hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.
(Seite 259)



Geschrieben am 10. Juni 2019

Veröffentlicht am 03.06.2019

Humorvoll, aber ergreifend erzählt!

Morgen ist leider auch noch ein Tag
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Klappentext:
"Ziemlich unkreative Diagnose", sage ich nach der obligatorischen Schweigeminute und wische mir eine letzte Träne von der Wange. "Irgendwie hatte ich mir da was Ausgefallenes erhofft. Ich ...

Klappentext:
"Ziemlich unkreative Diagnose", sage ich nach der obligatorischen Schweigeminute und wische mir eine letzte Träne von der Wange. "Irgendwie hatte ich mir da was Ausgefallenes erhofft. Ich meine, wenn ich schon was haben muss, dann doch nicht so eine Wald-und-Wiesen-Erkrankung." "Ja", meint mein Therapeut, "tut mir leid, dass Sie da nichts Besonderes sind. Das ist natürlich hochgradig tragisch."

Depressionen also, denke ich. Wo hab ich mir so was wohl eingefangen? Wird man verrückt geboren? Oder gibt es irgendwas auf dieser Welt, was mich verrückt gemacht hat? Ist verrückt eigentlich das richtige Wort, oder diskriminiere ich mich da gerade selbst? Ich beschließe, das Wort zu googeln, aber mein Laptop fährt nicht hoch. Ich schätze, der ist jetzt solidarisch auch depressiv. Keine Energie, um aufzuwachen. Die Problematik kommt mir bekannt vor. Laptops schließt man einfach irgendwo an - aber bei Menschen geht das nicht. Die sitzen dann da mit ihren leeren Akkus, so wie ich. Kraftlos. Und jedes Ladegerät eine verfickte Einzelanfertigung mit superspeziellem Adapter, den es nur einmal gibt auf der Welt. Ich bin das einzige iPhone 5 in einer Welt voller Android-Telefone. Was allen hilft, passt nicht in meine Anschlüsse.

Solang ich nicht zum Arzt gehe - bin ich gesund. Was für ein behinderter Scheiß. Und ich darf das sagen, bin ja selbst behindert. Nicht so offensichtlich, nicht körperlich. Aber die Fähigkeit, alles und jeden erst einmal grundsätzlich als hoffnungslos und gegen einen selbst gerichtet zu begreifen - das würd ich schon eine krasse Behinderung nennen, die das Leben massiv einschränkt. Einen speziellen Parkplatz bekommst du dafür trotzdem nicht. Witzig, oder? Ich sag ja: behindert. (Seite 62)

"Wir müssen erst mal miteinander klarkommen." Es klatscht. Der Satz ist eine Ohrfeige für uns beide, und zwar eine, die uns so richtig auf den Arsch fegt. "Du meinst, wir sollen so was wie Freunde werden?" "Ich geh da jetzt nicht rein und frag nach", sage ich und deute auf die Tür, hinter der der Verstand verschwunden ist. (Seite 234/235)


Autor und Sprecher:
Tobi Katze, geboren 1981, schreibt Kurzgeschichten, Essays, Gedichte und Drehbücher. Er tritt seit mehr als zehn Jahren auf Poetry Slams und Lesebühnen auf. 2007 gewann er den LesArt-Preis der jungen Literatur und 2014 den Bielefelder Kabarettpreis. Im Januar 2014 startete er auf stern.de seinen Blog «Das Gegenteil von traurig» über Leben und Arbeit mit Depressionen.


Bewertung:
Ich habe das Buch während eines spontanen Trips im Buchladen entdeckt. Der Titel und Klappentext hat mich sofort mit dem Humor und Charme eingenommen. Im Buch habe ich mit der Geschichte angefangen, als eHörbuch habe ich jetzt auf meinem Laptop zu Ende gehört.

"Herr Katze. Ich rate Ihnen ganz, ganz dringend dazu, es jetzt endlich mal mit Antidepressiva zu versuchen", hat mein Therapeut gesagt. "Das ist jetzt definitiv angesagt." "Cool, dann liege ich ja voll im Trend." "Sie wissen, was ich meine." "Ja, aber so klingt es erträglicher." "Und mit dem Alkohol ist dann auch Schluss. Wir haben darüber gesprochen. Mehrmals." "Und ich habe Ihnen nie zugehört. Ich weiß. Alkohol, blabla, schlecht, blabla, Problemlösungsstrategie, blabla, Suchtgefahr. Mal ernsthaft - würden Sie sich da zuhören?" (Seite 144)

Das Cover wie auch der Titel stehlen sich gegenseitig die Show und drücken den Charme und Humor des Autors aus. Ein Leser kann da nicht einfach uninteressiert vorbeigehen. Vor allem der knallrosa Titel fällt heftig auf und schreit nach Aufmerksamkeit. Auch dieser hat wohl Depressionen. Der Autor hat sogar ein Inhaltsverzeichnis ins Buch gesetzt.

Schon vom ersten Satz an (den Klappentext mal rausgenommen) fiel mir der Humor vom Autor ins Auge. Er hat eine blumige Art - wie man so schön sagt - seine Erlebnisse mit den Depressionen zu beschreiben. Dabei behält er stets die Balance zwischen Sarkasmus und Ernsthaftigkeit, die das Schwere der vorkommenden Situationen leichter lesen lässt. Ich kann ihn mir als besten Kumpel sehr gut vorstellen, der immer einen flotten Spruch und Witz im Stübchen hat. Er beschreibt verschiedene Auswirkungen der Depressionen nicht nur mit Humor, sondern gibt bildhafte Beispiele, das es dem Leser ermöglicht, sich die Situationen und Gefühle lebhaft vorzustellen.

"Stell dir mal einen Rollstuhlfahrer vor. Der kann auch nicht einfach aufstehen und rumlaufen, nur weil andere das können." "Aber möchtest du dich wirklich mit einem Querschnittsgelähmten vergleichen? Ich meine, der hat ja was, was Richtiges. Der KANN wirklich nicht aufstehen." "Und weil das bei mir vom Kopf kommt, ist das nichts Richtiges? ... ich hab `ne Wollen-Lähmung. Ich bin manchmal einfach nicht in der Lage, ganz wirklich aufstehen zu wollen. Auch wenn ich das natürlich will, genau wie der Rollstuhlfahrer, aber uns beiden fehlt etwas dafür. Dem einen Kontrolle über seine Beine, dem anderen Kontrolle über sein Wollen. Und fürs Aufstehen - da brauchst du beides." "Witzig, wa? Voll verrückt, was es so gibt." "Ich bin nur verrückt", feixe ich. "Kein Grund, hier gleich den Verstand zu verlieren." (Seite 168/169)

Der Autor erzählt im Buch von seinen zahlreichen Selbstgesprächen bzw. den Gesprächen mit unterschiedlichen Dingen wie Wäscheberg, seinen Medikamenten oder der Depression selber, die seiner Meinung nach ein richtiger Miesepeter ist. Sich selbst bezeichnet der Autor als Arschloch und benutzt auch hin und wieder dieses oder andere Wörter wie "Fuck". Er entwickelt richtige Dialoge, die ich sehr gut nachvollziehen konnte und mich zum Schmunzeln gebracht haben. Mir scheint, genau dieses Zusammenspiel bezweckt Herr Katze damit.

"Mann, bist du ein Arschloch", unterbricht mich meine Depression. "Ja, natürlich bin ich eine Arschloch, aber vor allem zu mir selbst, verstehste? Weil ich mir konstant einrede, dass ich nichts anderes verdient habe außer beschissenem Weingummi, das ich zum Kotzen finde. Und ich hab auch keinen Bock mehr, jeden Tag extra dafür einkaufen zu gehen, nur damit ich mir selbst etwas ganz Schlechtes tun kann." "Das machst du aber wirklich gut, dir Schlechtes tun", wirft meine Depression dazwischen. "Also, Kompliment." (Seite 235)

Die Gespräche mit dem Therapeuten sind nicht weniger humorvoll beschrieben, doch auch hier lässt sich der ernst der Lage sehr gut rauslesen. Wie ein Gericht, das mit einer Prise Salz gewürzt ist. Der Therapeut kommt auf mich sehr ungewöhnlich und nicht A-Typisch rüber. Er nimmt den Humor seines Patienten an und lässt sich darauf ein. Ebenso holt er Herr Katze auf den Boden der Realität zurück, wenn dieser zu hoch in einem Sarkasmus und teilweise Zynismus schwebt. Die Beziehung zwischen den Beiden kommt mir sehr leicht und unkompliziert vor. Hier lässt der Autor einen mit seinen Beschreibungen deutlich seine Zerrissenheit zwischen "Mir fehlt doch nichts" und "Ich bin total gestört" spüren. Was mir hier etwas abhanden ging, war das Wieso/Warum/Weshalb. Was hat den Autor überhaupt veranlasst, zu einem Psychologen zu gehen? Ich habe das nicht verstanden. Vielleicht habe ich das überhört und überlesen (beim Buch).

"Warum gehst du überhaupt zum Psychologen?" "Na, weil ich Depressionen hab." "Das hat der dir eingeredet." "Eigentlich versucht er sogar, mir die auszureden." " Und klappt das?" "Geht so. Wird aber." "Ja, ist doch super. Dann ist für mich alles geklärt. Na, für mich ist das in Ordnung, hab ich beschlossen." "Das ist aber lieb. Hab ich deinen Segen oder was?" "Na, also mit dem Therapeuten. Wenn du unbedingt Depressionen haben musst." "Ist jetzt nicht, als hätte ich da `ne Wahl, oder?" (Vater und Sohn, Seite 166)

Hin und wieder kann man von den Begegnungen mit seinen Freunden lesen und welche Gedanken und Gefühle er dabei mitbringt. Das ermöglicht einen Einblick in einem weiteren Lebensbereich des Autors. Diese vielen unterschiedlichen Bereiche sind sehr wichtig, um den ganzen Ausmaß seiner Gefühls- und Gedankenwelt zu verstehen. Die Treffen mit der Familie sind ein weiterer Aspekt und weitgehend komplizierter. Das konnte ich auch sehr gut nachverfolgen.

"Ich habe mir selbst immer wieder beigebracht, dass es total normal ist, Aufwand zu betreiben, damit es mir scheiße geht. Welcher normale Mensch macht das denn bitte?" (Seite 236)

Bei dem Gespräch mit deiner Familie über seine Erkrankung bin ich etwas zwiegespalten; einerseits kann ich nachvollziehen, dass seine Eltern als Außenstehende dieser Krankheit es schwer einordnen können und dadurch nicht richtig ernst nehmen. Gerade die ältere Generation ist damit einfach überfordert. Meine Großeltern hatten teilweise zwar auch Depressionen und PTBS, aber die andere Hälfte wusste überhaupt nicht, was solche Krankheiten sind. Meine Stiefoma musste ich vor einigen Jahren aufklären, weil sie mich fragte, was das denn sei. Gut, sie ist vom Charakter eine naive Frau, aber sie ist mit ihrem Unverständnis für die Psyche ja nicht alleine. Die heutige Generationen wachsen mit diesen Erkrankungen bereits auf - entweder, weil sie selbst betroffen sind oder weil sie Menschen mit Erkrankungen kennen oder sogar beides. Nicht nur, weil wir heute viel mehr darüber sprechen und berichten, auch weil sich die Gesellschaft und die Arbeitswelt massiv verändert hat.

Auf der anderen Seite habe ich mich über die Eltern des Autors sehr geärgert über das wenige Mitgefühl und die hohlen Phrasen, die sie über ihn ergießen. Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass solche Konfrontationen alles schlimmer macht. Das ist wie die Erde auf dem Sarg, wo Derjenige ja sowieso nicht mehr aufstehen kann ... Das hat mich sehr mitgenommen. Ich bewundere den Autor hier für seine endlose Geduld und seine Toleranz. Ich weiß nicht, was ich in diesem Moment getan oder gesagt hätte ... da spielt das gegenwärtige Gefühlserleben eine wichtige Rolle. Wenn ich sowieso schon nahe des Zusammenbruchs bin, kann das der letzte Tropfen eines vollen Glases sein.

"Also. Mutter. Vater. Ich gehe seit einiger Zeit zu einem Therapeuten. Einem Psychotherapeuten. Weil ich Depressionen habe." "Depressionen", sagt sie. "Junge. Ich bin auch manchmal traurig. Aber ich mache da keine große Sache drum." "Ich glaube, ich weiß, was los ist. Der Junge hat einfach ein bisschen Angst, was er nach seinem Studium machen soll. Hatte ich auch." "Liebe Eltern, ich habe Depressionen, das ist kein simples Traurigsein oder ein Ruf nach Aufmerksamkeit, sondern schlicht eine Krankheit und vor allem eine Tatsache, mit der wir hier jetzt alle mal klarkommen müssen." (Seite 164)

Der Autor spricht das Hörbuch selbst voll, was nochmal einen ganz anderen Einblick für mich zuließ. Dadurch fühlte ich mich ihm viel näher, als bloß das Buch zu lesen. Seine Stimme zu hören, lies mich manchmal glauben, er säße nicht weit von mir entfernt und erzählt mir seine Geschichte. Auch die Ich-Erzählung im Buch übermittelt ganz viel Gefühl und nimmt einen mit auf die depressive Reise. Ich war voll drin und habe mich an vielen Stellen wiedergefunden und von einem meiner Kumpanen verstanden gefühlt.

"Jeder guten Sache in meinem Leben hast du dich in den Weg gestellt, und ich habe wie ein Blöder geschoben, weil ich nicht aufgeben wollte. Aber du bist immer stärker gewesen. Fuck, du hattest mich so weit, dass ich gedacht habe, du beschützt mich, indem du mich davon abhältst, irgendetwas zu tun, was mich eine Weile glücklich macht. Weil es ja schiefgehen könnte." "Na ja", sagt die Depression etwas kleinlaut, "aber du weißt schon, dass genau das eben mein Ding ist, oder?" (Seite 236)


Fazit:
Diagnose: Depression.
Behandlung: Mit Humor.

Nun, das Buch/Hörbuch bleibt am Ende offen. Es gibt kein Friede, Freude, wieder Gesund. Der Autor fängt zum Ende hin an, sich mit seiner Depression ernsthaft auseinander zu setzen und versucht sie, in sein Leben zu integrieren. Das gefällt mir sehr gut, da er nicht "geheilt" ist, weil es das in der Psyche nicht gibt. Eine Depression lässt sich nicht heilen. Selbst dann nicht, wenn sie dabei mitmachen möchte. Man kann sie lediglich eindämmen, zurückschrauben, auf Kurs halten. Genauso wenig wie man einen Alkoholiker heilen kann. Er kann zum trockenen Alkoholiker werden, sowie ein Depressiver eine depressivfreie Phase haben kann. Ein Rückfall ist jedoch jederzeit möglich. Mit seinem Buchende hat der Autor dies wundervoll realistisch wiedergegeben. Zwischen den Zeilen.

Das Buch wie das Hörbuch nimmt einen mit auf die abenteuerliche Achterbahn der Gedanken und Gefühle, die Depressionen in einem auslösen. Der schmale Grat zwischen Grund und Abgrund ist ein Ping-Pong-Spiel, das der Autor mit viel Gefühl und Charme erzählt. Jugendliche wie auch Erwachsene bekommen hier einen Einblick in diese Welt voller Widersprüche. Durch den locker-leichten Erzählstil, vermittelt die Geschichte besonders Jugendlichen den Ausdruck dieser Erkrankung. Betroffene können hier Zustimmung und Trost finden, Nicht-Betroffene kann es ein hilfreicher Ratgeber für den Umgang mit Erkrankten sein.

Die Hoffnung des Buches besteht darin, dass die Menschen, die es lesen, mehr Verständnis und Mitgefühl entwickeln. Davon fehlt es nämlich noch reichlich in unserer Gesellschaft. Ein unheimlich wichtiges Werk!

Den ganzen Tag im Bett zu liegen, weil mich der Frust darüber, im Bett zu liegen, am Aufstehen hindert, ist eine perfide Endlosschleife von geradezu weltironischen Ausmaßen. Man merkt, ich denke stets positiv. Andere Stärken habe ich an mir noch nicht entdecken können. (Seite 10)