»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«
Zwei Theaterstücke
Der kabaretteske Monolog »Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« beschert dem geneigten Leser Einblicke in das Leben des Vollblutverwaltungsgenies Hans Fredenbek, der sich in seinem ganz eigenen Gedankengewirr aus Aktenzeichen, Dienstverordnungen, statistischen Erhebungen zusehends verheddert. Es wird deutlich, dass er sich von dem Leben jenseits seines Büros nahezu völlig verabschiedet hat. Vor allem aber wird schonungslos aufgedeckt, dass es zwischen Slapstick und Tragik eine Nahtstelle gibt. Und dass diese Nahtstelle einen Namen hat. Und dass dieser Name Hans Fredenbek ist. Mit einer Lesung aus seinem Stück war Schörle 2008 beim Autorenwettbewerb »Perlen vor die Säue« im Literaturhaus Hamburg erfolgreich (2. Platz von acht Finalteilnehmern aus insgesamt rund 100 eingereichten Beiträgen). Das Stück wurde außerdem im Rahmen der »Hamburger Theaternacht« als offizieller Beitrag des Hamburger Sprechwerks von »Caveman« Erik Schäffler auszugsweise gelesen. - »Einladung zum Klassentreffen« In ihrer Schulzeit hatten Marina und Carsten eine Liebesbeziehung. Nach 20 Jahren soll ein Klassentreffen stattfinden. So meldet sich Carsten, einer der Initiatoren, auch bei Marina, deren Leben nach Schicksalsschlägen zeitweilig aus den Fugen geraten war. Die gemeinsame innige Zeit ist für sie längst Vergangenheit, ein Früher. Aber an Carstens Gefühlen hat sich anscheinend nichts geändert. Sein Anruf weckt auch bei Marina Erinnerungen. Das unverfänglich begonnene Telefonat führt beide in ein Wechselbad der Gefühle ... Inhaltlich eine Liebesgeschichte wagt das Stück den Spagat zwischen Komik & Tragik, Lachen & Weinen. »Einladung zum Klassentreffen« wurde vom Publikum beim Wettbewerb »Stücke Schießen - Neue Dramatik. Neue Autoren. Neue Theatertexte« der Theaterliga zum Gewinnertext gekürt und erreichte bei der Spielplanwahl 2012/2013 des Thalia Theaters Hamburg den 8. Platz.
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Zwei Theaterstücke hat Martin Schörle veröffentlicht. Der Hamburger Verwaltungsbeamte, der auch als Schauspieler auftritt, hat zwei ganz unterschiedliche Theaterstücke verfasst.
Zum einen ist da die "Einladung ...
Zwei Theaterstücke hat Martin Schörle veröffentlicht. Der Hamburger Verwaltungsbeamte, der auch als Schauspieler auftritt, hat zwei ganz unterschiedliche Theaterstücke verfasst.
Zum einen ist da die "Einladung zum Klassentreffen", ein Stück, bei dem sich zwei alte Schulfreunde, Marina und Carsten, am Telefon unterhalten. Aus Carstens Einladung zum Klassentreffen wird dabei nach und nach ein Gespräch über alte Zeiten, alte Liebe und neue Hoffnung. Unterbrochen wird das Gespräch durch mehrere Rückblenden, eingebaut als Erinnerungen.
Das zweite abgedruckte Theaterstück ist eher eine Groteske als Theater: der Monolog des Beamten Hans Fredenbek über die PISA-Krüppel, kuriose Gesetzesvorgaben, die weibliche Seele und vergessene Hochzeitstage. Ein akribischer, pedantischer Mensch, der über Gott und die Welt redet, wodurch seine ganz eigene Weltsicht eines biederen Beamten zum Tragen kommt.
Beide Theaterstücke sind eher konservativ angelegt. Sie haben nichts, was sie für die große Bühne kennzeichnen würden. Aber darum geht es Martin Schörle sicherlich auch nicht. Es sind Theaterstücke, die mit wenig Besetzung auskommen, die für die kleine Bühne verfasst sind, aber doch für die Schauspieler anspruchsvoll sind. Bei Hans Fredenbek besteht sonst die Gefahr, dass sein grotesker Monolog ins Uninteressante abgleitet. Bei Marina und Carsten läuft das Stück Gefahr, am Schluss zu schnulzig zu wirken, auch sind die ins Stück eingebauten Rückblenden wenig ergiebig und lenken eher von dem intensiven Dialog ab.
Mir haben die beiden Theaterstücke nur bedingt zugesagt. Ich will aber nicht bestreiten, dass sie ihre Stärken haben. Einmal in der Konstruktion der Gedankengänge, einmal im sich immer wieder auf neue Wege gebenden Dialog der Gesprächspartner.
In diesem Buch befinden sich zwei Theaterstücke.
Im ersten Theaterstück lernen wir Hans Fredenbek kennen, er ist seit 25 Jahren verheiratet und Beamter mit Herz und Seele. Es gibt kaum ein Klischee, welches ...
In diesem Buch befinden sich zwei Theaterstücke.
Im ersten Theaterstück lernen wir Hans Fredenbek kennen, er ist seit 25 Jahren verheiratet und Beamter mit Herz und Seele. Es gibt kaum ein Klischee, welches er nicht erfühlt.
Im zweiten Stück treffen wir auf Marina. Sie sitzt gerade im Zug als sie von Carsten angerufen wird. Er will sie zu einem Klassentreffen einladen, denn ihr Abitur ist schon 20 Jahre her. Gemeinsam schwelgen sie in Erinnerungen und die anderen im Zug hören mit.
Mir haben beide Geschichten gut gefallen, dennoch ist es schwer die Stücke zu bewerten, da ich sie ja nur auf dem Papier gesehen habe. Würde es die Stücke bei mir in der nähe geben, dann würde ich auf jeden Fall hingehen.
Das erste Theaterstück fand ich etwas schwächer als das Erste. Doch das Leben des Beamten wird gelungen überspitz dargestellt und man muss einfach nur lächeln.
Das zweite Stück traf viel mehr meinen persönlichen Geschmack. Wer kennt es nicht, dass man alte Schulfreunde trifft und schon kommt man aus dem Erinnern nicht mehr heraus. So geht es auch Marina und Carsten, sie sprechen über alte Gefühle oder sind die Gefühle nicht so von gestern? Und man kennt auch diese Leute die immer und überall so laut telefonieren, dass man nicht anderes kann als zuzuhören.
Die beiden Stücke würden mich auf der Bühne mehr überzeugen, als Buch ist es schwer. Vor allem, da der Schreibstil im ersten Stück doch einige Wörter beinhaltet, die nicht jeder kennt, auch ist der Schreibstil anspruchsvoller als im Zweiten.
Auch wenn ich aufgrund des ersten Stückes keine 4 von 5 Punkten vergeben kann, kann und will ich dennoch eine Leseempfehlung aussprechen.
Leseempfehlung.
Ich habe das Buch vom Autoren bereitgestellt bekommen und bedanke mich herzlich dafür.
Eine Büne, ein Büro und ein hektischer Mann.
Hans Fredenbeck ist ein Beamter der mit seinem Job regelrecht verheiratet ist. Überzeugt von sich und seiner Arbeit, erklärt ...
★★★☆☆ (3 von 5 Sterne)
Inhalt:
Eine Büne, ein Büro und ein hektischer Mann.
Hans Fredenbeck ist ein Beamter der mit seinem Job regelrecht verheiratet ist. Überzeugt von sich und seiner Arbeit, erklärt er dem Publikum seinen Standpunkt, wie das Leben als Beamter ist. Mit Sarkasmus, Witz und Charme, zieht er das Publikum in seinen Bann.
Carsten organisiert ein Klassentreffen und ruft daher bei seinen früheren Mitschülern an. Als er Marina am Telefon hat, kommen in ihm seine alten Gefühle wieder hoch. Zwischen Flirt und Small Talk, werden über Klassenkameraden abgelästert und alte Erinnerungen wieder ans Tageslicht geholt. Carsten möchte Marina gern wiedersehen, doch ob Marina das auch möchte ? Oder ob sie die Vergangenheit ruhen lassen möchte ?
Meinung:
Zwei Theaterstücke in einem Buch, die Idee fand ich wirklich genial und deshalb freute ich mich drauf, das Buch zu lesen. Doch leider ist es für mich keine leichte Lektüre gewesen. Vieles im ersten Theaterstück habe ich leider nicht verstanden, auch brauchte ich zwei Anläufe zum lesen. Was ich jedoch verstanden habe, hat mir gut gefallen. Man konnte sich beim Lesen, die Bühne und Fredenbeck richtig vorstellen. Seine sarkastisch-witzige Art, sticht hervor, wodurch man öfters beim Lesen schmunzeln muss.
Cover und Titel:
Auf den Cover ist Hans Fredenbeck zu sehen, der die Hauptrolle im ersten Stück spielt. Die Zeichnung finde ich gelungen und passt sehr gut zu der ersten Geschichte. Die Titel, beider theaterstücke, finde ich auch sehr passend gewählt, was mir gut gefällt.
Die Charaktere:
Im ersten Theaterstück geht es um Hans Fredenbeck und seinem Beruf als Beamter. Ein sehr chaotischer und sarkastischer Mann, der sein Herzblut in seinem Job steckt. Eine Person, die man nicht so schnell vergisst.
Im zweiten Theaterstück, sind Marina und Carsten die Hauptdarsteller. Beide an unterschiedlichen Orten, führen nur ein Telefonat. Beide Charaktere wirken sehr freundlich.
Der Schreibstil:
Im ersten Stück hatte ich leider Probleme mit dem Schreibstil. Die Wortwahl ist eher anspruchsvoll, und wenn man diese als Leihe nicht kenn, kommt man schwieriger in die Geschichte. Die Idee ist wirklich super, aber ich hätte mir gewünscht, dass es für mich verständlicher wäre.
Das zweite Stück ist vom Schreibstil leichter zu verstehen. Die Monologe sind mit „Er“ und „Sie“ gekenzeichnet, wodurch es einfach ist, zu unterscheiden, wer etwas sagt. Das zweite Theaterstück gefiel mir vom Schreibstil her besser.
Fazit:
Ein Buch, welches ich finde, wirklich Potential hat. Die Idee Theaterstücke in ein Buch zu schreiben, finde ich super. Doch da ich beim ersten Stück nicht alles verstand und beim zweiten, mir das gewisse Etwas gefehlt hat, kann ich das Buch mit nur 3 Sternen bewerten.
Wer das Buch lesen möchte, sollte sich im klaren sein, dass dies keine leichte Lektüre ist. Trotzdem würde ich es empfehlen.
Liebe Daisy,
liebe Daffy,
wie schön, euch beide so schnell wieder hier bei mir zu Gast zu haben. Heute einmal mit einem bisher unüblichen Genre für euren Rezensionskanon, oder? Erzählt mir doch einmal, ...
Liebe Daisy,
liebe Daffy,
wie schön, euch beide so schnell wieder hier bei mir zu Gast zu haben. Heute einmal mit einem bisher unüblichen Genre für euren Rezensionskanon, oder? Erzählt mir doch einmal, wie es dazu kam, dass ihr das eBook „Zwei Theaterstücke“ von Martin Schörle gelesen habt. Daffy
Vor einiger Zeit erreichte uns eine Nachricht des Autors, der uns ein Rezensionsexemplar im Gegenzug für eine ehrliche Rezension angeboten hat. Da theatrale Erlebnisse momentan ja leider eingeschränkt sind, hat uns dieses Angebot doppelt gefreut und wir haben dankend angenommen. Daisy
Hier möchte ich noch hinzufügen, dass „Zwei Theaterstücke“ 2016 im Engelsdorfer Verlag erschienen ist. Außerdem kann ich mich Daffy nur anschließen und mich beim Autor für dieses Rezensionsexemplar bedanken.
Und worum geht es in diesem Stückeband? Daisy
Wie der Titel “Zwei Theaterstücke” schon verrät, handelt es sich um zwei Dramen. In “Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten” erleben wir einen fiktiven Arbeitstag eines Beamten. Das zweite Stück heißt “Einladung zum Klassentreffen”. Zwei ehemalige Klassenkameraden führen ein Telefonat, in dem es um zweite Chancen, verpasste Gelegenheiten und Neuanfänge geht.
Das klingt nach zwei spannenden, alltagsnahen Themen. Bleiben wir zunächst beim ersten Stück. Könnt ihr hier noch näher auf Inhalt und Form eingehen? Daisy
In diesem Stück lernen wir den Beamten Fredenbek kennen. Martin Schörle gibt uns zum Einstieg in das Stück eine kurze Beschreibung des Bühnenbilds, als auch der Figur Fredenbeks. Wir lernen, es handelt sich um einen eher einsamen, skurrilen Mann mittleren Alters. Im Laufe seiner Arbeitsjahre hat er sich wohl zu sehr in seinem Büro und der Bürokratie vergraben und einen offenen Blick für diese Welt verloren hat.
Der Autor lässt seine Figur zerstreut auftreten, wodurch wir in eine komische Szene katapultiert werden. Fredenbek echauffiert sich über das Verschwinden eines Radiergummis und zeigt daraufhin die unterschiedliche Nutzung verschiedener Radiergummis auf. Die Doppeldeutigkeit in dieser Szene festigt zum einen die Figur Fredenbeks als schrullige, engstirnige Persönlichkeit, als auch seine durchaus sexistische (und frustrierte) Seite, die im Laufe des Stückes noch von Bedeutung werden soll. Daffy
Das Stück ist in Form eines Monologes geschrieben. Dieser ist lediglich von Regieanweisungen und einzelnen Aussagen von anderen Figuren aus dem Off unterbrochen. Wie Daisy schon erwähnte, wird in einem einleitenden Text die Exposition erläutert. Wobei ich mich frage, ob es diesen gebraucht hätte oder ob sich dies aus dem Stück selbst ergibt. Und wenn dem nicht so ist, frage ich mich weiterführend, in welcher Weise diese Information an potentielle Zuschauerinnen und Zuschauer bei tatsächlichen Aufführungen vermittelt würde. Im Programmheft?
Ich muss auch sagen, dass ich die Regieanweisungen inkonsequent fand. Mal waren sie kaum vorhanden, mal extrem restriktiv und es war klar, dass der Autor ein klares Bild vor Augen hatte. Wobei ich sagen muss, dass ich bei Letzteren das größere Problem sehe. Der Autor gibt oftmals unfassbar präzise gewählte Haltungen und Substitute vor; dabei hatte ich das Gefühl, dass er den Rollenerarbeitungsprozess, den einE RegisseurIn und einE SchauspielerIn in diesem Fall vornehmen würden, zu sehr einzuschränken versucht. Richtungen vorzugeben ist wichtig, aber es gibt Passagen, in denen sich das Korsett, das er schreibt, zu eng anfühlt, um einen fruchtbaren künstlerischen Prozess zu erlauben. Ein Prozess, der ganz besonders bei einem Einpersonenstück elementar ist. Daisy
Wo du das Einpersonenstück ansprichst, Daffy : Es gibt durchaus einen Auftritt von den KollegInnen Fredenbeks. Auf S. 33 kommen diese ins Büro gestürmt, laufen einmal um den Schreibtisch und gehen wieder ab. Später hört das Publikum Stimmen aus dem Off, die mit Fredenbek kommunizieren. (S. 46f.) Hier stellt sich mir die Frage, ob die Möglichkeit bestünde, im Vorfeld mit SprecherInnen im Studio die Textpassagen einzusprechen und während einer potenziellen Aufführung abzuspielen. Außerdem frage ich mich, ob es den Auftritt der KollegInnen tatsächlich braucht, da sie keinen Mehrwert für die Szene bietet. Vorrangig denke ich hier daran, dass ein Theater SchauspielerInnen anstellen würde, damit Stimmen aus dem Off kommen können. Oder würden diese von anwesendem Theaterpersonal gesprochen werden? Die Wirtschaftlichkeit bleibt für mich etwas offen. Daffy
Ein interessanter Einwand. Ich hatte bei diesen Segmenten tatsächlich sofort an vorab angefertigte Tonaufnahmen gedacht, die auf Stichwort eingespielt werden können. Denn wie du richtig anspricht, wäre es für kein Theaterhaus wirtschaftlich, SchauspielerInnen für solche kurzen Auftritte zu engagieren. Ich könnte mir auch vorstellen, dass der Schauspieler von Fredenbek einen Augenblick aus seiner Rolle schlüpft, um die der anderen Figuren einzunehmen. Wobei hier natürlich untersucht werden müsste, inwiefern dieser Brecht’sche Zugang sich in das restliche Stück einfügt oder deplatziert wirkt. Wobei er durchaus dazu passt, dass die Vierte Wand häufig gebrochen und das Publikum direkt angesprochen wird. Das kann man allgemein mögen oder nicht, es bewegt sich hier jedoch sehr dicht an der Grenze dazu, überstrapaziert zu werden, da es in einer inflationären Häufigkeit verwendet wird.
Nachdem wir das erste Stück nun etwas kennen gelernt haben, wäre es schön, wenn ihr „Einladung zum Klassentreffen“ zusammenfassen könntet. Daisy
In diesem Stück lernen wir Marina und Carsten kennen. Sie sitzt in der Bahn auf dem Heimweg von der Arbeit, ihn sehen wir zunächst gar nicht, sondern hören ihn nur am Telefon. Beide haben zusammen Abi gemacht und nun soll ein Klassentreffen stattfinden, zu dem Carsten Marina einlädt. Die Lage ist etwas surreal, da wir als LeserInnen/ TheaterzuschauerInnen miterleben, wie beide zum ersten Mal nach zwanzig Jahren miteinander sprechen. Das langsame Antasten an die alte Bekanntschaft, das Sprechen über andere MitschülerInnen, all das lässt uns die Situation langsam durchschauen. Dann lernen wir, dass zwischen den beiden Protagonisten mehr war als nur eine Schulkameradschaft, beide verbindet eine Liebelei.
Es handelt sich ja um zwei Stücke - inwiefern hattet ihr eine unterschiedliche Leseerfahrung bei den beiden? Daisy
Das ist wirklich eine interessante Frage, weil mein Leseerlebnis bei beiden sehr unterschiedlich war. Von den Seitenzahlen müssten beide Stücke circa gleich lang sein. Ein großer Unterschied ist jedoch direkt zu erkennen: Das erste Stück kommt als geballter Blocksatz, das Zweite besteht aus recht kurzen Sätzen in Dialogform. Dadurch liest sich “Einladung zum Klassentreffen” sehr flüssig und schnell. Als ich es beendet hatte, habe ich dich, Daffy direkt gefragt, wie lang du das Theaterstück einschätzen würdest, wenn es dann auf der Bühne ist. Daffy
Stimmt, ich erinnere mich. Mir ging es ganz ähnlich. Die Dialogform ließ sich schneller lesen. Einerseits, weil die Seite weniger gefüllt war, andererseits, weil der Schlagabtausch gelungen geschrieben war. Der Dialog las sich flüssig und ich konnte nachvollziehen, wie sich das Gespräch entwickelte. Das ließe sich bestimmt als Einakter von 60 Minuten inszenieren. Was “Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten” angeht, habe ich auch einige Zeit gebraucht. Die Pause, die der Autor geschrieben hat, ist dringend notwendig. Und selbst damit bräuchte es wohl geschickt gesetzte Striche eines geschulten Dramaturgen, um es auf Theaterabendlänge zu kürzen. Aber auf die Striche komme ich gleich nochmal zurück. Daisy
Ich stimme Daffy zu, im Gegensatz zum zweiten Stück, hatte auch ich ein anderes Leseerlebnis bei “Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten”. Das Stück hatte auf mich den Eindruck eines sehr energischen Vortrags, was mich viele Pausen gekostet hat. Ich musste immer wieder den Schritt aus dem Stück machen und meine Gedanken sammeln. Die Figur des Fredenbek ist sehr intensiv und oftmals moralisch verwerflich. Daffy
Ich glaube, Letzteres hat bei mir auch maßgeblich das Gefühl von Längen bewirkt. Natürlich braucht es mehr Zeit, um Haltungswechsel und Drehpunkte aufzubauen, wenn der/die DialogpartnerIn und damit der extrinsische Anlass dafür fehlt. Dadurch, dass ich mit der Figur des Fredenbek aber auch so wenig anfangen konnte, weil er von meinem Erfahrungshorizont und meinem Wertesystem so weit weg ist, war ich emotional weniger involviert als dies vielleicht notwendig gewesen wäre. Da hatte es das zweite Stück mit seiner Dialogform schon einfacher, da mehr Figuren vorkamen und es somit größeres Identifikationspotential angeboten hat.
Aus sicherer Quelle weiß ich, dass ihr beide gerne Zeit im Theater verbringt. Wie beurteilt ihr das Potential, das diese Text bergen? Daisy
Es stand außer Frage, dass wir wohl beide mit genau diesen Gedanken an die Stücke gegangen sind, schließlich verraten sowohl Titel, als auch äußere Form, dass es sich um Dramen handelt. Wir bekommen einen Überblick über die Personen und auch eine Exposition wie die Bühne auszusehen hat.
Somit war die Erwartungshaltung direkt darauf ausgerichtet, die Stücke vor dem inneren Auge auf eine Bühne zu stellen und zu jedem Zeitpunkt zu überlegen, wie die jeweilige Szene aussehen könnte. Von der äußerlichen Betrachtung, könnte ich mir beide Stücke aufgrund ihrer Dynamik auf der Bühne vorstellen. Daffy
Mir ging es ganz ähnlich. Ich habe die beiden Stücke auch direkt auf einer Bühne gesehen. Wobei ich sagen muss, dass mir das bei Zweiterem leichter gefallen ist, weil es einer klareren Spannungsbogenstruktur mit eindeutigen Wendepunkten in den Beziehungen der Figuren gefolgt ist. Bei Ersterem hatte ich eher das Gefühl, dass es vor sich hinplätscherte. Somit hatte ich dabei größere Schwierigkeiten mir eine packende Inszenierung auszumalen. Daisy
Dem kann ich nur zustimmen. Ich empfand das zweite Stück als eines, das ein breiteres Publkum ansprechen könnte. Nicht nur, dass wir mehr Figuren auf der Bühne erleben, es findet auch eine Entwicklung statt. Wir lernen Motivationen und Wünsche der Charaktere kennen.
Bei “Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten” haben wir schon über die Form gesprochen. Auch im zweiten Stück gibt der Autor ein mögliches Bühnenbild vor. Was sich mir hier nicht erschließt, ist die Position von Carsten. Steht er durchgehend auf der Seitenbühne und das Publikum hört ihn ausschließlich?
Das kann sehr ermüdend sein und gibt der halbierten Bühne keine Daseinsberechtigung. Wozu sollte das Publikum das ganze Zeit über auf Marinas Wohnung schauen, wenn dieser Platz nicht weiter genutzt wird?
Geschickter wäre es, Carsten im Publikum zu platzieren oder abseits am Bühnenrand, aber für das Publikum jederzeit sichtbar. Dies bietet auch viel mehr Möglichkeiten für schauspielerischen Ausdruck.
Außerdem könnte ich mir eine Drehbühne gut für dieses Stück vorstellen, um mehr Dynamik auf die Bühne zu bekommen. Marina verändert während des Spiels regelmäßig ihren Standort und springt zwischen Gegenwart und vergangenen Ereignissen. Eine Drehbühne könnte all diese Orte darstellen und es müsste nicht umgebaut werden. Daffy
Nicht, dass ich deine Vorschläge nicht auch spannend fände, aber ich muss tatsächlich gestehen, dass ich mir den zweigeteilten Bühnenraum sehr gut vorstellen konnte. Tatsächlich alles wieder eher abstrahiert als naturalistisch, in seiner Darstellung, aber an sich eine Bühnenhälfte für jede der beiden telefonierenden Figuren. Und sobald wir dann in Marinas Vergangenheit eintauchen, kann Carsten durch Gegenlicht aus dem Fokus gebracht werden. Ich glaube, dass durch Licht auch ohne Umbauten einiges an Abwechslung in den Raum gebracht werden kann.
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass sich mittlerweile in einer genauen Textanalyse und privaten Diskussionen herausgestellt hat, wie es sein kann, dass wir so unterschiedliche Vorstellungen zu dem Text hatten: Wir haben die Regieanweisung im Bezug auf Carsten anders gelesen. Diese ist leider missverständlich formuliert, so dass die Grammatik des Satzes anmuten lässt, dass Carsten gar nicht für das Publikum sichtbar ist und nicht nur, so wie ich interpretiert habe und es vermutlich intendiert war, nicht erkennbar ist, dass er vor Marinas Wohnung platziert ist.
Da ihr euch die Stücke beide gut bis sehr gut auf der Bühne vorstellen könnt, wäre es doch eine gute Gelegenheit, eine mögliche Bühnenadaption durch zu denken. Wie könntet ihr euch eine Umsetzung vorstellen? Gäbe es Änderungsvorschläge? Daisy
Ich habe schon angesprochen, dass ich die Figur Fredenbek als problematische empfinde. Der Autor hat mit ihm eine Figur geschaffen, die mithilfe von u.a. diskriminierenden, fremdenfeindlichen und frauenverachtenden Kommentaren, witzig sein soll. Ich denke, hier wäre es hilfreich, wenn ich ein Beispiel nenne, um zu verdeutlichen, was mich an der Figur gestört hat. Auf Seite 19 beginnt eine Szene, in der sich Fredenbek darüber wundert, welche irrsinnigen Gesetze es in Deutschland gibt. So gibt es eine Vorschrift, die das Verhalten bei Überschwemmungen in größeren Städten definiert. Die Vorschrift ist wahrhaftig absurd und birgt ein großes Potenzial, sehr viel Komik auf die Bühne zu bringen. Doch leider wird “zum Wohle der Unterhaltung” - ich setze es bewusst in Anführungszeichen - eine Diskriminierung von Kleinwüchsigen vorgenommen. Davon abgesehen, dass der gewählte Begriff “Liliputaner” (S. 20) eine Diskriminierung darstellt, empfinde ich es als überhaupt nicht notwendig, die Szene auf diese Weise mit “Witz” zu versehen. Mein Vorschlag wäre, dies aus der Szene zu streichen, da sie noch immer einwandfrei funktionieren würde. Die Vorschrift an sich und Fredenbeks Überlegungen, was passieren würde, würden die SchwimmerInnen die Stadtgrenze passieren, ist lustig, sie würde die Schrulligkeit des Beamten nach wie vor darstellen und das Wichtigste: Sie funktioniert ohne Diskriminierung auf einer Theaterbühne. Daffy
Ich kann mich Daisy nur anschließen. Wie ich bereits erwähnt habe, wäre ich auch maßgeblich für eine Strichfassung, ganz besonders von “Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten”, zu begeistern. Es wird hier, wie du, Daisy, richtig sagst, zu salopp mit sensiblen Themen umgegangen und Witze auf Kosten von Minderheiten gemacht. Ich sage nicht, dass es kein Publikum dafür gäbe - das gibt es. Leider. Aber Theater hat nicht nur einen reinen Unterhaltungs-, sondern auch einen Bildungsauftrag. Somit können derartige Äußerungen, die, wie Daisy ganz richtig ausgeführt hat, einfach ersetzt werden können, ohne dass der Szene Abbruch getan wird, nicht unkommentiert stehen gelassen werden. Selbstverständlich ist es etwas Anderes, arbeitet eine Inszenierung in so einem Fall gegen den Text. Ich habe im Vorfeld schon viel mit Daisy darüber gesprochen und bin noch immer nicht ganz sicher, ob ich es mir vorstellen könnte; aber ein Vorschlag, um subversiv mit dem stark präsenten Sexismus umzugehen, könnte sein, die Rolle des Fredenbek mit einer Frau zu besetzen. Es müsste genauer geprüft werden, inwiefern dies reichen würde, um den Text im Bezug auf Sexismus infrage zu stellen und ob er dennoch funktionieren kann, aber das wäre eine Frage, die ich tatsächlich gerne auf einer Bühne beantwortet sehen würde. Daisy
Ich könnte mir auch vorstellen, dass ein starker Schauspieler, die Kritik an Fredenbek in sein Spiel integrieren könnte. Wir erleben die Figur beispielsweise bei einem imaginierten Italienurlaub. Auf S. 14f. wird vom Schauspieler ein Absatz auf Italienisch gefordert. Hierfür müsste der Unterschied deutlich werden, wann der Schauspieler als Fredenbek, wie beschrieben, gebrochen Italienisch spicht und wann wie ein Muttersprachler antwortet. Da diese Leistung vom Schauspieler gefordert wird, könnte es auch an anderer Stelle gelingen, die Figur als fragwürdig darzustellen. Wie Daffy schon ansprach, Theater hat den Auftrag, zum Nachdenken anzuregen, Offenheit und Gleichberechtigung in der Kunst zu verarbeiten und zu vermitteln.
Nun haben wir schon viel gehört und mögliche Umsetzungen durchdacht. Könntet ihr noch ein kurzes Fazit ziehen? Daisy
Zuerst möchte ich betonen, wie viel Freude mir diese Dramenbesprechung bereitet hat. Wir durften zwei unterschiedliche Stücke lesen und uns dazu positionieren. Beide bieten Potential, um auf der Bühne inszeniert zu werden. “Einladung zum Klassentreffen” kann sicher ein breites Publikum ansprechen, da hier ein Alltagsthema besprochen wird und unterschiedliche Identifikationsmöglichkeiten bestehen, sehe ich hier die Möglichkeit für einen kurzweiligen Theaterabend.
Auch “Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten” würde sicher sein Publikum finden. Hier rate ich aber dringend zu einer Überarbeitung. In dieser Fassung würde ich das Stück ungern auf der Bühne sehen, da mich die Diskriminierung, die zum Zwecke der “Komik” eingesetzt wird, stark abschreckt. Es geht nicht darum, eine moralisch einwandfreie Figur des Fredenbeks zu zaubern, es geht mehr darum, der Figur Werte und Moral gegenüber zu stellen, sodass das Publikum der Figur kritisch begegnet. Ohne hier das Ende zu verraten, aber es ist keinerlei Legitimierung, nach allen Seiten zu treten, nur weil man selbst verletzt wurde bzw. sich ungerecht behandelt sieht. Daffy
Ich möchte mich an dieser Stelle ebenfalls noch einmal beim Autor für das Rezensionsexemplar bedanken. Die Inhalte entsprechen, trotz meiner Leidenschaft für Theater, leider nicht meinem Interessenskanon; analog kann ich mich auch nur bedingt mit den dargestellten Werten identifizieren. Dennoch denke ich, dass die Stücke als Kammerspiele durchaus umsetzbar wären und auch ihr Publikum finden würden - nur bitte hoffentlich in einer überarbeiteten Fassung, die sich nicht auf Minderheiten stützt, um Witze zu machen.
Danke euch beiden für dieses Gespräch.
Anmerkung 08.11.2020
Da es einige Nachfragen zu den von uns angesprochenen Problematiken im Bezug auf “Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten” gab, möchten wir an an dieser Stelle gerne eine detailliertere Analyse hinzufügen.
Sexismus
Auffällig ist etwa der Zugang, den Fredenbek zu jungen Frauen hat, insbesondere zum Mythos der Jungfräulichkeit. Es wird hier über eine Metapher gearbeitet, aber die Aussage bleibt unverändert fragwürdig: „Jungfräulich und rein. Kleine Lolitas. Wie sie daliegen, so unschuldig. Aber das ist es ja gerade! Diese vermeintliche Unschuldige, Unberührte impliziert tatsächlich, gewissermaßen hintergründig, die Aufforderung zuzugreifen. […] Sie kokettieren wie weiße, geschmeidige, unbekleidete Mädchenkörper am Strand.“ (S. 12) Man beachte hier nicht nur die pädophile Richtung, die seine Gedanken einschlagen, sondern auch den unterschwelligen Rassismus. Die Passage führt dann darauf hinaus: „Sie wissen, dass man da nicht widerstehen kann, diese kleinen Luder. Herrgott, ich bin auch nur ein Mann! […] Wo bist du, du Miststück?“ (S. 12) – um das sinngemäß zusammenzufassen: Fredenbek reduziert junge (impliziert minderjährige) Mädchen am Strand auf ihr Äußeres und darauf, ihn verführen zu wollen; etwas, das sie in seinen Augen gleichzeitig zu einem „Miststück“ macht. Typisch misogynes Verhalten.
Ein weiteres Beispiel, das ich gerne darlegen möchte, ist die immer wieder betonte patriarchale Struktur in dem Büro, in dem er arbeitet. Hier bringt eine gewisse Kollegin immerzu die Milch, etwas, das Fredenbek ebenfalls sexuell konnotiert (S. 31); seine Assistentin ist gemäß patriarchaler Strukturen natürlich auch eine Frau (S. 35).
Zumal auch die Frauenfigur der Kollegin, die die Milch bringt, auf ihr Äußeres reduziert wird und Fredenbek es sich herausnimmt, über sie zu urteilen: „Sie schaut recht gut aus für ihr Alter. Sehr gut sogar […] Letzten Sommer […] trug sie ihr blaues Kleid mit den weißen Punkten und das hat mich herausgefordert.“ (S. 31) Hier findet sich wiederum eine Situation, in der eine Frauenfigur objektiviert und auf ein Lustobjekt für Fredenbek reduziert wird. In der folgenden Passage malt dieser sich aus, wie er sie verführen kann; nicht respektvoll, sondern mit eiskalter Berechnung: „Sie spielen den Ergebenen, dabei sind Sie derjenige, der führt. An unsichtbaren Fäden lassen Sie die Puppe tanzen. […] Und sie, meine Damen, schätzen hoffentlich realistisch ein, was da heute Nacht auf Sie zukommt.“ (S. 32) Es handelt sich somit offenkundig um keine gleichberechtigte Beziehung. Der Mann wird hier als Machthabender dargestellt, der die Zügel in der Hand hat, während die Dame nach seiner Pfeife zu tanzen hat. Ähnliches Verhalten legen auch einer von Fredenbeks Klienten gegenüber dessen Ehefrau, welche er somit ebenfalls objektiviert, an den Tag: „[Meine Frau] ist gelenkig und in alle Hinsichten … offen. Da werden Sie viel Spaß haben. Nennen Sie Ort und Zeit zwecks Übergabe von meiner Frau.“ (S. 24).
Ein weiteres Beispiel dafür, dass Frauen in diesem Drama in sämtlichen Lebenslagen sexualisiert wahrgenommen werden, findet sich später: „Eine Frau, die ihre Haarspange öffnet, signalisiert damit unverhohlen ihre … naja egal…“ (S. 37) Manchmal öffnet eine Frau aber auch einfach deshalb ihre Haarspange, weil ihr danach ist und nicht, weil sie einem Mann etwas signalisieren möchte; so schwer diese Erkenntnis in einem Patriarchat zu finden ist, so wahr ist es doch, dass sich nicht sämtliches Handeln von Frauen darum dreht, Männer zu beeindrucken. Wo ich beim Patriarchat bin: Männer, die ihre Machtpositionen ausüben, werden selbstverständlich ebenfalls erwähnt (S. 42).
Auch der Bezug zur Hysterie der Frau, die Freud einst ausgeführt hat, ist gegeben: „Wenn man als Frau nach Jahren […] enthaltsamskeitbedingter Frustration plötzlich die Geborgenheit spürt, die man schon zu lange vermisst … das ist ja auch überwältigend. Da liegen die Nerven blank, das kann man doch verstehen. […] Dieses lodernde Feuer, das einer Frau naturgemäß innewohnt … das muss irgendwann raus!“ (S. 33) Ein wunderbares Exempel dafür, wie Frauen in diesem Drama von Männern abgesondert werden.
Besonders deutlich wird dies auch in der folgenden Passage, die sich mit dem Selbstbild von Frauen und den „Abgründe[n] der weiblichen Seele“ (S. 34) befasst: „Sie passieren essentielle Stationen der weiblichen Seele: die Zelle für Eifersuchtsdramen, die Synapse für Telekommunikationsangelegenheiten (das sogenannte Klatschzentrum), die Notrufsäule für impulsives Einkaufen […]. Sie lassen den Nerv für hysterische Überteibungen, die Bedarfsanmeldungsdrüse für Tupperwareartikel und die Membran für anlassunabhängige Verstimmungen hinter sich.“ (S. 34).
Ich sage nicht, dass solche Überspitzungen kein Potential für Humor bieten können; jedoch werden diese hier ausschließlich auf Kosten weiblicher Klischees und Stereotypen gemacht. Wie schon zuvor erwähnt, bräuchte es hier einen Gegenpol – entweder eine andere Figur oder eben Fredenbek selbst, der auch die männliche Psyche als Kontrast „untersucht“. Doch dies passiert nicht. Im Gegenteil. Es folgt der eindrucksvolle Satz: „Bei Frauen spielt sich alles in der linken Gehirnhälfte ab, Männer haben auch eine rechte.“ (S. 35), der impliziert, dass Frauen eine geringere Gehirnleistung haben als Männer; etwas, das wissenschaftlich keineswegs korrekt ist. Dieser behauptete Unterschied ist jedoch ein wiederkehrendes Motiv z.B.: „Jetzt fragen Sie sich sicher: Woher weiß der das alles … ähm, dass zwischen so grundverschiedenen Dingen wie … Gehirn, Seele und Frau ein Zusammenhang besteht?“ (S. 35), hier wird impliziert, dass Frauen weder ein Gehirn noch eine Seele haben, da diese drei Parteien erst in einen Zusammenhang gebracht werden müssen; Analoges geschieht auch am Ende des Stückes, wenn er zwischen Menschen und seiner Frau differenziert (S. 48).
Diskriminierung
Des Weiteren möchten wir auf die in den Kommentaren an uns herangetragene Aufforderung eingehen, Fredenbek als eine Figur zu betrachten, deren moralisch verwerfliche Äußerungen erst den Charakter formen. Wir möchten darauf hinweisen, dass wir genau das in unserer Besprechung aufgegriffen haben. Zu keinem Zeitpunkt stempeln wir das Stück ab, sondern bieten Möglichkeiten einer Umsetzung auf der Bühne an. Wir bewerten den Text, der uns vorliegt; wir können eine Wertung nicht dahingehend auslegen, wie es werden könnte, wenn der dramaturgische Feinschliff vorgenommen wurde.
An welchen Stellen wäre eine Überarbeitung, in Form von Textänderungen oder dem eben bereits angesprochenen Hinzufügen einer weiteren Figur oder Kommentierens Fredenbeks unserer Auffassung nach erforderlich?
Bereits ausgeführt wurde von uns die Nutzung des Begriffs „Liliputaner“ (S. 20). Der Duden gibt einen besonderen Hinweis: „Die früher übliche Bezeichnung für kleinwüchsiger Mensch gilt heute weitgehend als diskriminierend und sollte nicht mehr verwendet werden.“ (Quelle: https://www.duden.de/rechtschreibung/Liliputaner) Wir empfinden die Szene mit der Überschwemmung durchaus als gelungene Komik, wenn es darum geht, die doch eher absurden Vorgaben des Gesetzes zu befolgen. Die Komik der Szene soll aber offensichtlich vorrangig auf Kosten von kleinwüchsigen MitbürgerInnen passieren, die dann auch noch diskriminiert werden. Es sollte ohne Diskriminierung funktionieren und dafür setzen wir uns ein. Selbiges gilt bei einer weiteren Szene, die Diskriminierung gegenüber körperlichen Behinderungen beinhaltet, die vermutlich für Lacher im Publikum sorgen soll: „Nehmen wir doch nur mal die Kommunikationsmöglichkeiten eines … sagen wir mal … Karl Dall. Die liegen auch nur geringfügig über denen von Goldfischen. Unter Ekstasegesichtspunkten sind sie ihm sogar überlegen. Dennoch hat er es zu etwas gebracht. […] Karl Dall als grüßender Steueroberamtsrat per Fahrrad, also umweltfreundlich, auf dem Weg zur Dienststelle. Darunter in großen Lettern: 'Können diese Augen lügen?'“ (S. 22f.)
Fredenbek präsentiert sich als belehrende Figur. Ob er Statistiken vorträgt oder die korrekte Anwendung von Grammatik und Rechtschreibung predigt. Genau diese Methoden hätten an Stellen zum Einsatz kommen müssen, wenn er selbst moralisch verwerfliche oder politisch inkorrekte Aussagen trifft. Beispielsweise hätte er darauf hinweisen können, dass die korrekte Bezeichnung auf Seite 22 „islamisch“ und nicht „islamistisch“ wäre.
Zusätzlich dazu sollte aus aktuellem Anlass noch einmal hervorgehoben werden, dass die Szene auf Seite 44f. keinerlei Komik unterliegt, die Weiterführung der Szene lässt aber darauf schließen, dass es komisch gemeint sein sollte. Das bedeutet nicht, dass wir das Thema aus der Kunst verbannen möchten - keinesfalls. Es geht uns nur darum, unmissverständlich klar zu machen, dass sensible Themen mit Bedacht inszeniert werden müssen.
Dass sich die Figur des Fredenbek diskriminierend gegenüber Menschen aus Italien äußert und sein Verhalten auch noch für richtig hält, haben wir ebenfalls schon angesprochen und Vorschläge gemacht, wie diese Szene auf der Bühne sensibel umgesetzt werden könnte. Doch derlei systematischer Rassismus steckt in einigen seiner Aussagen. Über einen Kollegen sagt er: „[E]in bissiger, furzender Pumuckl, der seine Bösartigkeit kaschiert, indem er eine samtrote 1001-Nacht-Pluderhose … und spitz zulaufende Schuhe trägt. Sie wissen schon, mit diesem runden Bommel an der Spitze. Ein orientalischer Aggressions-Muck.“ (S. 26) Auch hier wäre eine Fredenbek gegenüber gestellte Figur angebracht, um derartige Äußerungen zu hinterfragen.
Der Text präsentiert sich, wie wir schon ausführten, als Monolog, welcher dem Publikum sicher einiges an Konzentration abverlangt. Bleibt den ZuschauerInnen genügend Zeit, um diesen Gegenpol zu Fredenbek zu bilden und sämtliche politisch inkorrekten Aussagen, gedanklich einzuordnen und zu korrigieren? Kommt das Publikum überhaupt zu Wort? Eine weitere Figur könnte stellvertretend die Stimme des moralischen und feministischen Standpunktes des Publikums sein. Wenn keinerlei Änderungen oder Ergänzungen vorgenommen werden, würde dieser Text zu einem Theaterabend führen, der Diskriminierung, Sexismus und Rassismus das Wort erteilt.
Tatsächlich bin ich kein besonders guter Fan von diesen beiden Stücken. Bevor ich Theater lese möchte ich es erleben!
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