Gutes Thema, etwas fehlt
Noah will nach HauseJanie liebt ihren Sohn Noah über alles. Die Alleinerziehende hat es nicht leicht und kämpft für sich und ihren Sohn. Doch Noah hat Albträume und schreit immer wieder nach seiner anderen Mama. Seine Mutter ...
Janie liebt ihren Sohn Noah über alles. Die Alleinerziehende hat es nicht leicht und kämpft für sich und ihren Sohn. Doch Noah hat Albträume und schreit immer wieder nach seiner anderen Mama. Seine Mutter weiß sich nicht mehr zu helfen und sucht bei Psychologen Rat. Jerome Anderson hat sein Buch über das Phänomen der Wiedergeburt eigentlich schon beendet, als Janie ihn kontaktiert. Sie will ihrem Sohn helfen, zu vergessen und ist an die Grenzen des für sie Glaubhaften gestoßen. Aber will Anderson das auch?
Noah will nach Hause ist ein Buch über Vergessen und Erinnern in seinen extremsten Formen. Während Noah von einem anderen Leben träumt, steht Jerome vor der Gefahr, alles im Leben zu verlieren. Das große Vergessen steht vor ihm. Eine Krankheit droht, im die Fähigkeiten des Ausdrückens, der Sprache zu nehmen. Und Sprache ist ihm so ungemein wichtig. Sprache und Erinnerung bilden eine feste Einheit. Verlieren wir das eine, was bleibt noch vom anderen? Und anders herum hilft uns das Erinnern, Wörter zu finden, die wir eigentlich noch nicht kennen, wie es bei Noah der Fall ist. Ein sehr gut gewähltes Thema, eine ausdrucksstarke Verknüpfung von Erinnern und Vergessen, Reden und Schweigen, Sprache und Tod.
Neben dieser ausgeklügelten Thematik ist die Umsetzung leider nicht ganz so ausgereift. Großartig Umgesetzt ist die Verzweiflung der Figuren. Janies Machtlosigkeit vor Noahs Anfällen. Jeromes Angst vor dem Vergessen. Und der umfassende Schmerz, der anhand der „anderen“ Familie gezeigt wird. Daneben leider immer wieder Oberflächlichkeiten und Konflikte, die zu schnell vom Tisch sind, die tiefe Geschichte zu einfach machen. Immer wieder Spannungsmomente, die einfach fallen gelassen werden. Das verschwundene Kind, die Konfrontation mit dem Täter, das Erkennen des Gegenübers. Viel wird da einfach nicht aufgegriffen und umgesetzt. Und das ist wirklich schade.
So wird Noah will nach Hause zu einem gemütlichen Lesegenuss, der die Tiefe, die er haben könnte, nie erreicht. Das finde ich einfach nur schade. Die großartig angelegte Thematik wird dadurch zusammengestaucht und nicht ausgespielt. Die Konflikte und die Auswirkungen von Noahs Erinnerungen werden gerade zu Beginn toll gezeigt und schrumpfen im Verlauf schrecklich zusammen. Noah will nach Hause ist kein spirituelles Buch, sondern versucht durch Beispiele und Zitate aus anderen Beispielen, die zumindest teilweise realen Berichten entsprechen (beispielsweise dem Fall Shanti Devis) eine gewisse Glaubhaftigkeit aufzubauen, die mehr wissenschaftlicher Untersuchung entspricht.
Das kann der Roman aber in keinem Fall leisten. Stattdessen stattet er das Thema Widergeburt mit einer Leichtigkeit aus, die der Tiefe der Thematik nicht gerecht wird. Vieles bleibt dabei nur angetastet und verliert sich. Für Zwischendurch ist das Buch ideal, mir hat einfach etwas mehr Tiefe und Spannung gefehlt, um die verschiedenen Ebenen zusammenzuführen und zu einem würdigen Ergebnis zu kommen.