Ein packender und außergewöhnlicher Abenteuerroman
Die dunkle Stunde des JägersDa ich seit meinem ersten Werk von Davide Morosinotto ein großer Fan des italienischen Autors bin, war sein neues Jugendbuch ein absolutes Muss für mich. Auf „Die dunkle Stunde des Jägers“ war ich unheimlich ...
Da ich seit meinem ersten Werk von Davide Morosinotto ein großer Fan des italienischen Autors bin, war sein neues Jugendbuch ein absolutes Muss für mich. Auf „Die dunkle Stunde des Jägers“ war ich unheimlich gespannt!
Florida 12.000 vor Christus. Roqi, Ama, Cato, Ocho und Beri kommen aus demselben Stamm und wurden im selben Monat geboren, doch anders als seine Freunde Ama, Cato, Ocho und Beri hat Roqi seine Begabung bisher noch nicht gefunden. Er ist ganz begierig endlich sein Talent zu entdecken, damit er zusammen mit den anderen auf die Jagd nach dem Giganten gehen kann und endlich zum Mann wird. Ausgerechnet an dem Tag, an dem er merkt, dass er die Gabe zum Töten hat, wütet im Wald ein großes Feuer und löscht seinen gesamten Stamm aus. Roqi, seine vier Freunde und Amas jüngere Schwester Hona, die zu dem Zeitpunkt gerade auf der Suche nach dem Giganten waren, haben alles verloren und sind nun völlig auf sich alleine gestellt. Sie merken sehr schnell, dass sie zu wenige sind, um in der Wildnis zu überleben und einen neuen Stamm brauchen. Ein harter Kampf ums Überleben und eine alles verändernde Reise voller Abschiede beginnt...
Als ich mir damals den Klappentext durchlas, war ich sofort Feuer und Flamme. Das Setting Steinzeit hat mich schon immer fasziniert und Geschichten, in denen junge Protagonistinnen alleine auf sich gestellt um das Überleben in der Wildnis kämpfen müssen, üben auf mich ebenfalls stets einen großen Reiz aus. Ich war daher ausgesprochen guter Dinge, dass mich Davide Morosinotto auch dieses Mal begeistern wird. Leider muss ich jedoch sagen, dass das Buch für mich nicht zu den besten Werken des Autors zählt. Ich fand es nicht schlecht, ich kann es auf jeden Fall empfehlen, aber das von mir erhoffte Lesehighlight wurde „Die dunkle Stunde des Jägers“ leider nicht.
In die Story habe ich ohne Probleme hineingefunden. Der mitreißende und bildhafte Schreibstil von Davide Morosinotto sagte mir auch diesmal auf Anhieb zu und unser Hauptprotagonist Roqi, aus dessen Sicht alles in der Ich-Perspektive geschildert wird, war mir direkt sympathisch. Auch seine fünf Freunde, die wir ebenfalls gleich zu Beginn kennenlernen dürfen, haben mir sofort gefallen, vor allem die junge Hona habe ich sehr liebgewonnen. Im Vergleich zu unserem Ich-Erzähler bleiben die anderen jedoch etwas blass. Der Fokus liegt eindeutig auf Roqi und seiner Geschichte, sodass wir von ihm ein besonders genaues Bild erhalten und ganz dicht dran sind an seinen Empfindungen und Gedanken.
Mir hat es sehr gut gefallen, wie der Autor das Seelenleben und Handeln von Roqi und das Verhalten der anderen Charaktere beschreibt. Auf mich hat alles ziemlich authentisch gewirkt, sofern man das aus heutiger Sicht beurteilen kann, versteht sich. Niemand von uns weiß schließlich, wie die Menschen in der Steinzeit tatsächlich gedacht und sich benommen haben. Davide Morosinotto hat sich diesbezüglich natürlich viel an seiner eigenen Vorstellungskraft bedient und in meinen Augen hat er einen wirklich guten Job gemacht. Ich finde, man merkt sehr, dass er zu dem Thema umfangreich recherchiert und viele eigene Erfahrungen gesammelt hat. In einem Nachwort verrät er uns, dass er selbst ein paar Tage in der Wildnis verbracht, um nachempfinden zu können wie sich das Leben als Steinzeitmensch anfühlt.
Besonders gut gefallen haben mir die originellen Bezeichnungen für Flora und Fauna. So werden Elefanten „Giganten“ genannt und Riesenfaultiere heißen „Blattfresser“. Bei den meisten Tieren war mir recht schnell klar, um welche es sich handelt, bei manchen aber war ich etwas länger am herumrätseln. Zum Glück werden wir Leserinnen aber nicht im Unklaren gelassen: Hinten im Buch gibt es ein mehrseitiges Glossar, in welchem die Tiere und Pflanzen mit ihren korrekten Benennungen und Steinzeitnamen sowie kleiner Bildchen aufgelistet werden.
Was mich nicht so überzeugt hat, ist die Art und Weise wie Roqi und seine Freunde oft miteinander kommunizieren. Die Kinder können sich gedanklich Botschaften zusenden, was dem Ganzen einen leicht übersinnlichen Touch verleiht. Dieser mystische Anklang hatte irgendwie schon was, aber ich bin dennoch nicht damit warmgeworden, keine Ahnung, irgendwie hat es für mich nicht so ganz reingepasst.
Sehr gelungen fand ich aber, dass Gefühle wie Neid, Eifersucht, Liebe, Freundschaft und Trauer auch für unsere jungen Steinzeitjäger wichtige Rollen spielen und es aufgrund ihrer Ungleichheiten öfters zu Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen kommt. Roqi zum Beispiel ärgert es sehr, dass er von den anderen noch als Kind angesehen wird und bemüht sich darum, von ihnen als Erwachsener anerkannt und akzeptiert zu werden.
Was genau unsere Hauptfiguren alles erleben werden, werde ich euch hier nicht erzählen, das müsst ihr schon selbst herausfinden. Ihr Überlebenskampf ist jedenfalls ein sehr harter und wird ihnen einiges abverlangen. Sie werden sich einer Menge Herausforderungen und Gefahren stellen und schmerzhafte Entscheidungen treffen müssen und so einige Verluste erleiden. Mich hat es ziemlich erstaunt zu sehen, wie heftig das Ganze für ein Jugendbuch ab 12 Jahren beschrieben wird. Der Altersangabe vonseiten des Verlags kann ich mich daher nur bedingt anschließen. Jünger als 12 sollte man in meinen Augen jedenfalls definitiv nicht sein. Davide Morosinitto geht mit seinen Charakteren nicht gerade zimperlich um, es sterben Kinder und der Kampf ums Überleben wird äußerst detailliert beschrieben. Zu brutal und grausam wird es zwar nicht, aber für meinen Geschmack gibt es insgesamt zu viele Tote und auch den Ausgang der Geschichte kann man als kein Happy End bezeichnen.
Trotz meiner Kritik habe ich unsere Heldinnen aber gerne auf ihrem Abenteuer begleitet. Ich bin beim Lesen ordentlich ins Mitfiebern geraten und konnte das Buch stellenweise kaum mehr aus der Hand legen. Packend schreiben kann Davide Morosinitto, das stellt er hier mal wieder nur zu gut unter Beweis.
Wofür der italienische Autor ebenfalls ein echtes Händchen hat: Schauplätze anschaulich und atmosphärisch beschreiben. Wie ich es von ihm gewohnt bin, beschert er uns Leserinnen auch dieses Mal das reinste Kopfkino, sodass man von Beginn an richtiggehend das Gefühl hat, selbst vor Ort zu sein.
Was die besondere Atmosphäre der Erzählung dann noch zusätzlich verstärkt, sind die doppelseitigen schwarz-weiß Illustrationen von Fabio Visintin, in deren Genuss wir im Verlauf des Buches kommen dürfen. Mir haben die Bilder überaus gut gefallen. Sie fangen das Steinzeit-Feeling einfach perfekt ein, sodass es einem noch besser gelingt, in diese völlig andere und lange vergangene Zeit einzutauchen.
Fazit: Davide Morosinotto hat mit „Die Stunde des letzten Jägers“ einen spannenden und fesselnden Abenteuerroman aufs Papier gebracht, in welchem er die wilde Steinzeit lebendig werden lässt und uns Leser*innen auf eine außergewöhnliche und unvergessliche Reise mitnimmt. Auch wenn ich mir insgesamt mehr von dem Buch erhofft habe, habe ich es gerne gelesen und ich bin mir sehr sicher, dass mir die Geschichte noch lange im Kopf bleiben wird. Von mir gibt es 3,5 von 5 Sternen.