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Veröffentlicht am 15.09.2016

Dramatische Entstehungsgeschichte eines Klassikers

Die Affäre Schiwago
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Zur Zeit des Kalten Krieges schreibt der Autor Boris Pasternak in der Sowjetunion über Jahre an seinem Roman "Doktor Schiwago". Wohl wissend, dass dieses Buch nicht den Erwartungen des Regimes entspricht. ...

Zur Zeit des Kalten Krieges schreibt der Autor Boris Pasternak in der Sowjetunion über Jahre an seinem Roman "Doktor Schiwago". Wohl wissend, dass dieses Buch nicht den Erwartungen des Regimes entspricht. Ein Zufall will es, dass ein italienischer Verlagsagent das inzwischen auf der Schwarzen Liste stehende Manuskript mit in den Westen nimmt. Ein Verwirrspiel voller Dramatik, politischen Ränkespielen und Macht führt am Ende zu einem weltweiten Klassiker. Das Leben von Boris Pasternak und die Entstehung seines Romans detailliert recherchier und spannend in Szene gesetzt.

Die Autoren Peter Finn und Petra Couvée haben anhand zahlreichen Materials ein außergewöhnliches Sachbuch geschaffen, das die Entstehung eines Klassikers skizziert. Dabei wird nicht nur die Person Boris Pasternak betrachtet, sondern auch das Leben zur Zeit des Kalten Krieges in der UdSSR.

In Peredelkino mussten sowjetischen Schriftsteller in einem für sie geschaffenen Künstlerdorf leben, kontrolliert und bedroht von der Obrigkeit. Interessant und spannend werden die Geschehnisse der damaligen Zeit geschildert. Besonders der Einfluss der CIA, die die Veröffentlichung bewusst als politisches Mittel eingesetzt haben, macht anschaulich, wie der Kalte Krieg im verborgenen geführt wurde.

Dem Leser wird deutlich veranschaulicht, unter welch schwierigen Umständen Künstler trotz aller Gefahren ihre Werke veröffentlichten oder sich eben dem Regime beugten.

Bildmaterial, ein Register, sowie eine ausführliche Bibliografie und ergänzende Anmerkungen am Ende des Buches dokumentieren die ausführliche Recherchearbeit der Autoren und erleichtern das Leseverständnis.

Dieses Sachbuch ist nicht nur für Liebhaber des Buches "Doktor Schiwago" eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Liebe überwindet Ängste

Zwischen den Bäumen das Meer
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Ein Eisloch im See soll Toms Leben ein Ende bereiten. Doch bevor es dazu kommt, muss er Schlittschuhläuferin Annkathrin nach einem schweren Sturz retten. Ihre schicksalhafte Begegnung scheint sie zu verbinden, ...

Ein Eisloch im See soll Toms Leben ein Ende bereiten. Doch bevor es dazu kommt, muss er Schlittschuhläuferin Annkathrin nach einem schweren Sturz retten. Ihre schicksalhafte Begegnung scheint sie zu verbinden, denn wenig später arbeiten sie zusammen an einem ungewöhnlichen Musikprojekt und lernen sich lieben. Ein herrlicher Sommer scheint der Beginn für ein neues gemeinsames Leben zu sein, doch so leicht lässt sich das Schicksal nicht abschütteln.

Janne Mommsen hat einen wundervoll leicht beschwingten Schreibstil, der die Schönheit der Natur einfängt und den kleinen Dingen im Leben Platz einräumt. Zwei Protagonisten, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die durch ihre eigene Geschichte doch miteinander verbunden sind. Tom, der Waldmensch, der nur die Einsamkeit kennt und unter Schwermut leidet. Annkathrin, die junge Frau, die auf Föhr im Kreis ihrer Familie aufgewachsen ist und durch ihre überwundene Leukämie erst langsam zurück ins Leben findet.

Obwohl dieses Buch keine Folgeband ist, gibt es ein Wiedersehen auf Föhr mit alten Bekannten aus früheren Büchern, die den Lesespaß für Mommsen-Leser noch erhöht.

Besonders gefallen haben mir die Landschaftsbeschreibungen. Der Kellenhusener Wald ist so toll beschrieben, dass man am liebsten gleich dorthin aufbrechen möchte. Man kann verstehen, warum Tom diese Bäume mit Namen anspricht. Auch ein Kräutergarten, scheint praktisch aus dem Buch zu duften und die Klänge einer alter Kirchenorgel dröhnen dazu. Ein Highlight ist ein außergewöhnliches Konzert an einem besonderen Ort.

Die Beziehung zwischen Annkathrin und Tom wird sehr spürbar erzählt. Die Angst vor dem eigenen Glück, das an einem feinen Faden hängt und zu zerreißen droht. Jeder für sich fühlt sich dem anderen nah und hat doch Angst, einen Schritt zu weit zu gehen. Die Annäherung gestaltet sich schwierig und ist um so schöner als sie gelingt. Man muss diese beiden Menschen einfach mögen und ihnen die Daumen drücken.


Aufgelockert wird die bittersüße Geschichte durch den skurrilen finnischen Komponisten der auf schräge Art und Weise Toms Leben aufwirbelt und neue Akzente setzt.

Unerwartete Wendungen und ein gelungenes Ende runden diese leise, wunderschöne Geschichte ab.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Flucht ins Leben

Für einen Sommer und immer
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Die Karrierefrau Annika bringt so leicht nichts aus der Ruhe. Doch als ihre Mutter schwer erkrankt und auf den Tod wartet, flüchtet sie nach Südtirol. Gefühle lassen sich aber nicht einfach abschütteln ...

Die Karrierefrau Annika bringt so leicht nichts aus der Ruhe. Doch als ihre Mutter schwer erkrankt und auf den Tod wartet, flüchtet sie nach Südtirol. Gefühle lassen sich aber nicht einfach abschütteln und so versucht sie durch geführte Bergtouren auf andere Gedanken zu kommen. Der Bergführer Samuel mit seiner Leidenschaft für die Berge erweckt bei Annika nicht nur Freude am Leben, sondern auch tiefe Gefühle für diesen besonderen Mann.

Julie Leuze hat einen sehr gefühlvollen, emotionalen Roman, gespickt mit Humor und leisen Tönen, geschrieben. Man begleitet Annika auf ihrer Flucht vor dem Tod der Mutter und lernt sie langsam kennen. Die anfängliche Antipathie zur karrieresüchtigen, egoistischen Protagonistin wandelt sich von jeder gelesenen Seite immer mehr zur Sympathie.

Schnell wird deutlich, dass Annika sich selbst in ein "Pflichtbewusstseins-Korsett" gezwängt hat und das eigentliche Leben dabei völlig vergessen hat. Jeder kennt solche Momente, in dem man hinterfragt, ob es einen Sinn macht, was man gerade tut. Man darf halt nicht vergessen die Augen und Ohren offen zu halten und sich immer wieder selbst kritisch zu betrachten. Genau dies erkennt Annika in den Bergen, als ihr Bergführer Samuel teils amüsiert, teils voller Anteilnahme, die Schönheit der kleinen Dinge näher bringt. Doch bis sie sich wirklich so annehmen kann, wie sie ist, hat sie noch einen weiten Weg zu gehen.

Die Annäherung an die Mutter, zu der sie eigentlich keinen Kontakt mehr hatte, ist sehr einfühlsam beschrieben. Obwohl beide Frauen kilometerweit voneinander getrennt sind, führen anfänglich verhaltene Telefonate sie jeden Satz ein Stückchen näher. Lange verschwiegene Themen können endlich ausgesprochen werden, um Platz für den anstehenden Abschied zu machen.

Manche Szenen in denen Annika einen emotionalen Rückzug vollzieht, waren aus meiner Sicht etwas überzogen dargestellt, machten aber deutlich, dass sie noch an sich arbeiten muss.

Die Mischung aus Landschaftsbetrachtungen, leisen Momenten und erfrischendem Humor ist hier gelungen und macht Spaß zu lesen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Fränkisches Krimierlebnis mit verstecktem Feingefühl

Schlachttag
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Ein Wanderer macht in der Fränkischen Schweiz eine furchtbare Entdeckung. Mitten im Wald liegt eine männliche, fast unkenntlich zugerichtete Leiche. Doch nach Verständigen der Polizei, ist der Körper verschwunden. ...

Ein Wanderer macht in der Fränkischen Schweiz eine furchtbare Entdeckung. Mitten im Wald liegt eine männliche, fast unkenntlich zugerichtete Leiche. Doch nach Verständigen der Polizei, ist der Körper verschwunden. Kommissar Friedo Behütuns ermittelt nach Bauchgefühl und kommt einem über 20 Jahre zurückliegenden Vermisstenfall auf die Spur. Die fränkische Redseligkeit endet abrupt, sobald die Sprache auf die vermisste Person gebracht wird. Wenig später tauchen Teile einer Frauenleiche in einem Waldstück auf. Das Ermittlungsteam steht vor einem Rätsel, bis Behütuns während eines Schlachttages auf einem Bauernhof aufschlussreiche Informationen erhält.

Tommie Goerz hat mit diesem sechsten Fall des Nürnberger Ermittlers Friedo Behütuns einen besonders feinfühligen und ehrlichen Krimi geschrieben. Auch wenn man die vorherigen Bände nicht gelesen hat, wird man schnell warm mit dem ungewöhnlichen Kommissar. Das Cover einer deftigen Schlachteplatte weist schon auf die besondere Thematik hin. Rund um einen Schlachttag auf einem fränkischen Bauernhof wird die eigentliche Handlung aufgebaut. Für zartbesaitete Leser und Vegetarier dürfte das Lesen eine Herausforderung sein, die sich aber auf jeden Fall lohnt. Es gibt viel Wissenswertes über den Ablauf einer Schlachtung mit all seinen unangenehmen und appetitlichen Seiten. Die wenigsten Fleischkonsumierer werden noch wissen, wie eigentlich das Schnitzel auf den Teller kommt:

...Kein Schwein geht freiwillig in den Tod..., wie der Metzger nach der Schlachtung es treffend formuliert.

Mehr als die Schlachtung hat mich aber Friedo Behütuns Geschichte gefangen genommen. Ein Schicksalsschlag trifft ihn unvorbereitet und mit voller Wucht und zeigt eine ehrliche Trauer, die sicher keinen Leser unberührt lässt. Der Autor versteht es mit viel Feingefühl und sprachlicher Dichte ein unglaublich spürbares Gefühl zu vermitteln. Das Team des Kommissars reagiert beeindruckend empathisch und hilft Behütuns einen Weg zurück in den Alltag zu finden. Nicht zuletzt durch die Unterstützung einer kleinen Haustierratte, die manch einer Nebenfigur die Show stiehlt.

Fast vergisst man, dass es sich ja eigentlich um einen Krimi handelt. Die Spurensuche und das Zusammenführen verschiedener Fälle gestaltet sich schwierig und so ist man ganz auf die Unterstützung von Zeugen angewiesen. Besonders gefallen haben mir die Wirtshausszenen, in denen Behütuns ganz unspektakulär, dafür aber offen und glaubhaft in fränkischer Mundart Informationen sammelt. Als Nichtfranke hatte ich meine Probleme, längere Passagen auf Anhieb zu verstehen. Der Tipp des Autors Dialektpassagen langsam und laut zu lesen, hat tatsächlich geholfen.

Mit viel fränkischem Lokalkolorit, Dialekt und echten Charakteren wird ein spannendes Szenario inszeniert, das durch spitzfindigen Humor, aktuelle Thematik und Tiefe beeindruckt. Der Gedankensprung von tiefster Provinz ins politische Weltgeschehen gelingt spielend und lässt viel Raum für eigene Gedanken.

Mich hat auch dieser Krimi wieder voll begeistert und als Behütuns-Fan hoffe ich natürlich auf einen siebten Fall.

Veröffentlicht am 18.09.2023

Ohne Freiheit kein Glück

Fräulein Schopenhauer und die Magie der Worte
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Den Philosophen Schopenhauer kennt man, doch wer waren seine Mutter und Schwester? Zwei erfolgreiche und eigenständige Frauen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts im kriegsgebeutelten Weimar einen Neuanfang ...

Den Philosophen Schopenhauer kennt man, doch wer waren seine Mutter und Schwester? Zwei erfolgreiche und eigenständige Frauen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts im kriegsgebeutelten Weimar einen Neuanfang beginnen. Ihr unkonventioneller Literatursalon weckt schnell das Interesse heimischer Künstler und selbst Johann Wolfgang von Goethe bietet ihnen die Freundschaft an. Erst aus der Not heraus entdecken beide Frauen ihr schriftstellerisches Talent und begeistern die Kritiker.

Lucca Müller hat mit dieser lebhaften und glaubwürdig geschriebenen Romanbiographie zwei Frauen aus dem Schatten des Philosophen Arthur Schopenhauers gehoben. Es wird sicherlich nicht nur mir so ergehen, dass man den Philosophen nicht aber seine Familie kennt. Seine Schwester Adele, die 1806 mit ihrer Mutter Johanna von Hamburg nach Weimar zieht, steht in diesem Roman im Fokus. Die Abhängigkeit der Frauen und die Voreingenommenheit der Männer werden deutlich herausgearbeitet.

"Ein Mädchen tat gut daran, sich anzupassen."
Um so erstaunlicher ist es, dass die verwitwete Johanna sich von allen Zwängen lösen kann und zusammen mit ihrer Tochter Adele über Jahre einen eigenen Haushalt führt. Der Wahlspruch der Schopenhauers "Ohne Freiheit kein Glück" wird hier gelebt.

Durch den Roman habe ich auch die dazugehörigen Biografien angelesen und war sehr überrascht, wie nah die Autorin sich an die wahren Begebenheiten gehalten hat. Ein wenig mehr Fiktion hätte den Charakteren Wärme und Ausstrahlung verliehen. Es mag aber auch sein, dass die Vorstellung nur vom Geld anderer abhängig zu sein, so gar nicht meinem Verständnis entspricht. Adele ist zeit ihres Lebens vom Geld ihres verstorbenen Vaters abhängig. Erst spät wurden ihre Romane veröffentlicht und werden sicherlich auch nicht zum vollständigen Ausgleich der Kosten beigetragen haben.

Die Handlung bleibt sehr nah bei den beiden Frauen. Die Gesellschaften im Literatursalon - insbesondere die Treffen mit Johann Wolfgang von Goethe - werden sehr detailliert beschrieben. Er ist es auch, der Adele fördert und erste Gedichte zusammen mit ihr verfasst. Leider wiederholen sich manche dieser Schilderungen und oberflächliche Gespräche zwischen Freundinnen und Gästen können getrost übersprungen werden.

Adeles Verwirrtheit bei der Suche nach einem Partner zeigt, wie sehr das vorgegebene Ideal von Mann und Frau vorgezeichnet war. Zaghafte Versuche einen Ehemann zu finden scheitern an ihrem Freiheitsdrang und dem Bewusstsein, dass mit der Ehe auch die Abhängigkeit zum Mann einhergehen würde. Spät lernt sie ihre wahren Gefühle kennen und kann dank der Unterstützung durch die Autorin Droste zu Hülshoff diese auch ausleben.

Erbost hat mich die ruppige und unangenehme Art Arthur Schopenhauers, der vor lauter Feindlichkeit allem Menschlichem gegenüber selbst die eigene Familie und auch jedwede finanzielle Unterstützung ablehnt. Trotz allem fühlen sich Schwester und Mutter ihm weiter verbunden, auch wenn sie sich einig sind:

"Die Liebe zu Arthur schrumpfte mit der Nähe und stieg mit der Entfernung an."
Die Verwandlung einer Biografie in eine Romanhandlung ist der Autorin sehr gelungen. Lediglich die geschichtlichen Hintergrundinformationen kommen ein wenig zu kurz und hätten der Handlung mehr Lebendigkeit eingehaucht. Dies war nur in den frühen Kriegsjahren in Weimar zu spüren.

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