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Veröffentlicht am 25.06.2019

Sensibles Sonntagskind

Mein Leben als Sonntagskind
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Die Umwelt zu laut. Das Licht zu grell. Schule eine Herausforderung. Soziale Interaktion noch viel mehr. Was für viele klingt wie der normale Alltag, ist für Jasmijn schwierig. Sie versteht die Regeln ...

Die Umwelt zu laut. Das Licht zu grell. Schule eine Herausforderung. Soziale Interaktion noch viel mehr. Was für viele klingt wie der normale Alltag, ist für Jasmijn schwierig. Sie versteht die Regeln und Normen nicht in ihrer Gänze, bleibt lieber in ihrem gewohnten Umfeld und tut sich schwer mit allem, was neu für sie ist und ihren Alltag durcheinanderbringt. Neue Freunde? Neue Schule? Neuer Lehrer – alles schwer zu verstehen, akzeptieren und bewältigen. Doch die Diagnose auf Autismus kriegt Jasmijn schon als sie bereits weit über zwanzig ist. Die Jahre davor lebte sie immer mit dem Gefühl anders zu sein als der Rest.
Und von diesen Jahren erzählt Jasmijn in Mein Leben als Sonntagskind und lässt den Leser sich fühlen, als als würde man in einem geheimen Tagebuch mitlesen. Denn neben alltäglichen Situationen teilt Jasmijn vor allem ihre Gefühle und Gedanken. Beispielsweise wie sie – umso älter sie wurde - realisierte, dass sie sich von ihren Cousinen oder Mitschülern unterschied. Sie selbst bezeichnet ihre Wunschversion als „normale“ Jasmijn. Die konnte auf Partys gehen, Beziehungen führen oder auch einfach nur ein Abendessen mit Verwandten überstehen. Die normale Jasmijn hat kein Problem mit grellem Licht oder lauten Geräuschen.

Und so wird der Leser mitgenommen, unverschönt durch ihre Kindheit. Selbst wenn das erste Kapitel nicht gewesen wäre, spätestens nach den ersten fünfzig Seiten wäre dem aufmerksamen Leser klar gewesen, dass mit Jasmijn wirklich etwas nicht stimmt. Dass das aber nicht mit ihr persönlich zu tun hat, sondern dass sicherlich eine Form von Autismus bei ihr vorliegen muss. Doch das erfährt sie erst viel später, so dass der Leser zusammen mit ihr mitleidet und sich wünschte, dass die Lehrer, die Eltern und das Umfeld sie zwar nicht weniger akzeptiert hätten, aber ihren Eigenarten vielleicht auf den Grund gegangen wären. Denn auch wenn Jasmijn ihren eigenen Weg gemacht hat, so war dieser sicherlich doppelt so anstrengend wie man ihn ihr mit der richtigen Therapie hätte zumuten müssen.
Trotzdem hat Mein Leben als Sonntagskind auch seine Längen. Auch wenn Jasmijn ein liebenswürdiger Charakter ist, den man sehr schnell mit allen Eigenarten ins Herz schließt, ist das Buch zu einem großen Teil sehr langatmig. Es fühlt sich eben wirklich an wie ein Auszug aus einem Tagebuch und es gibt auch seitenweise nicht spannende oder gar relevante Themen, die einem den Lesefluß erleichtern. Andererseits fehlen an anderen Stellen markante Eckpunkte. Familie, Freunde sind mir teilweise etwas zu blass. Auch das Thema Selbstmord, was ja doch sehr lange unterschwellig thematisiert wird, ist mir teils zu schwammig und hätte mehr Essenz kriegen könne. Das wird natürlich auch durch Jasmijns persönliche Eindrücke, die auf wahren Begebenheiten beruhen, so sein und passt eben zu einer recht realisitischen, tagebuchartigen Wiedergabe – hätte aber dem Roman trotzdem nicht geschadet. Denn auch wenn der Schreibstil sehr angenehm ist, neigt man immer wieder dazu, das Buch zuzuschlagen und ein bisschen ruhen zu lassen. Nichtsdestotrotz ist mein Leben als Sonntagskind – für mich persönlich – ein wichtiges Buch, das vor allem für das Thema Autismus sensibilisieren sollte. Auf jeden Fall lesenswert.

Veröffentlicht am 29.05.2019

Spannender Debütroman

Dark Call - Du wirst mich nicht finden
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Sich in den Täter hineinversetzen, blutige Szenarien immer wieder durchspielen, einen Serienmörder therapieren. In der Theorie ist das Holly Wakefields Spezialgebiet, doch an einer laufenden Ermittlung ...

Sich in den Täter hineinversetzen, blutige Szenarien immer wieder durchspielen, einen Serienmörder therapieren. In der Theorie ist das Holly Wakefields Spezialgebiet, doch an einer laufenden Ermittlung hat sie noch nicht teilgenommen. Das ändert sich schlagartig nach dem Anruf von Detective Inspector Bishop, der ihre Hilfe in einem extrem brutalen Fall braucht. Während dieser Ermittlung kommt sie aber nicht nur dem Täter, sondern auch ihrer Vergangenheit wieder ein Stück näher…
Als Start einer neuen Reihe mit der forensischen Psychologin Holly Wakefield ist dieser Roman gespickt mit einem spannenden Plot und sympathischen und gut durchdachten Charakteren. Gerade letzteres macht für Dark Call – Du wirst mich finden den kleinen Unterschied zu schon so vielen bestehenden Thriller-Reihen, denn typischerweise haben wir hier nicht ausschließlich die Polizeisicht, sondern zum größten Teil die psychologische. Damit hat Mark Griffin zwar auch nicht das Rad neu erfunden, schenkt uns aber eine neue Protagonistin, deren Ermittlungsmethoden und Charaktereigenschaften Lust auf die nächsten Bände machen.
Der Einstieg in Dark Call ist jedoch zunächst recht holprig. Auch wenn Holy und Bishop sympathisch sind, wirkt der Beginn noch verwirrend, fast so als hätte auch Griffin seine Zeit gebraucht seine Ideen zu Papier zu bringen. Mit den ersten Kapiteln legt sich dies jedoch und steigert sich in Spannung bis zum Ende hin.
Thriller und Krimis gibt es mittlerweile wie Sand am Meer und unter den Autoren wahre Berühmtheiten. Wenn die Neuheiten in den Bücherläden liegen, dann greifen die Leser nun mal auf die Becketts, Slaughters und Fitzeks dieser Welt zurück. Da einen Debütroman gut zu platzieren und zwischen den bekannten Größen herauszustechen, ist schon eine Aufgabe für sich. Doch mit seiner Geschichte rund um Holly Wakefield und Detective Inspector Bishop ist ihm das schon mal gelungen und die Hoffnung auf einen zweiten Teil ist da.

Veröffentlicht am 11.03.2019

Alkohol, Drogen und die Liebe

Alles, was ich weiß über die Liebe
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Alles, was ich weiß über die Liebe fühlte sich an wie eine wilde Mischung aus dem Leben von Bridget Jones und Amy Whinehouse. Zumindest stelle ich mir genauso den Querschnitt daraus vor. Dabei sind dies ...

Alles, was ich weiß über die Liebe fühlte sich an wie eine wilde Mischung aus dem Leben von Bridget Jones und Amy Whinehouse. Zumindest stelle ich mir genauso den Querschnitt daraus vor. Dabei sind dies die Memoiren von Dolly Alderton, gerade mal 28, Kolumnistin und Autorin für die britischen Medien.
Was weiß also Dolly Alderton in ihren Zwanzigern über die Liebe? Nicht viel, wie sie selbst sagt. All ihre Schlüsse zieht sie aus den langen Freundschaften zu ihren Freundinnen, die seit ihrer Kindheit, Schul- oder Unizeit kennt. Mit denen hat sie mehr Streitereien gehabt, länger zusammen gelebt und mehr um sie gekämpft, als um jeden Mann. Und damit könnte „Alles, was ich weiß über die Liebe“ ein Liebesbrief an eben diese Frauen sein. Denn eigentlich ist es eine gut geschriebene, humorvolle Erzählung über wahre Freundschaften und dem langen, steinigen Weg zur Selbstliebe gesetzt in den 2000ern, so dass man sich selbst zurück versetzt fühlt in die Zeit der eigenen Jugend und der Zeit vor dem guten alten MSN-Messenger, der den Blick in die Welt bot.
Doch leider verliert sich Alderton schon sehr schnell in ihren Erzählungen über Alkohol, Drogen, Partys und Sex. Vom ersten Alkohol mit gerade Mal zehn bis zu dem unzähligen One-Night-Stands erleben ihre komplette Jugend mit. Jedoch setzt sie erwachsen sein sehr schnell mit der Freiheit zu trinken, zu vögeln (sorry!) und zu tun, was sie will, gleich und das tut sie auch in einem unerträglichen Ausmaß, dass weit entfernt von einer „rebellischen Teenagerphase“ entfernt ist. Massenhaft Dates, zahllose Sexpartner, Drogendealer auf den Partys, eskalative Abstürze, sowie sinnfreie und teure Taxifahrten quer durch England. Selbst als Dolly nach einem Absturz nicht mehr glaubt, in London zu sein, realisiert sie nicht, wie schlimm es um sie steht. Die Einsicht kommt erst viel später, als sie während eines Urlaubs und eines misslungenen Tinderdates am Tiefpunkt ankommt und sich eine Therapeutin sucht, die leider nicht die Aufmerksamkeit im Buch bekommt, die sie haben sollte. Denn hier sind wir am Knackpunkt: Zwar hinterfragt sie ihr Männer- und Sexverhalten, lässt jedoch den Alkohol- und Drogenkonsum fast außen vor, obwohl es der große Mix des exzessiven Verhaltens ist, der das Problem an sich darstellt.
Trotz allem ist es ein ehrlicher Einblick in Dolly Aldertons Leben, in ihre Erinnerungen und ihre Erfahrungen. Witzig geschrieben, wobei ich vermute, dass im englischen Original der ein oder andere Wortwitz mehr zu finden ist. Brutal ehrlich und ein sehr lesenswerter Seelenstriptease, dem an der ein oder anderen Stelle ein bisschen mehr Selbstreflexion gut getan hätte.


Veröffentlicht am 05.11.2018

Man könnte mehr draus machen..

Rachewinter
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Endlich ist er da, der dritte Teil der „Walter Pulaski“-Reihe von Andreas Gruber. „Rachewinter“ spielt in üblicher Manier zeitgleich bei der Rechtsanwältin Evelyn Meyers in Wien sowie bei dem Ermittler ...

Endlich ist er da, der dritte Teil der „Walter Pulaski“-Reihe von Andreas Gruber. „Rachewinter“ spielt in üblicher Manier zeitgleich bei der Rechtsanwältin Evelyn Meyers in Wien sowie bei dem Ermittler Walter Pulaski in Leipzig.

Während Evelyn die Verteidigung des Sohns eines Multimillionärs, der anscheinend, sogar mit Videobeweis, seinen Liebhaber umgebracht hat, übernehmen soll, steht Pulaski vor einer Leiche, die er sogar kennt. Denn vor ihm liegt die Leiche des Vaters der besten Freundin seiner Tochter. Doch das nicht schlimm genug, denn eigentlich sollte sich dieser gerade auf Dienstreise befinden und nicht halbnackt auf dem Boden eines billigen Motels. Spannend verfolgen wir mit, wie es um den reichen, transsexuellen Mandant unserer Rechtsanwältin steht und dass man nicht einmal einem Video Glauben schenken sollte, sowie der Recherche und Ermittlung unseres asthmakranken Polizisten, der auf unliebsameweise auf einmal zwei neue Partner hat: seine Tochter und die Freundin, die beide ein großes Interesse an der Auflösung haben. Doch, was wäre diese Reihe, wenn unter allen Umständen nicht die beiden Ermittler wieder aufeinander stoßen…

…und genau dann sind wir bei dem größten Kritikpunkt: Evelyn Meyers und Walter Pulaski. Das Andreas Gruber ein Talent im Schreiben von Kriminalromanen ist, das sollte uns spätestens seit der Sneijder-Reihe aufgefallen sein, daher ist auch Rachewinter rein vom Aufbau, der Geschichte und der Handlung super. Auch die Charaktere hat man nach dem dritten Band längst in sein Herz geschlossen, doch was – mich persönlich – am meisten stört: Evelyn sitzt in Wien, Walter in Leipzig – es ist nahezu abstrus das die Beiden immer rein zufällig ein- und denselben Täter jagen, weil wieso? Ich wünschte mir Gruber würde mal einen anderen Weg wählen, wie die beiden sich finden könnten, in dem es zwei Täter gibt oder die beiden die Hilfe des anderen anfordern. Jedoch ist, nach der dritten Geschichte, die immer mit Zufällen ohne Ende endet, die Luft für mich als Leser raus.

Ansonsten trifft Gruber wie immer mitten ins Schwarze. Die Geschichte ist gut, konnte noch Wendungen annehmen, mit denen ich – als alteingesessener Krimifan – nicht gerechnet habe. Jedoch wünsche ich mir für den vierten Teil etwas mehr Innovation und eine andere Verbindung der Charaktere.

Veröffentlicht am 29.06.2018

Solider Krimi

Sommernachtstod
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Der Albtraum jeder Eltern – die Kinder spielen draußen verstecken und zum Abendessen bleibt eines weg. Noch ist man böse, ärgert sich, aber Minute nach Minute kommen die Zweifel an der Ungehorsamkeit und ...

Der Albtraum jeder Eltern – die Kinder spielen draußen verstecken und zum Abendessen bleibt eines weg. Noch ist man böse, ärgert sich, aber Minute nach Minute kommen die Zweifel an der Ungehorsamkeit und plötzlich die Sorge. So geht es auch der Familie vom kleinen Billy, der in einem kleinen Dorf in Schweden einfach spurlos verschwindet. Auch Jahre später lässt das Verschwinden ihres kleinen Bruders Vera nicht los. Sie ist sogar Trauertherapeutin geworden, um Leid und Kummer zu verstehen. Doch, egal wie oft sie die Zeit zurückdreht und wie oft sie in Gedanken alles zerlegt, etwas stimmt nicht und als dann plötzlich noch ein unbekannter in ihrer Therapiegruppe auftaucht, der ihr kleiner Bruder sein könnte, beginnt sie mit den Nachforschungen und deckt Geheimnisse eines ganzen Dorfes auf.
Anders de la Motte, selbst jahrelang Polizist in Schweden gewesen, bringt mit „Sommernachtstod“ endlich mal wieder einen typischen Krimi auf den Markt. Es muss nicht immer Horror, Psycho und viel Blut sein. Es darf auch gerne mal eine gut konstruierte Geschichte sein und die bekommt man auch. Geschickt verknüpft er zwei Erzählstränge und führt den Leser damit im stetigen Wechsel zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart umher. Schreibtisch gibt es kaum etwas auszusetzen, de la Motte weiß ganz genau was er tut und wie er die Worte benutzen muss, um den Leser bei Stange zu halten.
Hauptfigur ist in diesem Fall Billys große Schwester, die allem nachgehen möchte, aus Neugier und zur eigenen Erleichterung. Sie ist sicherlich kein großer Sympathieträger, trotzdem trägt sie die Geschichte sehr gut. Leider fehlt den restlichen Charakteren etwas an Tiefe und Ausgereiftheit. Gerade der ehemalige Polizist, der die Ermittlungen leitete und auch zwanzig Jahre später noch nicht mit dem Fall abschließen konnte, hatte wahnsinnig viel Potential und auch Sympathien, trotzdem kommt er – meines Erachtens - viel zu kurz. Genauso wie Billys und Veras Bruder, mittlerweile selbst Polizist. Seine Beziehungsprobleme sind so kurz und subtil angeschnitten, dass man sie schon genauso gut hätte weglassen können.
Die Geschichte ist sicherlich keine neue Erfindung, der Rahmen ist gängig, doch trotzdem solide. Lediglich zum Ende hin verliert sich Anders de la Motte in einem schnellen Tempo zwecks Auflösung, was aber an manchen Stellen zu Verwirrung sorgte als auch einige Stellen als ein bisschen „drüber“ empfinden ließ.

Wer also einen soliden, spannenden Krimi aus Skandinavien haben möchte, der ausnahmsweise mal zu keiner Reihe gehört, der kann gut und gerne zu „Sommernachtstod“ greifen und wird nicht enttäuscht.