Berühre mich. Nicht – Ein Buch, um das man momentan nicht herum kommt, da es in allen Buchhandlungen oben aufliegt, durch sein wunderschönes Cover zusätzlich auffällt. Auf Instagram nahezu wird man von Posts erschlagen, die sich mit diesem Buch beschäftigen. So ließ auch ich mich dazu verleiten, das Buch zu kaufen und New Adult eine weitere Chance zu geben. Ich konnte dem Genre (bis auf Colleen Hoovers Romane) bisher nichts abgewinnen, doch da ich Laura Kneidls Light & Darkness wirklich grandios finde, versuchte ich es erneut mit New Adult. Auf geht’s, hier kommt meine Meinung zu Berühre mich. Nicht.
Sage ist mir im gesamten Handlungsverlauf sehr sympathisch und vertraut gewesen. Das liegt wohl daran, dass die Handlung aus ihrer Perspektive berichtet wird und dass es viele innere Monologe gibt. Und die haben es in sich: Was den Inhalt als auch die Länge angeht! Sage wird dadurch sehr greifbar und Leser verstehen ihr Innenleben und ihre Probleme gut. Ich bin normalerweise kein großer Fan von inneren Monologen, sondern lese bevorzugt Stellen mit wörtlicher Rede, jedoch interessierten mich Sages Gedankengänge sehr und ich empfand sie nicht als störend. Eher das Gegenteil.
Man kann ihr Handeln wirklich nachvollziehen und kann sich einen guten Überblick verschaffen, was sie in ihrer Vergangenheit erlebt hat. Gleichzeitig bekommen Leser detaillierte Einblicke in die Gegenwart. So werden Leser und Sage sehr gelungen zusammengebracht. Ich habe mich Sage das gesamte Buch über nahe gefühlt und es schlich sich zudem das Gefühl ein, dass ich Sage wirklich kenne.
Was mir auch gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass Sages Probleme echte Probleme sind und nichts an den Haaren herbeigezogene, bei denen man Leser nur den Kopf schütteln können. Ich durfte feststellen, dass man solche oberflächlichen Charaktere mit lächerlichen Problemen sehr häufig in New Adult Büchern wiederfindet und diese verderben mir persönlich das Lesevergnügen. Einmal habe ich beispielsweise ein Buch aus diesem Genre gelesen, in dem die Protagonistin ständig Heulanfälle wegen Lappalien bekam. Gleichzeitig hat der Mann der Begierde einen Mist mit ihr abgezogen, bei dem jeder Normalsterbliche das Weite gesucht hätte.
In New Adult lässt man so etwas selbstverständlich mit sich machen, sich diskriminieren, beschimpfen und gleichzeitig ist man verliebt bis über beide Ohren. Logik? Dieses ganze Verhalten empfand ich als kindisch, (ver-)störend und führte letzten Endes dazu, dass ich das Buch abgebrochen und verkauft habe. Meiner Meinung nach ist dies leider in diesem Genre sehr häufig der Fall, doch nicht bei Berühre mich. Nicht – Sage ist einfach ein toller Hauptcharakter, den man schnell ins Herz schließt und sie nimmt Leser ausführlich mit durch ihre alltäglichen Höhen und Tiefen.
Was mir auch gefallen hat, war das Fehlen der typischen an sich selbst zweifelnde graue Maus trifft krassen Bad Boy und beide verlieben sich unsterblich, obwohl sie sich eigentlich hassen-Handlung. Dazu sei aber gesagt, dass sich natürlich auch typische Charakteristika des New Adult in diesem Werk wiederfinden. Zum Beispiel der Neustart nach dem Schulabschluss, da man der traumatischen Vergangenheit entkommen muss. Aber wie gesagt: Mich hat dies in „Berühre mich. Nicht.“ keinesfalls gestört, weil die Handlung eine runde Sache ist.
Die Handlung wird generell nicht überstürzt und schreitet langsam und durchdacht voran. Dabei ist sie allerdings nicht langweilig oder zieht sich endlos hinaus – nein, sie wirkt authentisch und ist angenehm zu lesen. Es passiert nicht alles über Tage und Wochen, sondern zieht sich über Monate hin, so dass Sages zögerliche Veränderungen in meinen Augen absolut nachvollziehbar sind.
Eine Leserin kommentierte, nachdem ich über Instagram mitteilte, dass mir das Buch bisher ausgesprochen gut gefällt, dass ich doch erstmal bis zum Ende weiterlesen soll: Zum Schluss hin sei das Buch nämlich nicht mehr gut. Dieser Kommentar schwebte mir, während ich das Buch weiterlas, ständig im Kopf herum, so dass ich auf die Stelle wartete, die die Leserin meinte. Sie kam aber nicht. Jedenfalls nicht für mich.
Ich finde, dass die Geschichte im Großen und Ganzen nachvollziehbar ist. Natürlich – Sages Probleme lösen sich nach und nach, aber nie komplett und ich bin der Meinung, dass Personen, die ein Trauma erlebten, auch durchaus in der Lage sind wieder Vertrauen zu fassen. Besonders dann wenn es nicht von einen auf den anderen Tag geschieht.
Eigentlich ist es schwierig für mich etwas Negatives an diesem Buch zu finden. Sämtliche Charaktere werden glaubhaft dargestellt und können durch liebevolle Details direkt ins Herz der Leser geschlossen werden. Laura Kneidl hat einen traumhaft schönen Erzählstil, der sehr berührend, aber auch sehr humorvoll sein kann. Außerdem liest sich alles flüssig und angenehm, so dass man quasi durchgehend weiterlesen möchte und Berühre mich. Nicht sich als echter Pageturner herausstellen durfte. Dieses Buch gehört auf jeden Fall zu meinen Lesehightlights 2017.
Es werden einige New Adult Klischees in die Handlung eingewoben, jedoch darf man auf viel Sex, wilde Flirtereien und fragwürdige Charaktere verzichten. Stattdessen erhält man Unterhaltung mit Tiefgang und eine wirklich schöne, runde Geschichte. Ich freue mich unglaublich auf die Fortsetzung!