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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.07.2019

Zu wenig Tiefgang

Immer kommt mir das Leben dazwischen
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Karl ist das durchschnittliche Kind zweier extremst begabter Akademiker. Karl ist aber gerade mal 13 und hat weder sich selbst noch seinen Platz im Leben gefunden. Als ihm seit toter Opa im Traum begegnet ...

Karl ist das durchschnittliche Kind zweier extremst begabter Akademiker. Karl ist aber gerade mal 13 und hat weder sich selbst noch seinen Platz im Leben gefunden. Als ihm seit toter Opa im Traum begegnet und ihm rät eine Youtube-Karriere zu starten als auch seiner Oma zu helfen, ist er begeistert und macht sich so gleich an die Arbeit.
Mit „Immer kommt mir das Leben dazwischen“ hat Katrin Schrocke einen witzigen Jugendroman für zwischendurch geschrieben. Karl ist ein angenehmer, wenn auch etwas blasser Charakter, der durch sein junges Alter teils gewollt teils ungewollt komisch rüberkommt und von seinem Leben mit hochbegabten Eltern, Liebesproblemen und einer pubertären Identitätskrise. Das Buch ist mit seinen 192 Seiten fix gelesen und passt perfekt an einen Sommerabend. Leider ist das auch eins der größten Probleme des Romans. Das Buch ist so fix gelesen, dass man zu Karl oder den anderen Figuren kaum eine Beziehung eingehen kann. Die Geschichte rund um die Oma, die ausziehen will und die Youtube-Karriere sind so mager, dass es kaum wahrnehmbare Entwicklungen gibt, die nicht vorhersehbar waren.
Natürlich ist „Immer kommt mir das Leben dazwischen“ ein Jugendbuchroman ab 12 Jahre, so dass man sicherlich nicht vom neuen Kafka ausgehen kann. Doch trotzdem hätte ein bisschen Tiefgang, ein bisschen mehr Witz, ein bisschen mehr von allem dem Buch gut getan.
Nichtsdestotrotz ist Immer kommt mir das Leben dazwischen witzig, humorvoll und dadurch perfekt für zwischendurch. Schnell gelesen, kleine Schmunzler und eine Oma zum Liebhaben.

Veröffentlicht am 28.06.2019

Der schmale Grad der Selbstjustiz

Golden Cage. Die Rache einer Frau ist schön und brutal (Golden Cage 1)
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Als ich Golden Cage als Hörbuch anfing, hatte ich keinerlei Hintergrundinfos und auch keine Vorstellungen. Die Idee eine Geschichte quasi mit dem Ende beginnen zu lassen und dann ganz langsam Fayes Geschichte ...

Als ich Golden Cage als Hörbuch anfing, hatte ich keinerlei Hintergrundinfos und auch keine Vorstellungen. Die Idee eine Geschichte quasi mit dem Ende beginnen zu lassen und dann ganz langsam Fayes Geschichte zu hören, fand ich gut gewählt. Prinzipiell schreibt Camilla Läckberg mit Golden Cage keine neue Geschichte. Faye und Jack sind DAS Traumpaar, jung und erfolgreich. Bis Jack die Beziehung beendet und er gefährlich zu werden scheint, da er aus Arroganz und übersteigertem Selbstwertgefühl Faye gänzlich aus seinem Leben ausschließt und ihr sowohl kein Geld als auch kein bisschen Wertschätzung für die Jahre entgegen bringt.

Also sucht Faye nach der Möglichkeit sich zu rächen und findet diese auch. Trotzdem muss ich gestehen, dass ich über den Wandel des Buches doch sehr überrascht bin. Sicherlich wurde die Protagonistin gedemütigt und vorgeführt und auch den Weg es ihrem Examen heim zu zahlen, kann ich vollkommen nachvollziehen. Doch den Weg den Faye gegen Ende einschlägt, macht für mich das Buch etwas seltsam. Zumal ich dahingehend dann auch nicht mehr den Untertitel verstehen mag und kann.

[ Denn Rache ist das Eine. Aber Läckberg schildert Faye zum Einen als toughe Frau, die einfach nur so blöd war blind vor Liebe zu sein und sich vollkommen in ihrer Beziehung und Liebe zu ihrem Mann zu verlieren. Zum Anderen ist Faye aber auch eins: Eine eiskalte Mörderin. Während ich vielleicht den Mord an ihrem Vater noch erklären kann und die Beweggründe dahingehend - vor allem mit dem Ende des Buches verstehen kann - so empfinde ich die Lösung sich ihres Exfreundes zu entledigen, als auch das Ende der Rache an Jack als so übertrieben, dass ich das Buch fast unterbrochen hätte.

Ich bin sicherlich nicht kleinlich, aber mit Selbstjustiz auf solchen Ebenen, auch wenn sie vielleicht gerechtfertigt ist, habe ich meine Probleme.
Trotzdem habe ich das Buch sehr schnell durchgehört und fühlte mich gut unterhalten.

Veröffentlicht am 07.02.2019

Der Grat zwischen Ego und Witz

Lange Beine, kurze Lügen
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Was soll der ganze Hype?
Vorne weg: Mir war Michael Buchinger vor seinem Buch „Lange Beine, kurze Lügen“ kein Begriff. Weder habe ich vorher ein Video gesehen, sein anderes Buch gelesen oder seinen instagram-Kanal ...

Was soll der ganze Hype?
Vorne weg: Mir war Michael Buchinger vor seinem Buch „Lange Beine, kurze Lügen“ kein Begriff. Weder habe ich vorher ein Video gesehen, sein anderes Buch gelesen oder seinen instagram-Kanal besucht. Die Worte Vice-Redakteur lösen in mir auch mehr Skepsis als Neugier aus, aber manchmal muss man tun, was man tun muss – und dann liest man das Ebook, obwohl die Leseprobe einen die Stirn hat runzeln lassen.
Denn um was geht es? Um Lügen. Um kleine Lügen oder auch Große – das alles gepaart mit einer Sammlung kleiner Anekdoten aus seinem Leben. Vorne weg: Die Leseprobe war wirklich nicht meins. Großkotzig und unsympathisch kam mir Buchinger vor, gerade nach der Geschichte als er seinen Ausweis vergessen hatte und trotzdem in ein Flugzeug gelassen werden wollte.
Aber die Mühe und auch meine Neugier haben sich doch belohnt – denn, was noch mau anfing, wird wirklich amüsant. Vielleicht war es einfach die falsche Auswahl an Geschichten oder Startschwierigkeiten oder Buchinger altes Problem á la „Zeig doch mal dein wahres Gesicht“.
Und nun? Den Hype verstehe ich immer noch nicht, schallend lachend saß ich bisher auch nicht auf der Couch, aber ich wurde die meiste Zeit des Lesens unterhalten. Gerade die kleinen Anekdoten in der Mitte des Buches, rund um sein Coming-Out oder über Blinddates, waren wirklich sympathisch, humorvoll und mit der gewissen Prise Etwas. An sich liest es sich recht zügig, da die einzelnen Abschnitte angenehm kurz sind und man schnell mal pausieren kann.
Trotzdem ist der Grat zwischen Humor und Ego an manchen Stellen sehr schmal und so war es eben kein Witz, sondern einfach nur Show und Egogehabe. Dahingehend leider nicht so rund wie ich mir gerade leichte, humorvolle Lektüre vorstelle.
Außerdem… Vielleicht ist es die Thematik. Aber ich hab es einfach nicht so mit Lügen und Lügnern. Buchinger präsentiert sich als schillernde Mediengestalt, die es halt „mal nicht so genau nimmt mit der Wahrheit“. Aber eben diesen Anspruch habe ich an mich und auch an die Menschen mit denen ich mich umgebe. Notlügen seien mal außen vor, wir alle sind nicht rund um die Uhr ehrlich. Aber mir bleibt der Lacher doch im Halse stecken, wenn er erzählt wie er jahrelang Geschichten um seine Wohnung oder Beziehungen konstruiert hat. Finden die BuchingerFans vielleicht witzig, ehrlich und sympathisch – ich eher fragwürdig.
Daher eine kurzweilige, streckenweise witzige Unterhaltung, die mir aber keinen Anlass gibt, auch noch das andere Buch in Windeseile zu kaufen. Wer leicht unterhalten werden möchte, aber auch kein Problem mit der Selbstdarstellung des Autors hat, wird hier auf seine Kosten kommen.

Veröffentlicht am 16.10.2017

Stiller Stillstand

Und Marx stand still in Darwins Garten
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Man stelle sich vor – zwei bedeutende Denker hätten die Möglichkeit sich an einen Tisch setzen und über ihre Theorien zu plaudern. Genau das hat Ilona Jerger in ihrem Buch „Und Marx stand still in Darwins ...

Man stelle sich vor – zwei bedeutende Denker hätten die Möglichkeit sich an einen Tisch setzen und über ihre Theorien zu plaudern. Genau das hat Ilona Jerger in ihrem Buch „Und Marx stand still in Darwins Garten“ möglich gemacht. Sie hat die beiden Männer im Jahr 1881 an denselben Ort gebracht, London. Beide gebeutelt durchs Leben und durch Krankheit, haben sie den gemeinsamen Arzt Dr. Beckett, der immer wieder mit dem Gedanken spielt die zeternden, alten Herren in einen Raum zu kriegen.
Wirklich getroffen haben sich die beiden nie, doch Jerger versucht in ihrem Roman eine Mischung aus Fiktion und Fakten, ein Drahtseilakt, der ihr nur stellenweise gelingt. Die Grundidee, famos – zwei bedeutsame Männer, die damals wirklich so nah beieinander wohnten, miteinander zu verbinden, ihnen Raum zu geben und sich unterhalten zu lassen. Doch ist der Weg bis zu dem wirklichen Aufeinandertreffen eine schier endlose Einleitung. Seite um Seite vergeht, Darwin hadert, Marx zetert. Wirklich Neues erfährt man nicht. Man bekommt einen guten Einblick in die Leben der Beiden, in deren Sinnkrisen und deren Werke – aber auch nur oberflächlich. Das Treffen, auf das nach rund Hälfte des Buches nicht nur Doktor Beckett hin fiebert, verläuft hingegen fad. Zu kurz ist der Moment, in dem sich die brillanten Denker gegenüber stehen und noch kürzer der Moment, in dem sie sich wirklich unterhalten. Die Szene, in die beiden unter vier Augen Gedanken austauschen, schon durch Leseproben, Einleitungen und Kurzzusammenfassungen bekannt. Was das beim Leser auslöst? Vor allem Ernüchterung.
Trotzdem kann Ilona Jerger schreiben. Die Sätze sind leicht, schnell zu lesen, trotz der vermeintlichen Schwere des Inhaltes. Doch auch dieser Umstand hilft nicht über die Schwächen des Buches hinweg, denn wie man es dreht und wie man es wendet – die Erwartungshaltung war eine andere. Es ist viel mehr ein. Es ist viel mehr der Dialog Darwins und Marx‘ mit ihrem Arzt, als miteinander. Jerger hat viel mehr die beiden Genies als Romanfiguren erweckt, durch Briefe und Tagebücher eine Geschichte um sie herum konstruiert, leider hat sie dabei vergessen die Verbindungen zu knüpfen, zu stärken und ein bisschen mehr Spannung unterzumischen.
So bleibt am Ende ein guter Roman, mit Abstrichen. Ein Roman, der durch seinen wunderbaren Schreibstil überzeugt, aber durch die gelenkte Erwartungshaltung des Lesers den einen oder anderen verwirren, linken oder enttäuschen wird.

Veröffentlicht am 23.08.2017

Der Blick in dein anderes Leben

Der Brief
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"Was wäre wenn" - diese Frage haben wir uns sicherlich alle schon einmal gestellt. Was wäre, wenn ich damals das Studium abgebrochen hätte? Wenn ich woanders hingezogen wäre? Wenn ich mich für einen anderen ...

"Was wäre wenn" - diese Frage haben wir uns sicherlich alle schon einmal gestellt. Was wäre, wenn ich damals das Studium abgebrochen hätte? Wenn ich woanders hingezogen wäre? Wenn ich mich für einen anderen Partner entschieden hätte? Doch wir bekommen die Antworten nicht darauf.

Marie schon. Eines Tages erhält sie einen Brief ihrer alten Schulfreundin, die über ihren Alltag erzählt. Doch obwohl der Brief an sie adressiert ist, könnte ihr der Inhalt nicht fremder sein. Denn Christine erzählt von einer längst verstorbenen Freundin und angeblich würde Marie in Paris leben. Als sie Christine zur Rede stellt, will diese von dem Brief nichts wissen. Doch dabei bleibt es nicht. Es folgen Briefe, Anrufe, Bilder - Marie scheint ein alternatives Leben in Paris zu führen, das so ganz anders verlaufen ist als das, was sie jetzt lebt. Doch woher kommen diese Briefe?

Das versucht Marie in "Der Brief" von Carolin Hagebölling herauszufinden und reist an ihr unbekannte Orte, erlebt Déjà-vus und trifft auf Menschen, die ihr scheinbar bekannt vorkommen. Durch den kurzweiligen Schreibstil lässt sich Maries Reise durch eine gefühlte Paralellwelt, die voller "Waswärewenns" ist, schnell und flüssig lesen. Der Roman kommt knapper daher und umfasst gerade mal 219 recht groß geschriebene und sehr großzügig formatierte Seiten, die nur zwei Stunden Zeit beansprucht haben, um zwischen Paris und Hamburg umherzupendeln.

Der Einstieg ist schnell gegeben, die Geschichte startet sofort und auf knapp zweihundert Seiten ist leider auch kein Platz für zusätzliche Informationen. Hier liegt leider aber auch der größte Schwachpunkt des Buches. Weder Marie noch Christine noch deren Partner erhalten viele Details. Alles wirkt sehr oberflächlich, so als sei nur das Nötigste schnell zusammengeschrieben wurden. Marie, obwohl wir sie komplett begleiten, keine andere Sicht kennenlernen, wirkt mir am Ende des Buches kein Stück näher, kein bisschen sympathischer oder nachvollziehbarer. Entscheidungen oder Fragen sind viel zu oft viel zu schnell beantwortet. Briefe aus einer alternativen Zukunft? Kein Problem, aufkeimende Panik kommt zu keinem Zeit wirklich richtig rüber.

Dabei hat das Buch wirklich Potential. Marie wäre, mit ein paar Zusatzinformationen, eine formidable Protagonistin gewesen. Victor und Johanna hätten wunderbare Nebenschauplätze sein können. Doch bei keiner Person, bei keinem Ort kam Leidenschaft rüber. Das Ende hingegen hätte noch 50 Seiten mehr verkraften können. Carolin Hagebölling hätte hier etwas weiterspinnen können, die Geschichte dort noch mal aufgreifen. Doch da war das Ende viel zu offen, viel zu viele Fragen noch da. Daher war "Der Brief" leider eine kurzweilige, angenehme Unterhaltung, hinterlässt jedoch keinen bleibenden Eindruck.