Es ist nie zu spät, neu anzufangen
Paula lebt mit ihrem Ehemann Thilo an der Ostsee und führt mit ihm zusammen die Apotheke ihrer Eltern weiter. Die 16-jährige Tochter Katharina ist in einem Internat, kommt nur selten zu Besuch. Zwischen ...
Paula lebt mit ihrem Ehemann Thilo an der Ostsee und führt mit ihm zusammen die Apotheke ihrer Eltern weiter. Die 16-jährige Tochter Katharina ist in einem Internat, kommt nur selten zu Besuch. Zwischen Paula und Thilo herrscht Wortlosigkeit, von Liebe ist weit und breit nichts zu spüren, was Paula innerlich brodeln lässt. Doch dann schafft es Thilo, sie aus dem Konzept zu bringen, denn er zieht von jetzt auf gleich aus und lässt sie in dem gemeinsamen Haus, aber auch in der Apotheke allein zurück. Aus ihrer anfänglichen Verzweiflung holen sie vor allem ihre Mutter und 40-jährige Schwester Iris, die am Downsyndrom leidet. Paula hat ein besonders inniges Verhältnis zu Iris, die ihr immer wieder zeigt, dass man sich auch an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen kann. Nach und nach erwacht Paula wieder zum Leben, krempelt ihr Leben um, möchte sich als ausgebildete Schauspielerin noch einmal auf eine Bühne wagen und vor allem will sie ihr Herz endlich der Liebe öffnen. Da kreuzt der Tierarzt Hendrik ihren Weg…
Susanne Lieder hat mit „Paulas erster Frühling“ einen sehr unterhaltsamen und anrührenden Roman vorgelegt, der mit einem locker-flüssigen und gefühlvollen Schreibstil den Leser zu verzaubern weiß. Schon mit den ersten Seiten hängt man an Paulas Fersen, darf ihr durch den Alltag folgen und währenddessen ihre Gedanken- und Gefühlswelt lesen. Die Autorin lässt den Leser aber nicht nur an Paulas Gegenwart teilhaben, sondern mit geschickt platzierten Rückblenden auch Ereignisse aus der Vergangenheit erneut ans Tageslicht schlüpfen, um dem Leser nicht nur das besondere Verhältnis zwischen Paula und Iris zu verdeutlichen, sondern immer sehr passend zur jeweiligen Situation erklärend zu wirken. Besonders Iris sticht in diesem Roman hervor, die durch ihre kindliche Lebensfreude und Offenheit in jeder Lebenslage Wärme und Liebe ausstrahlt, was den Leser immer wieder aufs Neue berührt. Mit viel Empathie beschreibt die Autorin die Zweifel einer Frau mittleren Alters, die an einer Weggabelung steht und sich jahrelang viele Dinge versagt hat, um es anderen recht zu machen. Dass sie sich dabei fast selbst aufgegeben hat, lässt sie rebellieren, verzweifeln, denn Abschied nehmen tut weh. Aber sie wird langsam auch mutig, neue Wege zu gehen und sich endlich auf ihre eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren. Wie wichtig dabei gute Freunde und die Familie sind, wird in dieser Geschichte wunderbar deutlich. Sehr schön auch die Idee mit dem alten Brief, der nun zum Vorschein kam.
Die Protagonisten sind sehr liebevoll in Szene gesetzt und mit viel Leben versehen. Individuelle Eigenschaften verleihen ihnen einen sehr authentischen und realistischen Charakter, der Leser hat das Gefühl, einige von ihnen schon lange zu kennen. Gerade deshalb fühlt man sich in ihrer Mitte sofort wohl und als Teil von ihnen. Paula ist eine sympathische Frau, die ihre eigenen Bedürfnisse viel zu lange verschlossen hat. Nun ist sie gezwungen, sich neu zu orientieren, was sie manchmal ängstlich, oftmals pragmatisch, aber dann auch mutig und stark wirken lässt. Paula entdeckt nach und nach, was sie unbedingt in ihrem Leben will und was nicht. Die Entwicklung ist sehr schön zu beobachten. Iris ist der eigentliche Star in dieser Geschichte, denn mit ihrer fröhlichen, offenen und liebevollen Art gewinnt sie das Herz des Lesers im Sturm. Sie hat sehr feine Antennen für ihre Mitmenschen, ist ohne Falsch und trägt ihr Herz auf der Zunge. Marie ist eine nette Frau, die von einer neuen Angestellten schnell zu einer tollen Freundin mutiert. Katharina ist für ihr Alter schon sehr erwachsen und hat ihre Eltern entlarvt, lange bevor es ihnen selbst bewusst wurde. Hendrik ist ein charmanter und offener Mann, der sofort einen Draht zu Paulas Herz hat. Aber auch Viola, Kriemhild und Thilo steuern ihren Beitrag bei, um die Handlung rundum gelungen wirken zu lassen.
„Paulas erster Frühling“ ist eine ehrliche und authentische Geschichte, wie sie jedem von uns passieren kann. Sehr gefühlvoll erzählt und jede Zeile wert, was eine absolute Leseempfehlung verdient.