》INHALT:
»Ich möchte die Welt umarmen und von der Welt umarmt werden. Von Wellen umspült, vom Wind zerzaust und von der Hitze erdrückt werden. Ich möchte alles spüren, intensiv, jetzt und für immer. Ich möchte berührt werden, tief in meinem Inneren. Von der Schönheit der Welt, der Schönheit der Natur, des Wassers, des Himmels. Komm schon, Leben - gib mir alles. Ich bin bereit!«
Samira Mousa nimmt die Herausforderung an und reist um die Welt, mit Multipler Sklerose und einem Rucksack voller Medikamente. Die Krankheit ruft sich unterwegs immer wieder in Erinnerung – und doch führt Samiras Trip sie nicht nur an wunderschöne Orte, sondern vor allem zu neuen und aufregenden Abenteuern. Eine Inspiration!
》EIGENE MEINUNG:
Zuerst muss ich sagen, dass mir schon lange keine Rezension mehr so schwer gefallen ist wie diese. Es geht dabei ja oft darum festzustellen: Habe ich Entscheidungen nachvollziehen können? Wie hätte ich selbst gehandelt? Ist mir die Person darin sympathisch? Diese Kriterien funktionieren hier aber aus einem sehr wichtigen Grund nicht: Ich bin gesund und kann somit erst mal gar nichts wirklich nachvollziehen und will/kann schlicht weg nicht werten. Das typische „Ich kann mir vorstellen, dass…“ oder „Ich an dieser Stelle würde…“ gilt hier einfach nicht, da ich es nicht sicher sagen kann. Man liest, ist gefesselt und hofft zugleich, dass man selbst nie in diese Situation kommt. Man verfolgt Emotionen und Entscheidungen die man selbst nie erleben/treffen musste und nimmt doch etwas für sich selbst mit.
Mir ist aber trotzdem wichtig darzustellen, wie mutig ich Samira Mousas Entscheidungen ihren Job zu kündigen, ihre Lieben zurück zu lassen und mit ihrer schweren Krankheit auf Reisen zu gehen finde. Dass ich selbst gesund bin und mir keinesfalls anmaßen will über ihre Entscheidungen zu urteilen. Es war sehr spannend ihren Weg mit zu verfolgen und ich habe das Buch an nur einem Nachmittag verschlungen. Andererseits möchte ich auch erzählen, was ich mir vom Buch erwartet habe und welche Gefühle ich beim Lesen hatte. Dass ich mich an manchen Stellen gerne andere Entscheidungen würde treffen sehen als sie es getan hat und ich mich nicht mit allen davon wohl gefühlt habe.
Dazu der kurze Hinweis: Ich tue mich an sich schwer mit Büchern die von Krankheiten handeln. Selbst wenn es „nur“ erfundene Geschichten sind meide ich sie im Normalfall. Die Romane, die die letzten Jahre so aktuell waren, über Krebs, To-Do-Listen vor dem Tod, etc. habe ich alle nicht gelesen. Vielleicht ist das meine Art des Weglaufens, aber ich greife eher weniger nach solch emotionalen Stunden in Form von Büchern. Sie ziehen mich auch einfach nicht an. Vor allem wohl nicht, wenn es geplant emotional ist, wie ein Roman. Umso mehr war ich hier gespannt, wie es mir mit dem Lesen ergehen würde – mit dem Wissen, dass es hier um wahre Begebenheiten geht. Die Mischung mit dem Thema „Reisen“ hat mein Interesse geweckt.
Aber von vorne:
Zuerst hat mich das Cover in seinen Bann gezogen. Die Harmonie, die Ruhe und Freiheit die es für mich ausstrahlt haben mir sofort gefallen. Die Farben sind paradiesisch, der Titel jugendlich gestaltet und das Thema MS nicht im Fokus. Das Inhaltsverzeichnis gefällt mir besonders deswegen, weil jedes Kapitel eine kleine Überschrift trägt in die man gerne hinein interpretiert, was einen dort erwarten wird. Die einzelnen Abschnitte sind nicht zu lang und der Schreibstil hat es mir leicht gemacht darin zu versinken.
Wie bei allen Sachbüchern, so habe ich auch hier den Original-Klappentext auf der Buchrückseite für meine Inhaltsangabe verwendet. Ich finde es bei solchen Büchern besonders wichtig den Schluss ziehen zu können, was man sich durch diesen erhofft/erwartet hat und was einem das Buch am Ende gegeben hat. Nicht unbedingt um zu werten, sondern auch um gezielt darüber nachzudenken. So dachte ich zum Beispiel die Autorin hätte sich eine Auszeit von ihrem Job genommen um zu reisen. Erst im Buch selbst habe ich verstanden, dass sie während ihrer Zeit im Ausland an ihrer Karriere als Autorin und Bloggerin („chronisch fabelhaft“) gearbeitet hat. An vielen Orten arbeitet sie vor allem – Sightseeing ist dabei eher nicht Thema. Mir scheint es als wäre es ihr eher darum gegangen in den Ländern zu leben, als sie zu bereisen. Unabhängig von einem Ort zu arbeiten. Selbstbestimmt zu sein. So wird es auch Thema komplett auszuwandern. Wir bereisen weniger die Welt als mit ihr an einigen Stellen zu verweilen (Cartagena, Oaxaca, Medellin, Nusa Pendia,…), alte Bekannte zu besuchen, Aufgaben zu übernehmen, zu (er)leben und zu arbeiten. Ihre Entwicklung geschieht dabei zu Beginn eher im Hintergrund. Sie wird dargestellt durch ihre Gefühle, die Auf und Abs ihrer Krankheit, ihren Umgang mit Menschen, ihre Entscheidungen und Erlebnisse.
Zuerst bin ich davon ausgegangen, dass der Ausbruch bzw. die Diagnose der Krankheit ganz zu Beginn behandelt würden. Ich muss dazu sage, dass ich keine zu genauen Details über MS kenne und mich das deshalb überhaupt nicht gestört hätte. Vielleicht hätte ich so sogar das Gefühl gehabt besser verstehen zu können, was auf Samira Mousa eingestürmt ist. Was es bedeutet mit dieser Krankheit zu leben. Vielleicht wäre genau das falsch gewesen, weil es doch nicht stimmen würde. Aber so war es für mich erstaunlich, aber dann auch schnell angenehm, dass das Buch an ihrem Abreisetag beginnt. Dieser liegt bereits einige Jahre nach Diagnose ihrer Erkrankung. Erst nach und nach bekommt man als Leser auch Einblicke in die Vergangenheit. Aber die Krankheit reist schließlich auch mit…
Sie ist immer präsent, aber für mich spannenderweise nicht der Mittelpunkt. Das sind eher Samira selbst, ihre Gefühle, ihre Beziehungen und ihre Arbeit. Ihr Weg, ihre Entscheidungen, ihre Erlebnisse und ihr Wachsen. Ich finde es sehr mutig sich so zu öffnen, vor allem auch wenn geliebte Personen (hier vor allem ihr Freund und ihre Mutter) mit ins Spiel kommen. Und zu Beginn muss man ja erst einmal verstehen, wer die Autorin ist, um zu erleben wie die Krankheit sie und ihre Bedürfnisse verändert. Und das macht Samira Mousa in ihrem Buch sehr authentisch für sich selbst deutlich. Mir war sie dadurch leider nicht immer ganz sympathisch. Ich hätte auch gedacht mehr Mitgefühl mit ihr selbst zu haben. Dies hatte ich in großem Maße aber vor allem für die zwei Personen um sie herum: Ihren Freund und ihre Mutter. Die beiden haben wohl viel auf sich genommen und viel zurück gesteckt um Samira ihren Weg finden zu lassen. Diese Entscheidung liegt natürlich bei ihnen selbst, aber an einigen Stellen hätte ich mir für sie mehr an Rücksicht gewünscht. Andererseits merkt man wie wichtig es Samira Mousa war ihren eigenen Weg zu finden, selbstbestimmt zu leben. Vielleicht ist das gerade in puncto Beziehungen besonders schwierig. Ich hoffe ich werde also wirklich nicht missverstanden. An dieser Stelle bin ich einfach sehr hin- und her gerissen und vielleicht ist mein Empfinden an diesen Stellen ein Lob für die Autorin, dass sie ihren Weg mit MS zwar beschreibt, aber auf eine so besondere Weise, dass es nie auch nur eine Sekunde reißerisch oder mitleidheischend wirkt. Selbst an den tiefsten Tiefpunkten erkennt man sie als Mensch mit Stärken und Schwächen, als Individuum, und hat tiefen Respekt. Und da muss man dann auch nicht jede Entscheidung sympathisch finden. Die Krankheit selbst wünscht man jedoch jederzeit zur Hölle oder sich sofort eine Methode zur Heilung für alle Betroffenen herbei.
Für weniger mutige wie mich war es dann noch gut zu lesen, dass die Autorin an vielen der besuchten Orte bereits Bekannte hatte. Auch ihre Sprachkenntnisse waren sicher hilfreich. Ein leichtes Fernweh zu Beginn des Buches hat sich im Laufe dessen zu Nachdenklichkeit und am Ende hin zu Dankbarkeit für meine Familie und meine Heimat entwickelt. Ich habe das Lesen genossen und denke hier kann jeder etwas für sich selbst mitnehmen. Samira Mousa wünsche ich auf ihrem weiteren Weg alles Gute und sage „Danke“ für die Möglichkeit dieses Buch in einer Leserunde entdecken zu dürfen.
》FAZIT:
Eine interessante Erzählung über eine mutige Frau, die Suche nach ihrem persönlichen Weg und Umgang mit der Krankheit MS. Über eine Reise um die Welt, ortsungebundenes Arbeiten, Besuche bei alten Freunden, verschiedensten Erlebnissen, Emotionen und Entscheidungen.
Für mich ist dieses Buch weniger ein Reise-, als ein Lebensbericht, dem ich Respekt zolle. Die Vorstellung davon den Job zu kündigen, zu reisen und dabei nicht zu arbeiten trifft hier also nicht zu. Etwas mitnehmen kann aus diesem Buch aber wohl jeder für sich.