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Veröffentlicht am 02.07.2019

Die verlorenen Jungs

Mortal Engines - Der Grüne Sturm
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Sechszehn Jahre sind vergangen seit Anchorage an der Küste Amerikas gestrandet ist. Tom und Hester sind sesshaft geworden. Über ihre Tochter Wren sind sie überglücklich. Doch die junge Dame hat Lust auf ...

Sechszehn Jahre sind vergangen seit Anchorage an der Küste Amerikas gestrandet ist. Tom und Hester sind sesshaft geworden. Über ihre Tochter Wren sind sie überglücklich. Doch die junge Dame hat Lust auf Abenteuer, den Wert ihres ruhigen Lebens in Sicherheit weiß sie nicht wirklich zu schätzen. Sie ist schließlich eine Jugendliche und damit etwas rebellisch, wie fast alle jungen Leute. Als einige der verlorenen Jungs nach Anchorage kommen, um das Zinnbuch zu stehlen, mit dem man angeblich den Krieg gewinnen kann, ist Wren nicht abgeneigt, sich ihnen anzuschließen. Dann jedoch etwas unfreiwillig begibt sie sich auf eine Abenteuerfahrt.

Auch dieser dritte auf deutsch erschienene Band über die fahrenden Städte und ihre Bewohner sprüht vor Ideen. Trotz des relativ langen Zeitabstandes, mit dem die Handlung gegenüber dem Vorgängerband einsetzt, trifft man viele Bekannte wieder, sogar einige, mit denen man nicht gerechnet hätte. Wren ist eine sympathische, wenn auch etwas stürmische junge Frau, die mehr Abenteuer geboten bekommt als ihr letztlich lieb ist. Tom und Hester begeben sich auf die gefährliche Mission ihre augenscheinlich entführte Tochter heimzuholen und müssen sich dabei ihren eigenen Problemen stellen.

Wieder lebendig vorgetragen wird dieses Hörbuch von Robert Frank. Wie bereits in den vorherigen Bänden kann man sich nie ganz sicher sein, ob der vermeintliche Sympathieträger wirklich so liebenswert ist wie man meint, ebenso wie es sein kann, dass einige, die den Boshaftigkeitsstempel aufgedrückt bekamen, sich als nicht so verkehrt erweisen. Ob man diese Wechsel oder Unsicherheiten immer so gerne mitmacht, muss man sich selbst überlegen. Eine gewisse Würze bekommt das Buch dadurch gewiss. Und nicht nur einmal wird es knapp für die Helden, so dass jederzeit für Spannung gesorgt ist. Natürlich bleiben genug Fragen offen, um sich auf den wohl abschließenden vierten Band freuen zu können.

Veröffentlicht am 30.06.2019

In Ewigkeit

Bösland
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Als 13jähriger Junge wurde Ben mit der Leiche seiner Mitschülerin Mathilda in den Armen gefunden. Er wurde beschuldigt, das junge Mädchen umgebracht zu haben. Jahrelang war er in einer psychiatrischen ...

Als 13jähriger Junge wurde Ben mit der Leiche seiner Mitschülerin Mathilda in den Armen gefunden. Er wurde beschuldigt, das junge Mädchen umgebracht zu haben. Jahrelang war er in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Erst mit Anfang zwanzig konnte er in eine Wohngruppe ziehen und später nahm er die Gelegenheit wahr, ein Fotolabor zu führen. Nach langen Jahren jedoch kommen beängstigende Erinnerungen zurück. Ben beginnt wieder, seine Psychologin von damals aufzusuchen. Sie ermutigt ihn, sich seinen Erinnerungen zu stellen. Sie glaubt an ihn, seine jahrelangen Fortschritte. Ben ist unsicher. Wird er etwas in Gang bringen, was er nicht aufhalten kann?

Bens Eltern haben sich nicht gut um ihren Sohn gekümmert. Man könnte daher auf die Idee kommen, der Mord sei eine Folge der ungenügenden Fürsorge gewesen. Die Sorge, etwas könne aufgerüttelt werden, was besser in Ruhe bliebe, erscheint also durchaus berechtigt. Kann man Psychologen glauben, die Patienten für geheilt oder so gefestigt erklären, dass sie sich dem aussetzen können? Man denkt schnell an Presseverlautbarungen, in denen die Beurteilungen durch Psychologen nicht so gelungen waren. Allerdings wie so häufig registriert man nicht, wie oft sie richtig lagen. Und da ist ja auch noch Bens Jugendfreund Felix, der damals mit ihm durch dick und dünn ging.

Die Geschichte von Ben und Felix ist dermaßen an den Haaren herbei gezogen, dass man einfach nicht glauben kann, was man da liest. Man sucht nach einem psychologischen Trick, nach einer gewissen Raffinesse. Und dennoch - der Roman ist wie er ist und damit einfach sehr spannend. Setzt man sich über die eigene mangelnde Fähigkeit, die Story zu glauben, hinweg, erhält man eine schnell geschnittene, fesselnde Erzählung, die in sich schlüssig ist. Die kurzen Kapitel, deren Stil zwischen Erzählung und Rede wechselt, ist rasant und ansprechend. So ein Roman lässt sich leicht in einem Rutsch durchlesen, wobei die Kapitelüberschriften schön gruselig gestaltet jeweils eine eigene Seite bekommen, wodurch es noch etwas schneller vorangeht. Ein Buch, das man an einem Sommernachmittag inhalieren kann.

Veröffentlicht am 30.05.2019

Seeblick

Lago Mortale
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Aus dem hektischen Frankfurt hat des den ehemaligen Gerichtsreporter Simon Strasser an den Lago d’Orta gezogen. Touristisch noch nicht so erschlossen bieten dessen Ufer ideale Rückzugsgebiete. So ganz ...

Aus dem hektischen Frankfurt hat des den ehemaligen Gerichtsreporter Simon Strasser an den Lago d’Orta gezogen. Touristisch noch nicht so erschlossen bieten dessen Ufer ideale Rückzugsgebiete. So ganz lässt der Beruf den Journalisten nicht los, denn als er während einer Kanutour ein dahintreibendes Segelboot entdeckt, folgt er seiner Intuition. Auf dem Segelboot entdeckt er einen Toten. Unfall oder Mord? Eine Frage, der Strasser einfach auf den Grund gehen muss. Sind die Gedanken erstmal am Kreisen, kann er die Ermittlung nicht einfach der Polizei überlassen. Da es sich bei dem Toten um den Sohn eines einflussreichen Fabrikanten handelt, drängt sich die Frage auf, wer etwas von dessen Tod gehabt haben könnte.

Als Reporter mit untrüglichem Spürsinn ist Simon Strasser auf der Jagd nach einer Erklärung. Obwohl er eher Ruhe und den Genuss an dem etwas abgeschiedenen See in Piemont sucht, muss er doch nachforschen, wie der junge Mann zu Tode gekommen ist. In den Erzählungen über den Toten wird der Eindruck erweckt, er sei das schwarze Schaf der Familie. Vielleicht gibt es einen Zusammenhang mit einem Unfall, der vor einiger Zeit ein Opfer gefordert hat, dass seitdem im Koma liegt.

Bei seinem ersten Auftritt lernt man Simon Strasser als einen eher ruhigen, aber hartnäckigen Erforscher der Wahrheit kennen. Sein Verhalten, der Polizei die Arbeit abnehmen zu wollen, wird dabei als typisch für seinen Berufsstand erklärt. Auch wenn er eigentlich die Ruhe und Schönheit des Lebens am Seeufer genießen wollte, ist er plötzlich mittendrin. Obwohl Simon Strasser, der sich liebevoll um seine beinahe erwachsene Ziehtochter kümmert, sympathisch wirkt, kommt einem seine Findigkeit manchmal etwas übertrieben vor. Schließlich sollte auch die Polizei fähig sein, ihre Arbeit zu erledigen, was ihm die Polizistin Carla auch deutlich zu verstehen gibt. Wenn man mehr über den Hintergrund des Opfers erfährt, fragt man sich, ob in Familien heute noch so reagiert wird. Dennoch bietet dieses Hörbuch stimmungsvoll gelesen von Frank Stöckle gute Unterhaltung. Es entführt in eine eher unbekannte Gegend Italiens, die liebevoll gezeichnet wird. Das Rätsel um den Tod des jungen Mannes wird durchaus interessant gelöst. Mehr in Erinnerung bleiben aber, der sympathisch energische Strasser und der Lago d’Orta, den man nach der Lektüre wenigstens mal im www aufgesucht hat.

Veröffentlicht am 27.05.2019

Die Verlobte

Die kalten Sekunden
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Zehn Jahre ist es her, dass Damian Werners Freundin Ewa verschwand. Es sollte der schönste Abend ihres Lebens werden, doch es geschah ein katastrophaler Überfall. Damian ist immer noch untröstlich. Seinen ...

Zehn Jahre ist es her, dass Damian Werners Freundin Ewa verschwand. Es sollte der schönste Abend ihres Lebens werden, doch es geschah ein katastrophaler Überfall. Damian ist immer noch untröstlich. Seinen Job hat er nicht mehr, von seinen Freunden hat er sich zurückgezogen. Eigentlich haust er nur noch in seiner kleinen Welt und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Eines Tages jedoch taucht plötzlich ein Bild von Ewa auf, sie scheint bei einem Konzert gewesen zu sein. Sofort sucht Damian nach Möglichkeiten, den Aufenthaltsort der Frau auf dem Bild ausfindig zu machen.

Beginnt man mit der Lektüre dieses Romans, fragt man sich schon, wieso ein Mensch sich so hängen lässt wie Damian Werner. Wenn er nie glaubte, Ewa sei tot, sollte er sein Leben nicht eher in Ordnung halten, damit Ewa in ein schönes Leben zurückkehren kann, falls sie tatsächlich wieder auftauchen sollte. Unabhängig davon macht sich Damian sofort auf die Suche nach Ewa. Der einzige Freund, der ihm noch verblieben ist, hilft ihm dabei. Allerdings bei seiner ersten Anlaufstelle - der Polizei - stößt er auf taube Ohren. Niemand dort glaubt ihm, dass es sich bei der Frau auf dem Foto tatsächlich um Ewa handeln könnte. Damien engagiert eine Firma, die private Ermittlungen anstellt.

Spannend zu lesen ist dieser Thriller. Allerdings beinhaltet er etliche sehr rohe Schilderungen, die nicht unbedingt etwas für schwache Gemüter sind. Auch tut man sich mit Damian Werner etwas schwer, der allem Anschein nach nichts unternommen hat, um die Folgen der Katastrophe zu überwinden. Verständlich ist, dass er die Suche nach Ewa aufnimmt als sich die vage Hoffnung ergibt, sie könne wieder da und noch am Leben sein. Ausgeklügelt ist dann wie Werner kleinsten Hinweisen nachgeht und im Zusammenwirken mit der Ermittlungsfirma wünscht, Ewa immer näher zu kommen. Mit großer Kunst versteht es der Autor, Damians Weg zu leiten. Nur manchmal bleibt der Leser wegen der vorher erwähnten Anmerkungen und auch einiger Szenen, die man sich anders gewünscht hätte, etwas auf der Strecke. Zum Glück ist nicht zu verhehlen, dass dieser Roman einen auf die Fährte eines Rätsels lockt, dessen Auflösung sehr fesselt.


Veröffentlicht am 25.05.2019

Immer nur Laufen

Die Frau, die allen davonrannte
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Die 104jährige Aggie Smart lebt schon lange in einem Seniorenheim. Fast alle, die sie kannte sind tot und sie bekommt eigentlich nie Besuch. Versunken ist sie in ihre eigene Welt. Doch die Überraschung ...

Die 104jährige Aggie Smart lebt schon lange in einem Seniorenheim. Fast alle, die sie kannte sind tot und sie bekommt eigentlich nie Besuch. Versunken ist sie in ihre eigene Welt. Doch die Überraschung über die Ankunft zweier junger Leute, die sie zu einem Ausflug mitnehmen wollen, dringt zu ihr durch. Ein Film soll über sie gedreht werden und dazu soll sie einige Schauplätze ihres langen Lebens wiedersehen. Obwohl Aggie sich kaum noch äußern kann, ist sie angetan von der Abwechslung und der Erinnerungen, die durch die Fragen der Filmleute ausgelöst werden.

Die erfundene Aganetha Smart war einmal eine die erste kanadische Läuferin, die im 800m Lauf eine Olympische Goldmedaille holte. Sie steht für etliche Pinonierinnen, denen Laufwettbewerbe zunächst nicht erlaubt waren, die sich aber doch durchkämpften. Aggie wollte immer nur Laufen. Schon als Kind war sie die Flinkste von allen. So ein richtiger Wettkampftyp wurde sie nicht, die Freundschaft war ihr wichtiger. Sie stammte aus einer großen Familie, deren Mitglieder entweder sehr früh starben oder recht betagt wurden. Das brachte viel Leid über die Überlebenden, zu denen auch Aggie gehört, die nun als einzige übrig blieb.

Während des Ausflugs erinnert sich Aggie immer wieder an ihre Familie, ihre Kindheit, ihre sportliche Karriere, an die Lebenden und die Toten und ihr Geheimnis. Gerade zu Beginn ist es nicht ganz einfach, den Gedankensprüngen ihres alten Gehirns zu folgen. Vorwärts und Rückwärts muss man sich die Geschichte zusammensetzen, die eine nicht geringe Tragik entfaltet. Laufen ist alles für Aggie, auch Verzicht. So richtig öffnen kann sie sich nicht und so findet sie nur wenige Freunde und eine Familie bleibt ihr versagt. Obwohl man Aggie als eher schwierige nicht unbedingt Persönlichkeit empfindet, die irgendwie immer gedämpft wirkt, der die uneingeschränkte Freude fehlt, entwickelt man doch viel Sympathie für ihre Fortschrittlichkeit und die Kraft, die sie im wahrsten Sinne des Wortes am Laufen hält.