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Veröffentlicht am 08.10.2019

Trauerüberwindung im Flug

H wie Habicht
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Für einen großen Vogelbewunderer wie mich kam „H wie Habicht“ gerade recht. Doch Helens Geschichte ist nicht einfach erzählt.

Nachdem ihr Vater unerwartet an einem Herzinfarkt stirbt, fühlt sie sich ...

Für einen großen Vogelbewunderer wie mich kam „H wie Habicht“ gerade recht. Doch Helens Geschichte ist nicht einfach erzählt.

Nachdem ihr Vater unerwartet an einem Herzinfarkt stirbt, fühlt sie sich verlassen, einsam und von der Welt nicht mehr verstanden.

Ihre Zweifel sind so groß, dass sie sich im Gegenzug dazu beschließt, mit einem neuen Jagdvogel zu beglücken.

Schon als Kind war sie der Falknerei und den Greifvögeln erlegen und hat, unterstützt von ihrem Vater, dieses Hobby mit aller Leidenschaft verfolgt.

Bücher über Bücher häufen sich in Helens Wohnung. Von den Grundzügen der Falknerei bis hin zu historischen Werken über die Greifvögelabrichtung ist alles was an Literatur existiert, vorhanden.

Um gehen ihren großen Verlust anzukämpfen, beschließt sie, sich ausgerechnet einen Habicht zuzulegen. Entgegen aller Empfehlungen tritt Mabel in ihr Leben. Dieser Vogel jedoch zwingt ihr einen Willen auf, der sich nur schwer beherrschen lässt.

Die Welt um Helen herum verschwindet merklich. Es gibt nur noch den Vogel, den es abzurichten gilt und das mit aller Kunst und allen Feinheiten.

Begleitet wird Helen von T. H. White, der ebenfalls dem Willen eines Habichts erlag. Seine Geschichte, die bis auf den Schmerz keinerlei Übereinstimmungen mit Helen aufweist, geht tief ins Mark.

T. H. White, von Geburt an schon mit Neid, Missgunst und Überforderung belegt, versucht sich hoffnungsvoll überfordert an seinem Terzel.

Whites Schmerz und Verrohung überträgt sich immer mehr auf Helen, die in sich verfällt.

Mit der Arthursage begibt sich White in ferne und fremde magische Welten. Sein Erfolg als Schriftsteller und Falkner ist mäßig, was Helen nur noch mehr anstachelt, den perfekt abgerichteten Habicht zu erzielen.

Mit Helen Macdonald begeben wir uns tief hinein in die Geschichte der Falknerei. Das scheinbare Sachbuch verschwindet leicht in der Geschichte Helens. Helens Trauer hingegen schwindet leicht in der Detailtreue über Atzung und derlei Fachbegriffen.

Man hofft auf jedem Flug Mabels, dass er zurückkommt. Die Faust von Helen muss stets der unumkehrbare Hafen für ihren Habicht sein. Noch mehr Trauer würde man kaum ertragen.

Veröffentlicht am 23.07.2019

Was für ein Theater!

»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«
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Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten

Fredenbek ist der klassische Beamte.
Träge, kennt sich aus mit den Regeln und stets bemüht, sein Tagessoll zu erfüllen.

Doch Fredenbek bringt es tatsächlich ...

Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten

Fredenbek ist der klassische Beamte.
Träge, kennt sich aus mit den Regeln und stets bemüht, sein Tagessoll zu erfüllen.

Doch Fredenbek bringt es tatsächlich fertig, über allen Radiergummisorten, die im deutschen Büroartikelhandel zur Verfügung stehen, zu referieren.

Und was wäre er schon für ein Beamter, wenn er nicht die Vorzüge dieser fleißigen Bürohelferlein kennen würde?

Aber Fredenbek wäre nur ein Durchschnittsbeamter, wenn er nicht ab und an mal so richtig sein Können an den Mann bringen würde.

Im Urlaub, selbstverständlich immer in Italien im gleichen Hotel und am gleichen Strand. Natürlich mit einer waschechten Beamtenehegattin, die sich nach der nächsthöheren Rangfolge umguckt.

Dort angekommen führt Fredenbek auf der Bahnhofstoilette dann sein finales Stück auf.

Die Leser, die selbst schon im öffentlichen Dienst gearbeitet haben oder gar noch arbeiten werden feststellen, das uns hier nicht so ganz unbekannte Szenerien vorgespielt werden.


Einladung zum Klassentreffen

Marina, frisch geschieden und scheinbar glücklich darüber erhält einen Anruf im Zug. Ihre Fahrt verläuft jetzt alles andere als trist, hat sie doch einen alten Klassenkameraden am Telefon.

Ihre alte Liebschaft Carsten steht bei ihr zuhause vor der Tür und hofft auf ein Wiedersehen und will eigentlich zum anstehenden Klassentreffen einladen.

Marina verstrickt sich in ihrem Beziehungsdrama mit ihrem Ex-Ehemann, der sich zufälligerweise auch noch der neue Nachbar von Carsten herausstellt.

Carsten hingegen flirtet was das Zeug hält und hofft inständig auf ein Wiedersehen mit Marina. Er versucht, Marina aus ihrer alten Beziehung zu befreien, tritt dabei aber in ein Fettnäpfchen nach dem anderen.

Ein Handydrama im Zug mit vielen mehr oder weniger ungeplanten Zuhörern.

Martin Schörle hat mit seinen beiden Theaterstücken kleine kurze Kuriositäten unserer Zeit geschaffen. Wir alle sitzen im gleichen Hamsterrad und es fällt uns schwer, aus gewohnten Pfaden auszubrechen.

Veröffentlicht am 01.07.2019

Selbstreflexion in Gedichtform

Ich war schon vor dir da an diesem Apfelbaum
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Wie wäre es mal mit einem Gedichtband? Als die Autorin J. Knecht auf mich zukam, war ich erst einmal etwas zurückhaltend. Gedichte erinnern mich an langweilige Deutschstunden, sinnloses Auswendiglernen ...

Wie wäre es mal mit einem Gedichtband? Als die Autorin J. Knecht auf mich zukam, war ich erst einmal etwas zurückhaltend. Gedichte erinnern mich an langweilige Deutschstunden, sinnloses Auswendiglernen und herunterzitieren.

Dennoch unterstütze ich gerne neue und unbekannte Autoren und lies mich sodann auf diesen Gedichtband „Ich war schon vor dir da an diesem Apfelbaum“ ein.

Ich war überrascht, wie oft ich mich selbst in den 43 kurzen wie langen Gedichten wiedergefunden habe.

Quer durch alle Themen folgt man der Autorin durch den Krieg in Syrien, hinein in den Alltag und auf der Suche nach sich selbst.

Schonungslos offen treffen die Worte in Gedichtform auf den Leser.

Wunderbar passend fand ich das Gedicht „In meinem Auto“. Bis auf den Sauberkeitsfimmel einfach wie für mich gedichtet.

Veröffentlicht am 30.06.2019

Über Umwege….

Von Dortmund bis Bremen
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Über Umwege….

Sabrina, die junge Vollblutitalienerin verdreht Timo gehörig den Kopf.

Liebe auf den ersten Blick? Gibt es sie, gibt es sie nicht? Nach dem ersten Kennenlernen Sabrinas stellt sich diese ...

Über Umwege….

Sabrina, die junge Vollblutitalienerin verdreht Timo gehörig den Kopf.

Liebe auf den ersten Blick? Gibt es sie, gibt es sie nicht? Nach dem ersten Kennenlernen Sabrinas stellt sich diese Frage für Timo.

Timo will mit seiner Fitnessapp vorankommen und sieht in Thomas den noch fehlenden Part an der Entwicklung. Dieser lädt ihn zu einem Wochenende in Bremen ein. Dort trifft Timo dann auf Sabrina und ist es um ihn geschehen?

Eins führt zum anderen und für beide stellt sich die Frage nach diesem etwas anders geplanten Wochenende. War es das? Will ich ein Wiedersehen?

Für Timo geht es allerdings erst mal mit dem Motorrad auf einen langen Trip in den Norden. Doch Sabrina hat ihm so gehörig den Kopf verdreht, dass er die Tour ungeplant und mit vollem Kopf antritt, was er sogleich bereut.

Er hofft täglich auf eine Rückmeldung von Sabrina und besinnt sich dann aber wieder, sich mit seiner Reise zu beschäftigen. Erst als sich Sabrina langerseht zurückmeldet entscheidet Timo sich für den nächsten Schritt.

Timo Erdbrügger schafft es, die Liebe auf den ersten Blick auf den Punkt zu bringen. Seine Liebe zu Sabrina fasst er in Gedichte und erzählt detailgenau aus seinem Leben. Die Vergangenheit scheint für ihn und Sabrina stillzustehen.

Es zählt der reine einzigartige Moment. Sehr offen erzählt Timo Erdbrügger in seinen Gedichten von seiner Liebe zu seiner Sabrina.

Doch was wird die Zukunft bringen? Ein großes Abenteuer liegt vor den beiden! Ich bin mir sicher, dass beide diese ohne große Umwege bewältigen werden.

Veröffentlicht am 02.06.2019

Die Flucht ins Leben

Alles, was passiert ist
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Marcia Daley-Ward reist hochschwanger als Jugendliche endlich nach England. Ihr von ihren Eltern so gottgelobtes Land preist sich jedoch für Marica nicht gerade als neue Heimat an. Im harten Glauben der ...

Marcia Daley-Ward reist hochschwanger als Jugendliche endlich nach England. Ihr von ihren Eltern so gottgelobtes Land preist sich jedoch für Marica nicht gerade als neue Heimat an. Im harten Glauben der Adventisten kann Marcia, schwanger und alleinstehend, nicht gerade mit Frömmigkeit punkten.

Die Flucht nach vorn, weg von ihren Eltern bietet ihr immerhin einen Job als Krankenschwester. Dauermüde von endlosen Nachtschichten und herrischen Männern steht die nächste Schwangerschaft an. Yrsa betritt das Licht der Welt unter keinem guten Stern. Ausgesetzt bei den Großeltern scheint kein Entkommen aus dieser trostlosen Ecke Nordenglands.

Yrsa ist einfach zu schön um wahr zu sein. Verlockend lange Beine und ein hübsches Gesicht stehen in Konkurrenz zur Mutter, die innerlich darum fleht, dass ihre kleine Yrsa endlich zu verstehen mag.

Für manche Menschen ist die Schönheit ein Traum, für Yrsa ein Fluch. Sie gerät natürlich auf Abwege, beherrscht Männer mit Sex und anderen Verlockungen.

Geplagt von der Vergangenheit und gepeinigt von der kommenden Zukunft besteht Yrsa ihre härteste Probe. Ihr jüngerer Bruder, hochbegabt und unbeirrbar, braucht ihre Hilfe. Machtlos sieht sich Yrsa die Abstürze ihres „Little Roo“ gnadenlos mit an und kann erst nach dem Krebstod der Mutter endlich eine Wendung in ihrem Leben erkennen.

Yrsa Daley-Ward macht es einem als Leser nicht leicht. Man steckt fest zwischen Lyrik, fieser Wahrheit und dem Traum nach einem Einhorn fest. Was bringt ein solches Leben, wieso erscheint kein edler Retter?

Auswirkungen der Flucht ziehen nicht enden wollende Fäden durch das Leben dieser jungen gnadenlosen Frau, die stets versucht, endlich und endgültig ihr eigenes Leben zu finden.

Der herrschenden männlichen Dominanz ergibt sich Yrsa so oft, dass man inständig als Leserin hofft, dass irgendwann das Erwachen mit einem lauten Paukenschlag kommt. Wer in diesem Buch das Glück sucht, ist verloren. Man gerät in eine Welt von der man hofft, dass diese, wie auch das Einhorn nur ein unglaublich fieser Traum war.