Historischer "Closed Room" Roman
Minette Walters, die englische Bestsellerautorin psychologischer Spannungsromane, wechselt mit „Die letzte Stunde“ das Genre und wendet sich der Historie zu.
Dorset, Südengland, wir schreiben das Jahr ...
Minette Walters, die englische Bestsellerautorin psychologischer Spannungsromane, wechselt mit „Die letzte Stunde“ das Genre und wendet sich der Historie zu.
Dorset, Südengland, wir schreiben das Jahr 1348. Schiffe haben die Pest ins Land gebracht, die Todesfälle häufen sich. Lady Anne, Herrin von Develish, zählt zu den klugen Köpfen ihres Standes. Sie hat bei Nonnen eine umfassende Erziehung genossen hat, und sie reagiert schnell. Um die Menschen zu schützen, die unter ihrer Fürsorge stehen, entscheidet sie sich für die komplette Isolation ihrer Wasserburg. Niemand darf diese verlassen, aber auch der Zutritt wird jedem verwehrt. Tragischerweise betrifft diese Anordnung auch ihren Mann, der mit seinem Gefolge auf dem Rückweg von einem benachbarten Anwesen ist und nun außen vor bleiben muss. Alle sterben an den Folgen der Krankheit.
Die Vorräte reichen nicht ewig, die Reserven schwinden. Das Leben auf der Burg verändert sich, und nicht jeder kommt damit zurecht. Standesunterschiede verschwinden im Angesicht des Kampfes ums Überleben. Es ist nicht mehr die gesellschaftliche Position, die den Rang bestimmt, es ist die Art und Weise, wie man mit den neuen Verhältnissen zurechtkommt. Hier wird Thaddeus für Anne schnell unentbehrlich, ein ehemaliger Dienstbote, den sie aufgrund seiner Fähigkeiten zum Verwalter einsetzt. Hunger, Streitereien und Entbehrungen nagen an dem inneren Frieden, aber es kommt noch heftiger, als ein rätselhafter Mord geschieht.
Im Gegensatz zu ihren straff erzählten Kriminalromanen nutzt Walters in diesem historischen „closed room“ Roman die breite Leinwand, verliert sich aber selten in Nebensächlichkeiten. Ihre Sympathien gehören den Niederen, den Rechtlosen, die ihr Leben in den Dienst der Gemeinschaft stellen und mehr moralische Integrität als Klerus und Adel besitzen In ihren Beschreibungen des Feudalsystems, der Landschaft, Personen, Lebensumstände etc. ist die Autorin so akribisch, wie wir es von ihr gewohnt sind, was mit Sicherheit intensiver Recherchearbeit geschuldet ist. Bleibt zu hoffen, dass sie dieses hohe Niveau auch in „In der Mitte der Nacht“, dem zweiten Band der Pest-Saga, halten kann. Ich gehe davon aus.
Allen Fans von Rebecca Gablé und Ken Follet nachdrücklich empfohlen!