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Veröffentlicht am 08.02.2017

Tod einer Journalistin

Rain Dogs
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In Adrian McKintys neuem Roman “Rain Dogs“ steht wieder der sympathische Inspector Sean Duffy vom Revier in Carrickfergus im Mittelpunkt. Sein neuester Fall ist der rätselhafte Tod der Journalistin Lily ...

In Adrian McKintys neuem Roman “Rain Dogs“ steht wieder der sympathische Inspector Sean Duffy vom Revier in Carrickfergus im Mittelpunkt. Sein neuester Fall ist der rätselhafte Tod der Journalistin Lily Bigelow, die eine finnische Delegation von potentiellen Investoren begleitet und darüber für ihre Zeitung berichtet. Die wirtschaftlich gebeutelte Region kann die Ansiedlung neuer Firmen dringend gebrauchen. Die Gruppe besichtigt nicht nur stillgelegte Fabriken, sondern auch die Burg Carrickfergus. Im Hof der Burg wird am nächsten Morgen die Leiche der Journalistin gefunden. Niemand konnte das Gelände außerhalb der Öffnungszeiten betreten oder verlassen. Deshalb scheint Selbstmord die einzig mögliche Todesursache zu sein. Duffy kann nicht glauben, dass sich die attraktive lebenslustige Journalistin von der Burgmauer gestürzt haben soll. Bald gibt es jedoch Indizien für einen Mord, aber wie war das möglich?
Duffy ermittelt wie immer gründlich und stur in alle Richtungen, unterstützt von seinen Mitarbeitern, vor allem dem sehr fähigen Neuzugang Lawson. Er findet Hinweise, dass Bigelow an einer sehr brisanten Geschichte arbeitete und jemand großes Interesse daran hatte, dass diese nicht bekannt wurde, weil eine Reihe von hochgestellten Persönlichkeiten und Regierungskreise darin verwickelt waren. Es gelingt Duffy trotz aller Behinderungen seiner Arbeit den Mörder zu ermitteln, der sich allerdings einem Prozess und einer Verurteilung durch Flucht entzieht.
McKinty ist in mehrfacher Hinsicht ein außergewöhnlicher Thriller von hoher Qualität gelungen. Der Autor verbindet historische Fakten der 80er Jahre mit einem fiktiven Kriminalfall. Es gab damals einen unglaublichen Skandal, in den Prominente verwickelt waren und der jahrzehntelang vertuscht wurde. Die Behörden und andere Institutionen schauten weg, keiner glaubte den Opfern, oder die Ermittlungen verliefen immer wieder im Sand. Die in diesem Zusammenhang genannten Personen sind genauso real wie die Troubles, die zum Zeitpunkt der Ereignisse des Romans, also 1987 noch andauerten und noch 11 weitere Jahre anhalten sollten – bis zum Good Friday Agreement des Jahres 1998. Der Roman besticht jedoch nicht nur durch Authentizität, sondern wie immer auch durch sorgfältige Charakterisierung der Figuren und trotz der finsteren Ereignisse durch Humor und Sprachwitz. Ein sehr empfehlenswerter Thriller.

Veröffentlicht am 29.10.2016

So backt man gutes Brot

Brot backen in Perfektion mit Hefe
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Das Brotbackbuch "Plötz-Prinzip! Brot backen in Perfektion" Vollendete Ergebnisse statt Experimente von Lutz Geißler ist recht handlich und auf sehr gutem Papier gedruckt. Zwei verschiedenfarbige Lesebändchen ...

Das Brotbackbuch "Plötz-Prinzip! Brot backen in Perfektion" Vollendete Ergebnisse statt Experimente von Lutz Geißler ist recht handlich und auf sehr gutem Papier gedruckt. Zwei verschiedenfarbige Lesebändchen erleichtern das Blättern zwischen den Grundschritten und dem Rezept. Das Buch ist 192 Seiten stark. Am Ende steht eine Umrechnungstabelle, die es ermöglicht, Teige bis zu 5 kg herzustellen, danach folgt das Register. Zum Schluss verweist der Autor auf verschiedene hilfreiche Internetseiten, z. B. seinen Blog, seine anderen Brotbackbücher und auf eine Zubehörseite. Vom ersten Eindruck her ist das Buch schon einmal ein Hingucker, vor allem wegen der hervorragenden Fotos. Nach einem kurzen Vorwort erhält der Hobbybäcker interessante Informationen u.a. zu den wichtigsten Utensilien, die benötigt werden, einen Exkurs: Backen im Topf und einen Exkurs: Mehle. Die Standardanleitungen für den Brotteig auf S. 22 und für den Brötchenteig auf S. 118 sind einfach und Schritt-für-Schritt erklärt. Wenn man sich genau daran hält, gelingt selbst einem Anfänger alles. Das Ergebnis ist unglaublich schmackhaft und überzeugend. Insgesamt umfasst das Brotbackbuch 70 Rezepte für Baguettes, Brötchen, Hörnchen, Körner- und Mischbrote u.v.a.m.

Mein erstes Brot war das Mischbrot mit Roggen auf S. 64. Das ist mir sehr gut gelungen und schmeckte hervorragend. Für mein zweites Brot habe ich mir im Vorfeld die Videoanleitungen des Autors auf seinem Blog angesehen. Danach ging mir alles wesentlich leichter von der Hand. Der Teig klebt nicht mehr so sehr, weil ich ihn jetzt richtig dehne und falte, außerdem bekommt das Brot eine wesentlich bessere Form. Weil ich schon seit längerer Zeit mein Brot selber backen möchte und endlich das richtige Buch dazu in der Hand habe, habe ich mir einen Brotbackstein aus Schamotte gekauft und backe nicht in Töpfen. Backen mit dem Brotbackstein ist einfach und sehr empfehlenswert. Hierüber hat der Autor in seinem Buch nichts geschrieben, was ich nicht als Manko empfinde. Wer nur ab und zu ein Brot backen möchte, braucht keinen Backstein, für den sind die Anleitungen für das Backen im Topf nützlicher. Es gibt verschiedene Brotbackbücher, aber keins ist so wie dieses.

Der Autor, ursprünglich Geologe, veröffentlicht seit 2009 seine Rezepte, gibt Brotbackkurse in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die regelmäßig ausgebucht sind. Sein Blog (ploetzblog.de) wird monatlich von etwa 70.000 Lesern besucht. Hier mal reinzuschauen kann ich auch sehr empfehlen. Dort kann man stundenlang stöbern und sich Anleitungen und auch weitere Rezepte herunterladen, aktuell sind 756 Rezepte gelistet. 2013 ist "Das Brotbackbuch Nr. 1" erschienen, verkaufte sich über 55.000 Mal und wurde von der Gastronomischen Akademie Deutschlands 2014 mit der Goldmedaille ausgezeichnet, im April 2015 erschien "Das Brotbackbuch Nr. 2". Das alles zeigt, wie erfolgreich der Autor ist und wie gut seine Rezepte ankommen. Ich bin jedenfalls begeistert und werde seine künftigen Veröffentlichungen im Auge behalten und vielleicht mal einen seiner Backkurse besuchen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Rausch der Geschwindigkeit

Die Frau, die allen davonrannte
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In Carrie Snyders Romandebüt “Die Frau, die allen davon rannte“ geht es um Aganetha Smart, die 1928 als 20jährige in Amsterdam die Goldmedaille über 800m gewann. Der Medaillengewinn und der damit verbundene ...

In Carrie Snyders Romandebüt “Die Frau, die allen davon rannte“ geht es um Aganetha Smart, die 1928 als 20jährige in Amsterdam die Goldmedaille über 800m gewann. Der Medaillengewinn und der damit verbundene Ruhm war der Höhepunkt eines langen Lebens, denn Aganetha ist inzwischen 104 Jahre alt und lebt in einem Pflegeheim. Sie hat ihren großen Augenblick um mehr als 80 Jahre überlebt. Niemand erinnert sich mehr daran, wer sie einmal war – bis auf Max und Keyla, die sie eines Tages besuchen, um angeblich eine Spazierfahrt mit ihr zu machen. Aganetha kennt sie nicht, ist aber dankbar für die Abwechslung in ihrem eintönigen Alltag. Die jungen Leute haben sie ganz bewusst aufgespürt, um sie zu befragen und einen Film zu drehen. Wie sich gegen Ende des Romans zeigt, verfolgen sie dabei ihre eigenen Ziele.
Aus Aganethas Sicht erzählt der Roman auf zwei Zeitebenen die Geschichte ihres Lebens, von ihrer Kindheit und Jugend auf der Farm, dem Leben in der Großfamilie mit den Kindern aus der ersten und zweiten Ehe des Vaters bis zum Endpunkt der Entwicklung, der Rückkehr der alten Dame auf die Farm ihrer Familie. Aganetha wird dadurch mit Geschehnissen in der Vergangenheit konfrontiert, die sie ein Leben lang verdrängt hat. Ihr Geheimnis erfährt am Ende nur der Leser.
Der Roman behandelt eine Vielzahl von Themen, vor allem natürlich die Besessenheit der Protagonistin vom Laufen. Sie kann nie damit aufhören. Ihr Denken kreist auch im hohen Alter noch immer ständig darum, obwohl es physisch nicht mehr möglich ist. Daneben spielen Themen wie Freundschaft und Liebe, die damalige Schwierigkeit für Frauen, sich als Sportlerin zu behaupten und generell die weitgehende Unmöglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen eine Rolle, aber auch die Folgen der Weltwirtschaftskrise und der 1. Weltkrieg. Die Autorin hat gründlich recherchiert und vermittelt vor allem die sportliche Seite – sie ist selbst Läuferin – sehr authentisch.
Mich hat das in den historischen Kontext eingebettete Porträt einer außergewöhnlichen Frau beeindruckt und berührt. Ich empfehle den Roman ohne Einschränkung.

Veröffentlicht am 29.09.2024

Warum starb Claire Gravesend?

Bis in alle Endlichkeit
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In James Kestrels im Original unter dem Namen des Autors Jonathan Moore unter dem Titel „Blood Relations“ bereits 2019 erschienenen Roman “Bis in alle Ewigkeit“ findet Privatdetektiv Lee Crowe in einem ...

In James Kestrels im Original unter dem Namen des Autors Jonathan Moore unter dem Titel „Blood Relations“ bereits 2019 erschienenen Roman “Bis in alle Ewigkeit“ findet Privatdetektiv Lee Crowe in einem gefährlichen Viertel San Franciscos die Leiche einer attraktiven, elegant gekleideten jungen Frau auf dem Dach eines erheblich beschädigten Rolls Royce. Die Polizei und der Gerichtsmediziner sind überzeugt, dass sie sich selbst umgebracht hat. Ihre Mutter, die sehr reiche Olivia Gravesend, glaubt das nicht und schaltet den Anwalt Jim Gardner ein, der Lee Crowe mit den Ermittlungen beauftragt. Als Crowe nach Boston fliegt, um in Claire Gravesends Haus nach Hinweisen zu suchen, wird er von einem Unbekannten mit einem Messer angegriffen. Er wehrt sich und tötet den Angreifer. Zurück in San Francisco will er eine Wohnung von Claire untersuchen und trifft auf eine junge Frau namens Madeleine Adair, die Claire so verblüffend ähnlichsieht, dass er sie für Claire hält. Von ihr erfährt er nicht nur, dass sie und Claire eineiige Zwillinge waren, sondern auch, dass Claire Nachforschungen über ihre unbekannte Herkunft angestellt hat, denn beide waren als Kinder vor Kirchen ausgesetzt und adoptiert worden.
Im Laufe seiner Ermittlungen fühlt sich Crowe immer wieder beobachtet und bedroht. Irgendjemand will nicht nur verhindern, dass Claires Tod aufgeklärt wird, sondern auch, dass im Zusammenhang damit Dinge ans Licht kommen, die mit der Herkunft der Frauen zu tun haben. Keiner soll erfahren, warum beide kreisförmige Narben entlang der Wirbelsäule haben. Lee findet auch heraus, dass sich sein Chef Jim Gardner gegen üppige Bezahlung mit sehr dubiosen Leuten eingelassen hat und in kriminelle Machenschaften verwickelt ist. Trotz vorübergehender Spannungen zwischen Lee und Jim vermittelt ihm dieser am Ende einen neuen Auftrag, der vermutlich Thema einer Fortsetzung sein wird.
Ich habe den sehr spannenden Roman sehr gern gelesen und bin auf weitere Romane des Autors sehr gespannt. Ich spreche eine klare Empfehlung aus.

Veröffentlicht am 29.09.2024

Wer bin ich, und wer will ich sein?

Juli, August, September
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Ich-Erzählerin Lou, eigentlich Ludmilla, ist Kunsthistorikerin und lebt mit ihrem Mann Sergej, einem erfolgreichen Pianisten, in Berlin. Ursprünglich stammt die Familie aus der ehemaligen Sowjetunion. ...

Ich-Erzählerin Lou, eigentlich Ludmilla, ist Kunsthistorikerin und lebt mit ihrem Mann Sergej, einem erfolgreichen Pianisten, in Berlin. Ursprünglich stammt die Familie aus der ehemaligen Sowjetunion. In den 90er Jahren wanderte der größte Teil der Familie nach Israel aus, Lous Mutter mit ihrer Tochter jedoch als einzige nach Berlin. Lous Ehe ist nicht glücklich. Ihr Mann gibt ständig irgendwo Konzerte und verbringt wenig Zeit mit seiner Frau und der kleinen Tochter Rosa. Lou schreibt seit langer Zeit an einem Buch, mit dem sie nicht vorankommt. Auch ihr Mann durchlebt eine Krise. Dann bittet Lous Mutter sie eines Tages, die Einladung zu einer großen Familienfeier in einem All-Inclusive-Hotel auf Gran Canaria mit ihr zusammen anzunehmen, wo der 90. Geburtstag von Lous Großtante Maya, der jüngeren Schwester ihrer verstobenen Großmutter Rosa gefeiert werden soll. Nach einigem Zögern stimmt Lou zu. Man kennt sich kaum oder gar nicht, und es gibt bei diesem Treffen viele Spannungen und Missverständnisse. Lou hört sich Mayas Version der Vergangenheit an und staunt über die vielen Lügen von Maya und den anderen. Es scheint eine Menge zu geben, was sie nicht weiß, vor allem nicht die Ursache für das schlechte Verhältnis der Schwestern Rosa und Maya. Lou beschließt, nach Israel zu reisen, um endlich Antworten auf all ihre Fragen zu bekommen.
Die drei Monate des Titels spiegeln nicht nur die zeitliche, sondern auch die räumliche Abfolge: Berlin, Gran Canaria, Israel. Der Leser verfolgt, wie Lou sich mit ihren jüdischen Wurzeln auseinandersetzt, sich fragt, was genau ihre Identität ausmacht und welche Rolle jüdisches Leben und Religion bei der Erziehung ihrer Tochter spielen sollten. Das ist interessant und packend dargestellt und hat mir gut gefallen – allerdings nicht ganz so gut wie vor Jahren “Der Russe ist einer, der Birken liebt.“