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Veröffentlicht am 25.08.2019

Das Schicksal der Bewohner eines Dorfes in der DDR

Kastanienjahre
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Wie schon Anja Baumheiers erstes Buch „Kranichland“ handelt auch ihr vorliegendes zweites von Schicksalen von Bürgern der DDR. Sie weiß, wovon sie schreibt, hat sie doch die ersten zehn Lebensjahre selbst ...


Wie schon Anja Baumheiers erstes Buch „Kranichland“ handelt auch ihr vorliegendes zweites von Schicksalen von Bürgern der DDR. Sie weiß, wovon sie schreibt, hat sie doch die ersten zehn Lebensjahre selbst noch in der DDR verbracht.
Aufbereitet wird ein Stück deutscher Geschichte, das gerade für mich, die ich aus Westdeutschland stamme und keinen persönlichen Bezug zur früheren DDR und ihren Bewohnern habe, interessant ist. Im Mittelpunkt stehen einige Personen aus einem kleinen Dorf an der mecklenburgischen Ostsee in dem Zeitraum ab Gründung der DDR über den Mauerbau bis zur Nachwendezeit. Sehr hilfreich ist insoweit das vorangestellte Personenverzeichnis, auf das ich zunächst noch einige Male zurückgreifen musste. In der Gegenwart im Jahr 2018 kehrt eine von ihnen – Elise, die Hauptprotagonistin, mittlerweile in Paris lebend – zurück, um zu erfahren, was es mit dem Tod ihres Vaters und dem plötzlichen Verschwinden ihres Freundes auf sich hatte.
Sehr schön ist die Darstellung des beispielhaften Zusammenhaltes im Dorf. Gelungen ist auch die detaillierte und wirklich wissenswerte Beschreibung der verschiedenen zeitlichen Stationen in der Gesellschaft der DDR mit ihren jeweils so spezifischen Problemen – wie etwa die Überführung der landwirtschaftlichen Betriebe in LPGs, der Mangel an Konsumgütern und Gegenständen des täglichen Bedarfs, die Bespitzelung und Denunziation durch die Stasi, Ausreiseschwierigkeiten, Flucht und Fluchthilfe, die in der Form gar nicht gewollte Wiedervereinigung, der Konsumrausch und die Übervorteilung nach der Wende.
Gestört hat mich lediglich die gelegentliche unrealistische zeitliche Darstellung. So wird Elise bereits im Alter von fünf Jahren als begabte Näherin eingeführt oder wird ihr ihre Boutique in Paris Ende Dezember schon zu Anfang Januar gekündigt.
Ein empfehlenswertes Buch für Leser von Familiengeschichten mit Interesse an der jüngeren deutschen Geschichte.

Veröffentlicht am 14.08.2019

Über den Zweiten Weltkrieg in Polen

Hannah und ihre Brüder
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Dieser fiktive Roman schockiert von Beginn an. In Chicago im Jahr 2004 beschuldigt der Holocaust-Überlebende Ben Solomon den angesehenen Geschäftsmann Elliot Rosenzweig, in Wahrheit der ehemalige SS-Offizier ...

Dieser fiktive Roman schockiert von Beginn an. In Chicago im Jahr 2004 beschuldigt der Holocaust-Überlebende Ben Solomon den angesehenen Geschäftsmann Elliot Rosenzweig, in Wahrheit der ehemalige SS-Offizier Otto Piontek zu sein, der als „Schlächter von Zamosc“ galt und unter dem er selbst und seine Familie leiden, mussten, ja sogar verraten wurden. Rosenzweig streitet ab und tut den Vorwurf als Verwechslung eines alten kranken Mannes ab. Um seinen guten Ruf nicht zu verlieren, lässt er sogar nach Otto Piontek suchen. Ben jedoch ist sich sicher und engagiert die Rechtsanwältin Catherine Lockhart, um Otto wegen seiner Vergangenheit vor Gericht zu bringen. Diese ist zunächst widerwillig, ändert aber ihre Ansicht, je mehr sie von Ben über die Vergangenheit hört.
Wer historische, im Dritten Reich angesiedelte Romane mag, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen. Gut recherchiert und sehr realistisch stellt der Autor die Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Polen dar, und zwar anhand der fiktiven Familie Solomon und ihres Ziehsohnes Otto. Ergebnis ist eine sehr berührende Lebensgeschichte eines den Holocaust Überlebenden, der alle Schrecken der damaligen Zeit durchlebt hat und die dafür Verantwortlichen bestraft wissen will. Das Buch ist ein guter Beitrag, um die Erinnerung an das furchtbarste Kapitel deutscher Geschichte wachzuhalten. Interessant ist auch der juristische Nebenschauplatz, dem anzumerken ist, dass der Autor von Haus aus Rechtsanwalt ist. Erst gegen Ende wird natürlich die Frage beantwortet, ob Ben mit seiner Anschuldigung richtig liegt.

Veröffentlicht am 11.08.2019

Fortsetzung der Familiensaga rund um eine jüdische Familie

Zeit aus Glas
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Dies ist nach „Jahre aus Seide“ der zweite Band der Trilogie rund um die Geschichte der jüdischen Familie Meyer aus Krefeld, die zum Teil auf fiktiven, zum Teil auf wahren Begebenheiten beruht. Während ...

Dies ist nach „Jahre aus Seide“ der zweite Band der Trilogie rund um die Geschichte der jüdischen Familie Meyer aus Krefeld, die zum Teil auf fiktiven, zum Teil auf wahren Begebenheiten beruht. Während im ersten Band auf die Jahre 1926 bis zur Reichspogromnacht im November 1938 eingegangen wird, geht es jetzt um einige wenige Monate ab der Pogromnacht bis zum Juni 1939. Auch wer den ersten Band nicht kennt, findet sich gut zurecht, da wichtige vergangene Ereignisse erneut angesprochen werden. Den Meyers haben „die Braunen“ in der Pogromnacht arg zugesetzt, später wird auch noch der Vater wegen Schmuggels inhaftiert und muss seine Deportation nach Dachau befürchten. Eine Auswanderung erweist sich als fast unmöglich. Nur Ruth hat die Möglichkeit, als Hausmädchen eine Stellung in England anzutreten. Doch soll sie ohne ihre Familie in die Fremde? Und wird sie von dort ihre Angehörigen nachholen können?
Der Roman ist erneut sehr lehrreich, bringt er uns doch das düsterste Kapitel der deutschen Geschichte, den Nationalsozialismus, nahe. Die Geschichte lässt einen sehr betroffen zurück, eben weil es in ihr um eine real existierende Familie geht. Sprachlich lässt sich ihr gut folgen, was daran liegt, dass aus der Perspektive der 17jährigen Tochter Ruth erzählt wird. Die Autorin hat gut recherchiert und fasst den Anlass des Romans und den Gang ihrer Recherchen in einem gelungenen Nachwort zusammen. Etwas gestoßen habe ich mich an einigen Längen betreffend die sich stets wiederholenden Überlegungen der Romanfiguren zum Wagnis einer Auswanderung, wenngleich ich nicht verkenne, dass gerade dadurch sehr deutlich wird, in welchem Zwiespalt sich die Juden in Deutschland befanden – einerseits wollten sie ihre Heimat gar nicht verlassen, andererseits gab es für sie dort angesichts des stetigen Beschneidens ihrer Bürgerrechte und Freiheiten kein Fortkommen mehr.
Auf jeden Fall ein lesenswertes Buch und ein wichtiger Beitrag, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten. Ganz sicher werde ich die dritte Fortsetzung lesen.

Veröffentlicht am 13.07.2019

Wunsch nach Familie

Die Dinge, die wir aus Liebe tun
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Die Ehe von Angie und Conlan scheitert an ihrer ungewollten Kinderlosigkeit und den zahlreichen Versuchen, doch noch zum Wunschkind zu kommen. Angie kehrt zu Mutter und Schwestern zurück, um das Familienrestaurant ...

Die Ehe von Angie und Conlan scheitert an ihrer ungewollten Kinderlosigkeit und den zahlreichen Versuchen, doch noch zum Wunschkind zu kommen. Angie kehrt zu Mutter und Schwestern zurück, um das Familienrestaurant wieder flott zu kriegen. Dort trifft sie auf die17jährige Lauren, die als „Fehltritt“ nie Mutterliebe erfahren hat. Zwischen beiden entwickelt sich eine tiefe Bindung. Als Lauren, schwanger von ihrem langjährigen Freund und eigentlich um ein Stipendium an einem angesehenen College kämpfend, das gleiche Schicksal zu drohen scheint wie ihrer eigenen Mutter, wird ihre Beziehung auf eine Belastungsprobe gestellt – bei Angie erweckt die Schwangerschaft Neid und Hoffnung auf ein zu adoptierendes Baby, Lauren will Angie als Ersatzmutter nicht missen.
Es ist ein sehr gefühlvoll geschriebener Roman, der sich fundiert mit den Folgen einer ungewollten Kinderlosigkeit in der Ehe auseinandersetzt und damit, wie sie sich kompensieren lässt. Angies Traurigkeit ist gut nachvollziehbar. Umso drastischer wirkt es, wenn andere Frauen in ihrer Umgebung ruckzuck schwanger werden, insbesondere ihre junge Freundin Lauren, zu deren Lebenssituation ein Baby überhaupt nicht passt. Die Entwicklung ist natürlich voraussehbar. Einige Romanfiguren machen einen blassen oder überzeichneten Eindruck, wie etwa der werdende Vater von Laurens Baby, der nach Art eines unreifen Milchbubis dargestellt wird oder Angies Mutter und Schwestern, die vor übertriebener Hilfsbereitschaft und Gutmütigkeit strotzen. Alles in allem unterhält und liest sich der Roman aber sehr gut.

Veröffentlicht am 04.07.2019

Eine kubanisch-amerikanische Familiengeschichte

Nächstes Jahr in Havanna
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Diesen Roman zu lesen, macht schon fast die Lektüre eines Sachbuchs zur Geschichte Kubas entbehrlich. So informativ und lebendig könnte ein Geschichtsbuch gar nicht sein über ein Land, das mir bislang ...

Diesen Roman zu lesen, macht schon fast die Lektüre eines Sachbuchs zur Geschichte Kubas entbehrlich. So informativ und lebendig könnte ein Geschichtsbuch gar nicht sein über ein Land, das mir bislang nur fragmentarisch bekannt ist (Schlagworte: Fidel Kastro, Zigarillos, Oldtimer, Urlaubsort für Karibikreisende). Der geschichtliche Werdegang Kubas seit Ende der 1950er Jahr mit kleinen Rückblicken auch auf die Zeit davor bis in die Gegenwart ist eingebettet in eine Familiengeschichte. Die kubanische Familie Perez, reiche Zuckerplantagenbesitzer, geht nach der Revolution Fidel Kastros ins Exil nach Florida. Ihre Tochter Elisa hatte zuvor eine innige Liebesbeziehung zu einem Revolutionär. Nach Elisas Tod einige Jahrzehnte später begibt sich deren Enkelin Marisol nach Kuba, um dort die Asche ihrer Großmutter zu verstreuen. Sie verliebt sich in einen jungen Kubaner, einem Gegner des herrschenden Regimes, und kommt einem Familiengeheimnis auf die Spur. Diese Familiengeschichte hat mir nicht so gut gefallen. Sie wirkt etwas konstruiert und vorhersehbar. Es ist zu weit hergeholt, wenn sich zwei Frauen aus dem Stand heraus unsterblich in Männer verlieben, die für sie sofort zur Liebe ihres Lebens werden, obwohl sie angesichts der Umstände gar keine Chance haben. Noch dazu geschieht alles binnen kürzester Zeit. Nun gut, Ähnliches ist ja oft in Liebesromanen zu finden und unterhält ja auch recht gut.
Ein insgesamt gut unterhaltendes und informatives Buch.