Zwei erstaunliche Frauen
Zwei Handvoll LebenGefühlvoll und doch ungeschönt erzählt Katharina Fuchs die Lebensgeschichte ihrer Großmütter Anna und Charlotte. Beide wurden um 1900 geboren und wuchsen in völlig unterschiedlichen Welten auf. Die eine ...
Gefühlvoll und doch ungeschönt erzählt Katharina Fuchs die Lebensgeschichte ihrer Großmütter Anna und Charlotte. Beide wurden um 1900 geboren und wuchsen in völlig unterschiedlichen Welten auf. Die eine (Anna) arm, mit fünf Geschwistern und einer strengen Mutter und doch voller Freude – die andere reich (Charlotte) und Einzelkind mit einem cholerischen Vater und Bediensteten auf einem Gutshof. Die kurzen Kapitel, die zwischen Anna und Charlotte wechseln, lassen die Geschichte der beiden parallel verlaufen, was mir sehr gut gefallen hat. Ich hatte stets den Eindruck, bei beiden gleichzeitig zu sein und an ihrem Leben teilzuhaben. Die beiden ungleichen Frauen erleben beide Weltkriege mit all ihrem Schrecken und Leid. Die Autorin versteht es, die Ereignisse sehr plastisch und ungeschönt zu beschreiben. Stimmungen fängt die Autorin wunderbar ein, auch wenn sie noch so düster sind. Doch die kleinen Freuden im Leben der beiden Frauen und ihre Stärke standen mir stets vor Augen und haben mich sehr berührt. Es tat mir immer richtig weh, als ich las, mit wie viel Begeisterung noch ganz junge Männer freiwillig in den Krieg gezogen sind. Von Ehre, Ruhm und einer wichtigen patriotischen Aufgabe war die Rede … dabei waren sie so viel Leid und Elend ausgesetzt. Ein Ausspruch von Erich ist mir am deutlichsten im Gedächtnis geblieben: „Ach, Anna, wenn uns damals nur bewusst gewesen wäre, was wir hatten. Man hat immer geglaubt, als Erwachsener ein besseres Leben zu haben. Als wäre da ein in der Ferne liegendes, leuchtendes Land, irgendwo dort, weit hinter den Feldern. Einzig, fremd und verheißungsvoll.“ In die Geschichte um Anna und Charlotte fließen auch immer wieder sehr interessante Informationen zu Inflation, Hunger, beengter Wohnsituation, der Naziherrschaft, Repressalien gegen Juden, aber auch Mode und Musik zu jener Zeit ein. Ich finde, die Autorin verknüpfte das alles sehr geschickt. Einzig die zeitlichen Angaben fehlten mir manchmal.
Ich finde es beeindruckend, wie Anna und Charlotte trotz all der Entbehrungen und traumatischen Erlebnisse ihr Leben gemeistert haben. Zwei starke Frauen, die eine ungelebte Liebe vereint und deren Lebensweg sich durch die Liebe ihrer Kinder gekreuzt hat. Bei aller Tragik hat mich dieses schöne Buch beschämt zurück gelassen, denn wir leben in einer Zeit, in der Alles möglich zu sein scheint und dabei verlieren wir wichtige Werte aus den Augen. Freundschaft und Zusammenhalt in schwierigen Situationen und ein starker Wille und Kampfgeist bekommen in dieser Geschichte eine ganz besondere Bedeutung.