Die Schreie einer Frau sind Musik in seinen Ohren. Er ist groß, blass, haarlos, und wie ein Reptil liebt er die Wärme. Menschen begegnen ihm mit Angst und Ekel. Er ist daran gewöhnt. Denn wenn sie das Monster in ihm erkennen, ist es meist zu spät. Bis der Killer sich Cari Mora aussucht. Die junge Frau hat keine Angst vor dem Grauen und wagt es, dem Dämon ins Auge zu blicken...(Klappentext...ohne der Lobhudelei zu "Das Schweigen der Lämmer")
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"Schade nur, dass sie schneller kalt werden würde, als das Haus die Sonnenwärme abgab. In der klimatisierten Luft würde sie nicht lange warm bleiben, nicht einmal wenn er die Decke über sie beide zog und mit ihr kuschelte - Sie blieben nie warm. So schnell klamm, so schnell kalt."
(S. 22)
In der Villa des einstmaligen Drogenbarons Pablo Escobar soll sich noch Gold im Wert von fünfundzwanzig Millionen US-Dollar befinden. Ein Grund weshalb diese Villa in kriminellen Kreisen weiterhin von großem Interesse ist.
Einer dieser Kriminellen ist Don Ernesto, der Anführer der Ten-Bells, einer kolumbianischen Mafia. Der andere ist Hans-Peter Schneider. Letzterer ist nicht, wie der Name vielleicht vermuten lässt, ein harmloser Hausmeister mit Dackel, sondern ein gebürtiger Deutscher der in der Sexindustrie in Miami Fuß gefasst hat. Dies klingt jedoch auch noch zu harmlos, denn er verdient sein Geld nicht nur mit Prostitution und Menschenhandel, sondern auch damit sexuelle Gewaltfantasien und morbide Fetische für Männer mit genügend Kapital Realität werden zu lassen. Für ihn ist keine Fantasie zu abstoßend und jeder Fetisch wird befriedigt, möge er noch so bizarr, ekelerregend und grausam sein. Für ihn ist es nahezu ein Vergnügen, gehört er schließlich selbst zu diesen Männern, welche von unmöglichen Neigungen und Perversion getrieben werden.
Hans-Peter hat sich un in diese besagte Villa eingemietet, um ungestört nach dem Gold zu graben und dies bleibt Don Ernesto natürlich nicht verborgen. Es bahnt sich ein Konkurrenzkrieg an und zwischen diese Fronten gelangt Cari Mora, eine Frau von 25 Jahren, mit 16 aus Kolumbien geflüchtet und nun schon seit 9 Jahren in den USA. Sie hält sich mit verschiedenen Jobs über Wasser und einer davon ist als Haushüterin der ehemaligen Villa Escobars.
Schneider sieht in ihr auch gleich einen netten Bonus und in seiner Fantasie hört er sie schon vor Schmerzen schreien, bevor er sie an seine Kunden verschachert, ob im Ganzen oder "modizifiert". Doch Cari Mora ist eine Frau die schon viele blutige Gewalttaten gesehen hat, eine Kämpferin ist und die vor diesem milchgesichtigen Glatzkopf alles andere als Angst hat.
Das Buch hätte so verdammt gut weren können...hätte, hätte Fahrradkette.
Der Autor wollte hier eindeutig zu viel Story, jedoch nicht allzu viel schreiben. Zumindest beschlich mich diese Vermutung während des Lesens.
Dieses Buch enthält nämlich quasi zwei Storys. Zum Einen den Kampf um das Gold in Escobars Villa zwischen dem Mafiaboss und dem psychopathischen "Business-Man". Zum Anderen die Story mit diesem grausamen und perversen Business und das Cari Mora als neue Beute ins Visier genommen wird.
Es besteht zwar durchaus eine Verbindung zwischen den beiden Handlungssträngen, doch der Kampf um das Gold dominiert hier, vor allem in den ersten beiden Dritteln des Buches.
Die Story um das eigentliche, im Klappentext erwähnte Thema, kommt erst auf den letzten Seiten in Fahrt. Dies war dann auch relativ schnell vorbei und man ist am Ende des Buches angelangt.
Jede dieser beiden Storys bietet guten Stoff für ein eigenes Buch, wenn sich der Autor auf eine davon konzentriert hätte. So aber bleiben beide Storys leider nur sehr oberflächlich und enthalten somit auch nur wenig Spannung.
Die Grundstory, die Suche nach dem Gold, hätte mir schon genügt, denn hier schafft es Harris eine Atmosphäre zu kreieren, welche an den Film "Scarface" erinnert, oder, um die etwas jüngere Generation anzusprechen, etwas GTA-Vice-City-Feeling.
Ich persönlich hätte also die Story mit dem Psychopathen und seinem morbiden Business überhaupt nicht benötigt.
Wer hätte gedacht, dass ich einer Mafiastory mehr abgewinnen kann, als eine über einen perversen Killer. Ich am allerwenigsten.
"Don Ernesto trat in den Qualm. Die Leiche zuckte noch, Blut pumpte aus dem zerfetzen Körper. Ein Stück Schädel, das an der Decke geklebt hatte, fiel auf Don Ernesto. Er schnippste es weg. Er blickte betrübt, aber gefasst drein. Ein Tropfen Blut lief über seine Wange, wie eine Träne."
(S. 149)
Ich liebe es, wenn man beim Lesen die Liebe zum Detail erkennt. Manchmal trägt dies zur Atmosphäre bei, manchmal erkennt man dies an den Charakterzeichnungen und manchmal erhält eine Story dadurch das gewisse Etwas. Harris hat es damit leider etwas übertrieben und man bekommt das Gefühl er hat selbst nicht wirklich gewusst wohin er mit der Story will.
Er verliert sich in Details und Handlungen, welche nicht wirklich zur Story, bzw. zu den Storys, beitragen. Abschweifungen und Längen, zwischendurch hin und wieder ein Ansatz von Handlung und somit schreitet die Geschichte nur langsam vorwärts - ein Schritt vor, zwei Schritte zurück.
Es wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt und auch hier hat der Autor übertrieben.
Immer mehr Figuren betreten die Bühne, manche interessant, manche weniger und manche tragen nicht wirklich zur Handlung bei. Ja, selbst ein Krokodil hat hier seinen Auftritt.
Im Gegenzug werden diese, wie auch die verschiedenen Handlungsstränge nur angerissen, bleiben ebenfalls nur oberflächlich, selbst die vermeintlichen Protagonisten. Vor allem von Cari Mora und einem Kommissar hätte ich gern mehr erfahren, während mir dieser Hans-Peter relativ am Senkel vorbei ging, was mich selbst überraschte, da ich einen Faible für morbide Killer in Büchern habe.
"Abgesehen von Felix hatte das Krokodil erst ein Mal einen Menschen gefressen, einen Säufer, der von einem Boot voller Säufer fiel und weder damals noch später vermisst oder betrauert wurde. Nachdem ihn das Krokodil verspeist hatte, war es eine ganze Stunde lang ziemlich beschwipst."
(S. 229)
Der Schreibstil hingegen ist genial und doch auch fesselnd.
Man erkennt also durchaus das Potenzial des Autors und da ich "Das Schweigen der Lämmer" mit Begeisterung gelesen habe, weiß ich, dass der Autor es auch wesentlich besser kann. Davon kann man sich auch durch eine 40-seitige Leseprobe überzeugen. Bei diesem Buch hat sich der Autor jedoch anscheinend wesentlich weniger Mühe gegeben.
Fazit:
Was habe ich mich gefreut endlich wieder neuen Stoff von Thomas Harris zu lesen. Die Vorfreude war also groß und meine Erwartungen wohl viel zu hoch, denn es entwickelte sich für mich eher zu einem Lesefiasko und ließ mich enttäuscht zurück. Vor allem da ich weiß, dass der Autor auch anders kann und dieses Können auch in diesem Buch ersichtlich ist.
Diesen Thriller kann man lesen, muss man aber nicht.
© Pink Anemone (inkl. Leseprobe und Autoren-Info)